Der afrikanische Kontinent will sein Potenzial für erneuerbare Energien ausschöpfen – und die Staatengemeinschaft soll mit Geld dabei helfen. Denn die Schuldenlast engt eigene Spielräume stark ein.
von Marina Zapf
Afrika will als Kontinent für seine weitere Entwicklung konsequent auf grünes Wachstum setzen, braucht dafür aber einen besseren Zugang zu Finanzmitteln – am besten über internationale CO2-Steuern. Mit dieser Botschaft formuliert der erste afrikanische Klimagipfel aller 54 Staaten seine Erwartungen an die Ende November stattfindende nächste Weltklimakonferenz COP28. Auch mit Blick auf den anstehenden Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Indien erging in der Abschlusserklärung von Nairobi die Forderung, dringend die auf den Kontinent drückende Schuldenlast zu erleichtern. Nur dann könne das einzigartige Potenzial zur Förderung grüner Energie ausgeschöpft werden.
Der kenianische Gastgeber, Präsident William Ruto, hatte schon zum Auftakt der Konferenz den Willen der Afrikaner unterstrichen, in ihrer industriellen Entwicklung auf fossile Brennstoffe weitgehend zugunsten regenerativer Energiequellen zu verzichten. Kenia liegt dank eines hohen Anteils von Erdwärme und Wasserkraft im Energiemix hier bereits vorn. Doch sollen nach dem Willen aller Teilnehmer in ganz Afrika erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 von derzeit 56 Gigawatt auf mindestens 300 Gigawatt ausgebaut werden.
Dies mit dem Ziel, sowohl den heimischen Energiemangel zu beseitigen wie auch "die weltweite Versorgung mit grünen und profitablen Energien zu stärken", heißt es in Anspielung an den internationalen Rohstoffhunger beispielsweise für den Bau von Autobatterien oder grüne Wasserstoff-Ambitionen.
Förderung von neuen Öl- und Gasvorkommen
Zwar planen Länder wie Nigeria, Senegal oder Mosambik auch, neue Öl- und Gasvorkommen zu fördern. Der Vorsitzende der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, verwies indes darauf, dass etwa ein steigender heimischer Gaskonsum in Afrika für die Erreichung der internationalen Klimaziele keinen spürbaren Unterschied machen würde. Im Übrigen plädiert die IEA dafür, die Solarkraft auszubauen, um Afrikas anhaltender Energiearmut beizukommen. Fast jeder zweite Afrikaner hat keinen Zugang zu Strom.
Weltweit sind von allen Investitionen in die Energieversorgung nur etwa drei Prozent in Afrika getätigt worden, hieß es am Rande der Konferenz. Zugleich gingen auf dem Kontinent die Investitionen in erneuerbare Energien 2021 auf ein Elfjahrestief zurück. Private Investoren scheuen ohne ausreichende staatliche Absicherungen die Risiken. Die afrikanischen Länder selbst stöhnen unter einer Steuerlast am Rande der Tragfähigkeit oder darüber hinaus.
Zwischen 2008 und 2021 stieg die staatliche Auslandsverschuldung in Subsahara-Afrika von 138 auf 471 Mrd. Dollar. Im Rahmen einer Weltbankinitiative haben westliche Gläubiger zwar Forderungen auf Eis gelegt, um Schuldenkrisen zu verhindern. Dass dies aus afrikanischer Sicht bei weitem nicht reicht, macht die Gipfelerklärung mehr als deutlich.
Gleichbehandlung und neue Steuer
Darin wird die Staatengemeinschaft aufgerufen, die internationale Finanzarchitektur – die mit Internationalem Währungsfonds, Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken in und für eine andere Epoche geschaffen wurde – zu erneuern. "Wir wollen ein Regime, das alle gleichbehandelt", sagte Ruto. Modernisierte Institutionen müssten stärker auf afrikanische Belange für die wirtschaftliche Entwicklung eingehen, insbesondere die Überschuldung: Konkret gefordert werden Umschuldungen und Schuldenerleichterungen in Form von Pausen im Fall extremer Klimaereignisse und einem Zehnjahresaufschub von Zinszahlungen.
