Seit Jahren ist die Sterbehilfe in Deutschland ein strittiges Thema. Wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgericht befasst sich das Parlament mit dem Sterbehilfe-Gesetz. Dazu gibt es zwei unterschiedliche Vorschläge – und einige Kritik.
Inhaltsverzeichnis
- Warum soll es ein neues Gesetz zur Sterbehilfe geben?
- Vorschlag 1: Begrenzte Strafbarkeit
- Vorschlag 2: Generelle Straffreiheit
- Welche Kritikpunkte es gibt
Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben: In einem Grundsatzurteil erkannte das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren ein solches Recht ausdrücklich an. Dieses Recht, sich selbst zu töten, umfasst demnach auch die Freiheit, sich dafür Hilfe bei Dritten zu holen. Doch welche Regeln sollen für die Sterbehilfe gelten?
Am Donnerstag stimmt der Bundestag über zwei Gesetzentwürfe ab, die solche Regeln festlegen sollen. Das neue Gesetz soll klären, wie Sterbewillige Zugang zu todbringenden Medikamenten bekommen können – und es soll Helfer davor schützen, bestraft zu werden.
Warum soll es ein neues Gesetz zur Sterbehilfe geben?
Aktuell existiert in Deutschland keine gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe. Sie ist straffrei möglich, seit das Verfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt hat. Dass es gesetzliche Regeln für den assistierten Suizid braucht, ist allerdings unstrittig. Den Abgeordneten liegen zwei fraktionsübergreifend ausgearbeitete Vorschläge vor, über die sie ohne Fraktionszwang abstimmen. Das Ergebnis der Abstimmung ist nach aktueller Einschätzung von Fachleuten aus den Fraktionen völlig offen.
Vorschlag 1: Begrenzte Strafbarkeit
Der Vorschlag der Gruppe um den SPD-Abgeordneten Lars Castellucci hält im Grundsatz an einer Strafbarkeit der "geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" fest. Verstöße sollen mit Haft- oder Geldstrafen geahndet werden können. Nicht rechtswidrig soll die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn der suizidwillige Mensch "volljährig und einsichtsfähig" ist, sich mindestens zwei Mal von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder einem Psychotherapeuten hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat.
Zudem sind Wartezeiten vorgesehen: Zwischen den beiden Untersuchungsterminen sollen mindestens drei Monate liegen. Nach der abschließenden Untersuchung soll dann noch eine "Wartefrist" von zwei Wochen bis zwei Monaten zur Selbsttötung mit entsprechenden Medikamenten liegen. Bei Menschen mit besonders hohem Leidensdruck soll ein Untersuchungstermin reichen.
Ein zunächst vorgeschlagener neuer Strafrechtsparagraf gegen "Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung" wurde in der Sitzung des Rechtsausschusses am Mittwoch aus dem Entwurf gestrichen. Neu eingefügt wurde ein Passus, wonach "Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens" grundsätzlich nicht verpflichtet seien, an einer Selbsttötung mitzuwirken oder die "Durchführung von Förderungshandlungen zur Selbsttötung" in ihren Räumlichkeiten zu dulden.
Vorschlag 2: Generelle Straffreiheit
Der Vorschlag der Gruppe um Kathrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) sieht weniger Einschränkungen vor und will die Sterbehilfe grundsätzlich aus dem Strafrecht herausnehmen. Die Regelung soll die individuellen Motive für den Sterbewunsch nicht bewerten, sondern lediglich "Leitplanken" für den Weg eines erwachsenen und einsichtsfähigen Menschen zur Selbsttötung aufstellen.
Auch diese "Leitplanken" sehen Vorgaben zu Beratung und Wartezeiten vor - allerdings weniger strikt als beim anderen Vorschlag. Voraussetzung für die Verschreibung von Medikamenten zur Selbsttötung soll in der Regel eine Beratung bei einer fachlich qualifizierten Stelle sein, in der auch Alternativen zur Selbsttötung angesprochen werden. Die Verschreibung soll dann frühestens drei Wochen nach der Beratung - und maximal zwölf Wochen danach - möglich sein.
In Härtefällen soll ein Arzt die Mittel nach eigenem Ermessen auch ohne Beratung verschreiben können. Ein solcher Härtefall soll dann vorliegen, wenn sich jemand "in einem existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen" befindet.
Welche Kritikpunkte es gibt
Ärztevertreter und Fachverbände warnen vor einer zu weit gehenden Liberalisierung der Sterbehilfe. Dies würde einer "gesellschaftlichen Normalisierung des Suizids Vorschub leisten", warnte etwa der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt. Der Psychiatrie-Fachverband DGPPN fordert eine bessere Suizidprävention statt leichterer Sterbehilfe - denn häufig seien suizidale Menschen aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung überhaupt nicht in der Lage, "diese Entscheidung frei und selbstbestimmt zu treffen". Nach Angaben aus den Koalitionsfraktionen soll nun am Donnerstag tatsächlich auch ein Antrag zur verbesserten Suizidprävention abgestimmt werden.