5 Erziehungstipps von faulen Eltern.

05.09.2019 12:50

Kindererziehung ist überflüssig – die werden trotzdem wie ihre Eltern. So oder so ähnlich soll sich einmal der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann geäußert haben. Bei nicht wenigen schrillen bei solch einem Spruch die Alarmglocken: Erziehung überflüssig? Sofort hat man die Bilder von tyrannisierenden Bälgern vor Augen, die ihrer Mitwelt auf der Nase herumtanzen, Wände beschmieren und testen, ob man Nachbars Katze auch als Musikinstrument benutzen kann, während ihre Eltern faul in der Ecke liegen und über den Weltfrieden diskutieren.

Doch es gibt in der Erziehung zwei Arten von Faulheit: eine, die im Grunde nichts anderes als Vernachlässigung ist, und eine, die sich ganz bewusst zurücknimmt. Und obschon es in Erziehungsfragen keine Patentrezepte gibt, so kann man von dieser zweiten Art der „faulen Eltern“ ein paar hilfreiche Dinge lernen. Sie wissen, wann Kinder ihre Zuwendung brauchen, sie wissen aber auch, wann man den Dingen einfach ihren Lauf lassen sollte – damit das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt und das Familienleben ein klein wenig gelassener wird.

1.) „Ich kann gerade nicht.“

Das kennt wohl jeder: Ein langgezogenes „Maaaama!“ quäkt aus dem Kinderzimmer und wenn man eintrifft, ist lediglich der Zopf der Puppe aufgegangen oder die Geschwister haben sich darüber gestritten, wer mit dem roten Auto spielen darf. In solchen Situationen mögen den Kindern ihre Probleme vielleicht tatsächlich dramatisch erscheinen. Aber nicht jedes Problem müssen die Eltern lösen. Kinder können vieles ganz gut allein und manchmal sogar besser als mit Mamas und Papas Hilfe aus der Welt schaffen. „Faule Eltern“ lehren Kinder, kleinere Konflikte selbst zu klären und an ihre eigenen Fähigkeiten zu glauben.

2.) „Dann spiel doch was.“

Pädagogen beobachten weltweit, dass sich Kinder immer schneller langweilen. Sie werden unruhig, jammern und leiden sichtlich. Langeweile als „bester Freund der Kreativität“? Von wegen! Langeweile ist vielmehr ein „drill instructor“, dem viele lieber aus dem Weg gehen. Nehmen sie die Herausforderung jedoch an, fällt es Kindern irgendwann immer leichter, ihre Zeit aus eigener Kraft mit Sinn zu füllen. „Faule Eltern“ lenken ihren Nachwuchs deshalb weder von der Langeweile ab, indem sie ihn vor den Fernseher setzen, noch spielen sie ununterbrochen den Alleinunterhalter. Stopfe nicht jede freie Sekunde mit Familienaktivitäten voll – Spielzeug haben die Kleinen genug.

3.) „Und damit basta!“

In manchen Ratgebern heißt es: Eltern, die ihre Kinder anschnauzen, sind nur zu faul, ihren Standpunkt zu erläutern. Das stimmt: Manchmal ist es einem schlicht zu dumm, jeden Tag aufs Neue darüber zu diskutieren, dass man vor dem Essen die Hände wäscht. Eltern, die ihre Rotznasen niemals lautstark zur Ordnung rufen, kennen wohl nur Erziehungsexperten. Vor allem, wenn der Sprössling gleichzeitig müde und aufgekratzt ist, fällt es schwer, mit gedämpften Erörterungen bis zur Aufmerksamkeitssphäre vorzudringen. Natürlich gilt auch, dass man Kinder nicht niederbrüllen sollte. „Faule Eltern“ wissen jedoch: Es gibt Situationen, da muss eine klare Ansage genügen. 

4.) „Passt schon!“

In Bayern ist die Floskel „Baaassd scho!“ ein allseits einsetzbarer Ausdruck buddhistischer Gelassenheit: Auch wenn es nicht optimal läuft, besteht kein Grund zur Aufregung. „Faule Eltern“ haben sich diese Lebensweisheit zur Regel gemacht. Die Küche ist nicht immer blitzblank, die Tischmanieren sind nicht immer gesittet und das Kinderzimmer regelmäßig ein Schweinestall. Das gehört dazu, denn Eltern helfen ihren Kindern, so viel wie möglich selbst zu tun – da sind Kollateralschäden unvermeidlich.

Zum anderen legen „faule Eltern“ aber auch an ihre Kinder keinen überzogenen Ehrgeiz an. Sie unterstützen sie, wo sie Hilfe brauchen, treiben sie aber nicht in sämtlichen Lebensbereichen zu Höchstleistungen an. Perfektionismus ist bei Kindern unangebracht. Leidenschaft und Vertrauen in sich selbst sind für das spätere Leben entscheidender als ein Zeugnis voller Einser.

5.) „Ich will so bleiben, wie ich bin.“

„Du darfst“ heißt eine bekannte Marke für Light-Produkte. Doch was du darfst und was nicht, hat niemand anderes zu bestimmen als du selbst! Nirgendwo gilt das mehr als in der Erziehung der eigenen Kinder. „Faule Eltern“ wissen, dass die Vorbildfunktion viel wichtiger ist als neunmalkluge Erziehungstipps. Ratgeber können einem eine Orientierung geben, aber letzten Endes musst du für dich wissen, was du willst und was zu dir passt. Deine Kinder brauchen keine Light-Version von dir, sondern 100 %. Alles andere sollte dir getrost hintenrum vorbeigehen. 

Man muss Erziehung nicht gleich in toto überflüssig finden. Aber das, was man von den im positiven Sinne „faulen Eltern“ lernen kann, ist, dass Erziehung ihre Grenzen hat: Es geht nicht darum, den Haushalt verwahrlosen zu lassen und sich nicht darum zu kümmern, ob die Kinder ihre Hausaufgaben machen. Aber Kinder sind auch kein Projekt, um das wir uns ängstlich rund um die Uhr kümmern müssten. Und wie steht es mit den Kindern von Bundespräsident Heinemann? Seine Tochter machte an ihrem Gymnasium das beste Abitur seit 30 Jahren, wurde weltweit die erste Professorin für katholische Theologie und wurde im Jahr 1999 immerhin als Kandidatin für die Wahl zum Bundespräsidenten aufgestellt – ganz so, als hätte es ihr Vater vorausgeahnt.

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