Um den Geldfluss für den Energieausbau in Afrika zu erleichtern, war in Nairobi viel von innovativen Finanzinstrumenten die Rede, um spärliche Investitionen zu steigern. Zum Abschluss appellierte Afrika an die Weltgemeinschaft, sich den Vorschlag einer globalen CO2-Besteuerung zu eigen zu machen, die sowohl den Handel mit fossilen Brennstoffen wie auch die Luft- und Schifffahrt umfassen solle, wie es hieß – "und die ebenfalls durch eine internationale Abgabe auf Finanztransaktionen erhöht werden kann".
Wie Ruto zum Abschluss verkündete, wurden in der kenianischen Hauptstadt in drei Tagen Finanzzusagen zugunsten grüner Energie im Umfang von 23 Mrd. Dollar gemacht. Führend dabei trat der Vorsitz der Weltklimakonferenz in Dubai, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), in Erscheinung. Sultan Ahmed Al Jaber, Klimabotschafter und auch Chef der nationalen Erdölgesellschaft ADNOC, kündigte an, die staatseigene Gesellschaft für erneuerbare Energien Masdar werde mit 4,5 Mrd. Dollar den Zubau von 15 Gigawatt in Afrika unterstützen.
Deutsche Schuldenumwandlung als Beispiel
Auch Deutschland, das in Nairobi als Gast geladen war, trat mit Finanzierungszusagen von 450 Mio. Euro an, um afrikanische Projekte zu unterstützen – davon 200 Mio. Euro als Folgebeitrag zu der am Rande der Weltklimakonferenz in Glasgow mit den USA und anderen EU-Ländern angestoßenen "Just Energy Transition Partnership" (JETP) mit Südafrika. Die Staatssekretärin im Entwicklungsministerium (BMZ) Bärbel Kofler hob zum Thema Finanzierung das "kluge Instrument" von Schulden-Swaps mit afrikanischen Regierungen hervor – mit dem Verbindlichkeiten im Austausch gegen gezielte öffentliche Investitionen gestrichen werden können.
Zwar spielt Deutschland als Gläubiger in Afrika nur eine untergeordnete Rolle – führender Kreditgeber ist die Volksrepublik China –, doch vereinbarte die Bundesregierung mit Kenia eine Schuldenumwandlung über 60 Mio. Euro, die nun in die Förderung von Energie und ländlicher Entwicklung fließen sollen. Der Beitrag könne ein Signal auf internationaler Ebene geben, sagte Kofler, um zu sehen, wo das Instrument noch angewandt werden könne. Doch natürlich sei es entscheidend, in der Gläubigerlandschaft die G20 an Bord zu haben.
Auch die Klimabeauftragte im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, bezeichnete die Umwandlungsinitiative als Beispiel und Inspiration für Länder wie China. Lösungen, die afrikanischen Regierungen finanzielle Spielräume für Klimapolitik gäben, müssten im Schulterschluss mit anderen Ländern gefunden werden.
Positiver Impuls für COP28?
Die Erklärung von Nairobi würdigten Kofler wie Morgan als wichtigen Schritt und Grundlage für die bevorstehenden Debatten in Dubai. Dass ein Kontinent, der durch Dürren und Wetterereignisse so schwer unter dem Klimawandel leide, sich nun aufmache, in einem neuen Ton eigene zukunftsfähige Lösungen für die Klimakrise einzubringen, sei beispiellos – und hoffentlich ein positiver Impuls für die COP-Debatte.
Weitere Impulse für den Klimagipfel werden von der Wiederauffüllungskonferenz für den Green Climate Fund (GCF) im Oktober unter deutschem Vorsitz in Bonn erwartet. Deutschland hat für die Jahre 2024 bis 2027 einen um 33 Prozent erhöhten Beitrag von 2 Mrd. Euro zugesagt – und erwartet nun großzügige Zuwendungen anderer Länder.
Der Fonds gilt als tragende Säule der globalen Architektur zur Klimafinanzierung für die Vermeidung von Treibhausgasen wie für die Anpassung an Klimaschäden in Entwicklungsländern. Seine Verwaltung ist paritätisch mit Geber- und Empfängerländern besetzt, um gerechten Zugang bemüht und fördert die Eigenverantwortung der Länder. Experten zufolge sind für die neue Periode bereits Konzeptpapiere und Bewilligungsanträge für den Schutz von Klima und lokalen Gemeinschaften im Umfang von rund 20 Mrd. Dollar in der Pipeline.