Wenn das gestohlene Auto wieder auftaucht, ist das eigentlich eine gute Nachricht. Für einen kanadischen SUV-Besitzer war die Erfahrung eher frustrierend. Er konnte seinen Wagen gleich mehrfach orten. Und musste hilflos zusehen, wie er auf der anderen Seite des Globus endete.
Die Idee leuchtet schnell ein: Einen Tracking-Chip wie ein Airtag ins Auto zu packen, hilft nicht nur, wenn man mal seinen Parkplatz vergessen hat – sondern auch, wenn der Wagen gestohlen wurde. Wie wenig das in der Praxis nützen kann, hat nun ein Kanadier erlebt. Er wusste zwar immer wieder, wo sich sein sein gestohlener SUV gerade befand. Unternehmen konnte er aber trotzdem nichts.
Schon dass der Wagen überhaupt gestohlen wurde, war ziemliches Pech, berichtet der nur unter seinem Vornamen genannte Andrew gegenüber dem kanadischen Sender "CBC". Als er von einer Reise in seine Heimatstadt Toronto zurückkehrte, bemerkte er an dem in der Einfahrt geparkten GMC Yukon Anzeichen für einen Diebstahlversuch. "Nicht schon wieder", habe er sich gedacht – ein anderer Wagen des gleichen Modells war ihm im letzten Frühjahr bereits aus derselben Einfahrt gestohlen worden. Seine Frau und er überlegten deshalb, später die Einfahrt mit dem anderen Auto zu blockieren. Doch als sie einen schnellen Happen gegessen hatten und den Plan umsetzen wollten, war es zu spät: Der Yukon war bereits verschwunden.
Verzweifelte Jagd nach dem Auto
Es war der Beginn einer verzweifelten Suche. Noch am Tag des Diebstahls verfolgte Andrew über Stunden immer wieder, wie die zwei im Auto versteckten Airtags ihn über den aktuellen Standort seines SUVs informierten. Der fuhr zunächst in der Stadt herum, verließ sie dann ins Umland. Andrew versuchte in der Zeit, die eingeschaltete Polizei über den Standort im Bilde zu halten.
Dann gab es einen Hoffnungsschimmer: Als der Wagen in einem Frachtterminal des Frachtverbundes CPKC geortet wurde, meldete sich ein Polizist bei Andrews, um sich die Lage genauer anzusehen. Mithilfe der Airtag-Daten fuhr er bis zu einem Container vor – und prompt meldete sich auch der zweite Airtag. Apples Tracking-Chips nutzen nicht eine eigene GPS-Verbindung, sondern verbinden sich mit beliebigen iPhones in der Nähe, um ihren Standort von den Besitzern der Smartphones unbemerkt an Apples Server weiterzugeben. Der zweite Airtag-Ping dürfte also durch das iPhone des Polizisten abgeschickt worden sein.
Kurze Hoffnung
Andrews half das allerdings nicht: Zu seinem Leidwesen informierte ihn der Beamte, dass der Container auf Firmengelände stand – und er keine Befugnis hatte, ihn zu durchsuchen. Als die Sicherheitsfirma des Frachtdienstleisters am nächsten Tag auf die Anfrage reagierte, war es bereits zu spät: Der Container war verladen worden. "Das war der Höhepunkt der Frustration. Zu wissen, dass er dort steht. Und dass er verschwinden wird", gestand Andrew gegenüber "CBC".
Für den gestohlenen Wagen war es nur der Beginn einer wahren Odyssee. Andrew erhielt weitere Pings aus dem 350 Kilometer entfernten Smith Falls, dann aus Montreal. Das nächste Signal kam erst Wochen später – aus dem belgischen Antwerpen. Noch einmal drei Wochen später traf der SUV dann an seinem bisher letzten Ziel ein: Das Airtag meldete sich vom anderen Ende der Welt, aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Gestohlene Wagen als Exportschlager
Tatsächlich ist das weltweite Verschiffen von gestohlenen Fahrzeugen längst Normalität geworden. Galt etwa lange Osteuropa als Hauptziel für in Deutschland gestohlene Autos, haben der Nahe und Mittlere Osten und Zentralasien den Nachbarländern längst den Rang abgelaufen, wie Statistiken des Bundeskriminalamtes zeigen. Auch in Afrika landen viele gestohlene Fahrzeuge.
Nach einem kurzen Einbruch zu Anfang der Pandemie hatten die Austodiebstähle in Deutschland 2022 einen neuen Höchststand erreicht, gegenüber dem Vorjahr waren sie fast um ein Drittel angestiegen, auf knapp 40.000 gestohlene Wagen. Immerhin: Trotz der Rekordzahl an "abhandengekommenen Pkw" ist die Zahl der tatsächlich spurlos verschwundenen Wagen im Vergleich zu Vor-Pandemie-Jahren gesunken. Knapp zwei Drittel der Wagen werden den Statistiken Zufolge wieder aufgefunden, 2019 war es noch nur die Hälfte.
Nach Angaben des ADAC werden Luxuswagen wie SUVs oder Limousinen am häufigsten gestohlen.
Schwierige Rückführung
Auch für Andrews hatte die Jagd gerade erst begonnen. Sein Vater, ein Anwalt im Ruhestand, begann, die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, um den gestohlenen Wagen zurückzubekommen. Ein vor Ort angeheuerter Privatdetektiv wurde tatsächlich fündig. In einer Anzeige wurde ein "nach kanadischen Spezifikationen" gefertigter GMC Yukon angeboten, der Tachostand entprach dem von Andrews Wagen. Und tatsächlich: Die durch die Windschutzscheibe sichtbare Identifikationsnummer stimmte mit dem in Toronto gestohlenen Wagen überein. Andrews SUV wurde also in den Emiraten zum Kauf angeboten, für 80.000 Dollar.
Versuche, die örtlichen Behörden zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, blieben bisher allerdings erfolglos. Auch Interpol hat nach Angaben des Bestohlenen bislang keine Hilfe bieten können. Immerhin scheint der Wagen auch noch nicht verkauft worden zu sein: Den Airtags zufolge parkt er weiterhin bei dem arabischen Händler.