Von wegen „steriler und wüstenähnlicher Ort“: Am tiefsten Punkt der Erde tummelt sich am Boden des Marianengrabens im Westpazifik in einer Rekordtiefe von 11 000 Metern mehr Leben als bisher angenommen.
Am tiefsten Punkt der Erde geht es weitaus lebendiger zu als bisher gedacht. Die mikrobielle Aktivität im Marianengraben im Westpazifik sei in einer Rekordtiefe von knapp 11 000 Metern deutlich höher als vermutet, schreibt ein internationales Forscherteam in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“. Trotz der widrigen Lebensbedingungen durch den extrem hohen Wasserdruck seien die Mikroorganismen in dieser tiefsten Senke der Erdoberfläche aktiver als in seichteren Meeresgebieten. Diese Erkenntnis sei auch für die Klimaforschung von Bedeutung.
Als Regisseur James Cameron 2012 als dritter Mensch überhaupt mit einem U-Boot zum Grund des Marianengrabens vorstieß, berichtete er von einem „sterilen, fast wüstenähnlichen Ort“. Das kann nach den jüngsten Forschungsergebnissen nicht ganz stimmen. Vielleicht sei Camerons Sicht „vor Aufregung vernebelt“ gewesen, sagt Eric Epping vom Royal Netherlands Institute for Sea Research. Für ihn sind die neusten Erkenntnisse seiner Kollegen aus Dänemark, Deutschland, Japan und Schottlandbemerkenswert.
In ihrer Studie berichten die Wissenschaftler von ihren Messungen im Challengertief, dem vermutlich tiefsten Punkt des Marianengrabens. Dazu ließen sie einen Tauchroboter in knapp 11 000 Meter Tiefe hinab. Dann verglichen sie die Sauerstoffverteilung dort mit der an einer nur 6000 Meter tiefen Stelle. Die Messungen mit speziell entwickelten Instrumenten erfolgten direkt am Meeresboden.
“Hätten wir Proben vom Meeresgrund genommen, um sie im Labor zu untersuchen, wären viele der Mikroorganismen wegen des veränderten Drucks und der veränderten Temperatur gestorben“, erläutert Forscher Ronnie Glud von der University of Southern Denmark. Die Organismen seinen perfekt an das Leben unter extremen Bedingungen angepasst.
Im Ergebnis was der Sauerstoffverbrauch im Challengertief fast zweimal so hoch wie in 6000 Metern Tiefe. „Zusammen mit der Information über den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Sediment können wir so die mikrobielle Aktivität im Sediment abschätzen“, berichtet Mitautor Frank Wenzhöfer vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Sie war demnach erstaunlich hoch.
Erstaunlich viel organisches Material am Meeresgrund
Zusätzlich stellten die Forscher in den Proben aus dem Challengertief auch eine deutlich höhere Anzahl von Bakterien fest. Daraus schließen sie, dass im Meeresgraben viel organisches Material aus absinkenden Kadavern oder Algenresten als Nahrung für die Mikroben zur Verfügung stehen müsse. Auch das hat die Forscher gewundert. Denn normalerweise nehme die Menge von organischem Material im Meer mit zunehmender Wassertiefe ab. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Substanzen durch Erdbeben aus seichteren Gebieten gelöst werden und dann in den Graben rutschen. Die hohe Aktivität der Mikroorganismen im Marianengraben ist bedeutsam für den Kohlenstoffkreislauf der Erde.