Bürgergeld: Wenn Nichtstun besser als Arbeit ist

23.11.2022 11:26

Mit der Ablehnung des sogenannten Bürgergeldes durch die unionsgeführten Länder im Bundesrat hat die Ampel-Regierung nur vorläufig einen Rückschlag erlitten – denn früher oder später wird das Gesetz kommen. Vor allem die SPD will mit der Reform der Sozialhilfe ihr seit fast 20 Jahren anhaltendes Trauma überwinden, das sie seit der Einführung der Hartz-Reformen verfolgt. Dann heißt es mehr denn je: Wer arbeitet, ist der Dumme.

Mit dem Bürgergeld sollen die monatlichen Zahlungen um 53 Euro auf 502 Euro für Alleinstehende erhöht werden. Das Schonvermögen, das die Bezieher der Leistungen zwei Jahre lang als finanzielle Reserve behalten dürfen, liegt bei 60.000 Euro bei Alleinstehenden und 30.000 Euro für jede weitere Person im Haushalt.

Die Union hatte sich bereit erklärt, die Erhöhung der Leistungen mitzutragen, lehnt aber die Höhe des Schonvermögens ebenso ab wie die sechsmonatige „Vertrauenszeit“, während der weder Leistungskürzungen noch sonstige Sanktionen vorgenommen werden dürfen wenn Bürgergeld-Bezieher sich der Zusammenarbeit mit den Behörden verweigern.

Keine Anreize mehr für Leistung

Generell lautet die Kritik, dass Gering- oder selbst Durchschnittsverdiener durch Arbeit weniger oder nur unwesentlich mehr Geld zur Verfügung hätten als die Empfänger des Bürgergeldes, die zudem auch Heiz-und Wohnkostenzuschüsse  erhalten.

Es gebe keine Anreize, sich um Arbeit zu bemühen, während weite Teile der arbeitenden Bevölkerung, die für relativ geringe Löhne oft schwierige Tätigkeiten verrichten, schlechter gestellt würden.

Von wegen bessergestellt durch Arbeit

Dadurch werde das Prinzip des Sozialstaates auf den Kopf gestellt. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz beklagte, der „für sich selbst verantwortliche Bürger“ werde zunehmend zum „Versorgungsempfänger“. Nicht die Eigenverantwortung stehe im Vordergrund, „sondern ein paternalistischer Staat, der erst nimmt und dann einen Teil davon wieder gibt“.

Mehrere, teilweise aber wieder korrigierte oder zurückgezogene Modelle hatten errechnet, dass die Bezieher von Bürgergeld besser gestellt seien als wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Dagegen hatte eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ergeben, dass eine vierköpfige Familie, bei der ein Elternteil in Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, pro Monat 544 Euro mehr zur Verfügung habe als bei Bezug des Bürgergeldes.

Schönrechnerei der Sozialverbände

Sozialverbände und Gewerkschaften verweisen zudem darauf, dass die um 53 Euro erhöhte Zahlung gerade einmal die Inflation ausgleiche. Zudem würden auch Geringverdiener oder Alleinerziehende diverse Zusatzleistungen wie Kinder-oder Wohngeld erhalten.

Solche Schönrechnereien sind jedoch unsinnig, weil jeder normale Mensch die zweckrationale ökonomische Überlegung anstellen wird, ob er für das, was ihn durch Arbeitseinkommen womöglich mehr bleibt, 160 bis 200 Stunden pro Monat rackern soll.

Vorstufe zum bedingungslosen Grundeinkommen

Auch insofern befürchten viele, das Bürgergeld sei zumindest die Vorstufe zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, bei dem eine immer kleiner werdende, zugleich aber immer höher belastete Gruppe von Nettosteuerzahlern die Untätigkeit einer ebenfalls stetig wachsenden Masse von Erwerbslosen finanziere.

Zudem wird kritisiert, dass mit dem Bürgergeld ein zusätzlicher Anreiz für weitere illegale Migration nach Deutschland geschaffen werde.

Schnelle Einigung tut not

Nach dem Scheitern des Bürgergeldes im Bundesrat, hat die Regierung nun den Vermittlungsausschuss angerufen, der aus je 16 Vertretern von Bundestag und Bundesrat besteht. Da die Reform bereits ab Januar gelten soll, muss nun schnell eine Einigung gefunden werden.

Beide Seiten haben jedoch Kompromissbereitschaft angekündigt. Dennoch ist unwahrscheinlich, dass die Reform wie geplant zum Jahreswechsel eingeführt werden kann.

Überforderte Behörden fordern ohnehin Verschiebung auf Juli

Personalräte der Jobcenter hatten kürzlich gefordert, den Beginn des Bürgergeldes auf Juli nächsten Jahres zu verschieben, weil nicht annähernd ausreichend Personal zur Verfügung stehe, um die Änderungen zu bearbeiten.

Zudem sind die Computersysteme noch gar nicht an die neue Gesetzgebung angepasst. Dies bedeutet, dass die Anträge einzeln und von Hand bearbeitet werden müssten, was schon alleine aufgrund des Personalmangels unmöglich wäre. 

Quelle