Anschober & Co. werfen Werbetrommel für marode Corona-App wieder an

04.12.2020 11:34

Lange Zeit war es still geworden um die „Stopp Corona“-App des Roten Kreuzes. Kein Wunder: denn so wirklich half diese bislang nicht bei der Eindämmung der Fallzahlen. Anstatt die nicht zuletzt aus Datenschutzgründen umstrittene App als gescheitert zu betrachten, soll es eine neue Image-Offensive richten. 

Trotz einer ersten Werbekampagne im Frühsommer wollte sich der Erfolg wahrlich nicht einstellen. Obwohl bereits 1,2 Millionen Nutzer die heimische App runterluden, wurden darüber bis Mitte November nur etwa 2.500 Corona-Infektionen gemeldet. Trotzdem glaubt der Chef des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, dass dies eine Reduktion von „sechs bis acht Prozent“ der Ansteckungen bedinge. Weil ihm das nicht genug ist, muss nun erneut kräftig nachgebessert werden. 

Nachbesserung bei Außenwirkung der umstrittenen App?

Etwa ein Siebtel der Bevölkerung – das ist auch international kein Ruhmesblatt. Bei den Finnen etwa haben 2,5 Millionen Nutzer und somit fast die Hälfte der Menschen im Land die dortige App bereits installiert. Hierzulande bleibt sie unbeliebt – möglicherweise auch, weil sie durch frühere Überlegungen von ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, sie verpflichtend zu machen, einen schweren Imageschaden erlitt. 

Also ist Nachbesserung angesagt. Aus diesem Grund stellte sich auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Montag wieder hinter die Applikation, welche Mitte Dezember ein neues Update erhalten soll. Damit auch jetzt schon die Bürger brav und artig weiter herunterladen, spannte man jede Menge prominenter Gesichter ein, sich in einem Werbefilm pro „Stopp Corona“ zu positionieren. Auch ÖVP-nahe Medien wie die „Kleine Zeitung“ bringen recht unkritische Artikel zur App.

Fortschritt und Bequemlichkeit als ‚Verkaufsargument‘

Wie der „Kurier“ berichtet, befinden sich darunter Schauspieler Harald Krassnitzer und TV-Moderatorin Barbara Stöckl. Der ehemalige TV-„Bergdoktor“ versucht es mit den Wohlfühl-Gedanken: „Sie tut nicht weh, aber nützt sehr viel“. Das Talk-Urgestein im ORF wiederum argumentiert mit dem Fortschritt und der Bequemlichkeit, weil Menschen sich oft nicht an ihre Kontakte erinnern könnten. „Da muss man sich im 21. Jahrhundert die Frage stellen: Geht das nicht einfacher?“

Dass die App im Hintergrund läuft und sich bei einem Kontakt mit einem Infizierten meldet, würde normalerweise alle Alarmglocken schrillen lassen. Also sollen laut Kurier „anerkannte Experten wie Max Schrems und IT-Journalistin Ingrid Brodnig“ diese „Bedenken zerstreuen“. Sie verweisen auf die minutiöse Testung des Programmes. Auch Stöckl ist dieser Ansicht: Man würde ja ohnehin ständig anklicken, dass man etwa Cookies auf einer Netzseite akzeptiere – und solle entscheiden, was einem „wichtiger“ sei…

Prominente Werbung mit der Moralkeule

Die am Panel direkt neben Anschober stehende ORF-Frau Stöckl legt dabei aber auch mit dem Schreckgespenst des Todes und dem schlechten Gewissen nach. Wörtlich: „Wir hören jeden Tag die Anzahl der Todesfälle. Die lag in den letzten Tagen und Wochen über hundert. […] Das ist keine Zahl, das sind hundert Menschen.“

Auch ÖFB-Nationalmannschaftstrainer Franco Foda rührt die Werbetrommel: „Gefragt sind Solidarität und Zusammenhalt. Mit der Stopp Corona-App des Roten Kreuzes gibt es eine einfache und wirksame Möglichkeit, Kontaktpersonen anonym zu benachrichtigen und Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen.“

Genehme Unternehmer appellieren an „Solidarität“

Diese Deutung, dass jeder, der die App nicht will, sich quasi am Volk versündige, darf sich auch die frühere Grünen-Kandidatin, Bloggerin und Asyl- und Klima-Aktivistin Madeleine Alizadeh – die der Kurier lediglich als „Unternehmerin“ vorstellt – anschließen. Der Download sei eine „ganz banaler Akt der Solidarität“.

Noch einen Schritt weiter ging Ali Mahlodji, der Gründer der Berufsorientierungsplattform „Whatchado“. Dieser spricht davon, dass man das „Zeitfenster bis zur Impfung“ nützen müsse. Der Aufwand, die App herunterzuladen, sei minimal – und wer nach Ausreden suche, der sei einfach nicht solidarisch. Na, dann.

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