Der Tiktok-Effekt: Studie analysiert die Verstärkung asozialen Verhaltens durch die Video-Plattform

22.09.2023 12:33

In einer ausführlichen Analyse widmete sich die BBC den Auswirkungen von Tiktok-Clips auf soziale Konflikte und fand bedenkliche Einflüsse auf das Verhalten der User.

Wem welche Nachrichten, Bilder oder Videos in einer Social-Media-App angezeigt werden, entscheidet der Algorithmus. Bei allen bekannten Netzwerken ist dies gleichermaßen der Fall. Interessiere ich mich für ein bestimmtes Thema und klicke Infos darüber häufiger an, werden mir normalerweise auch in Zukunft häufiger Vorschläge aus genau diesem Themenbereich gemacht. So weit, so gut. 

Der Algorithmus untersucht jedoch zusätzlich, welche Themen gerade in meinem Umfeld, in meiner Altersgruppe oder in meinem Bekanntenkreis besonders stark zirkulieren und zeigt sie mir. Dies beinhaltet die Hoffnung, dass auch ich mich – aufgrund der Überschneidungen des Themas zu meinem sonstigen Klickverhalten – dafür interessieren werde. 

Tiktok-User mit verstärkender Reichweitenwirkung

Was jedoch geschieht, wenn ich als beispielsweise besonders Video-affiner User einer App wie Tiktok durch die mir vorgeschlagenen Themen auch gewillt bin, eines der Themen aufzugreifen und selbst ein Video dazu zu drehen? Verstärke ich dadurch möglicherweise die Auswirkungen des konkreten Themas? Wenn etwa eine Demo in meiner Stadt beginnt, würde ich davon auch via Tiktok erfahren. Gehe ich nun – motiviert durch den Tiktok-Beitrag dort hin, drehe ein eigenes Video der Veranstaltung und verbreite es anschließend, hat sich die Reichweitenwirkung des von mir zuerst angesehenen Videos dadurch schon verdoppelt. Falls nun noch weitere meiner Bekannten durch mein Video ebenfalls an der Demo teilnehmen, verstärkt sich der Effekt.

Diesen Zusammenhang hat die BBC nun in einer Studie bezogen auf Tiktok untersucht. Anhand von vier konkreten Beispielen betrachtet die Studie, wie sich der Algorithmus jeweils an das Geschehen anpasste und dadurch möglicherweise als verstärkender Faktor auch indirekt ins Geschehen eingriff.

Ereignisse in britischen Schulen und auf den Straßen Frankreichs hätten im Februar und Juni dieses Jahres beispielsweise gezeigt, wie TikTok dazu beitragen kann, dass Unruhen eskalieren und sich von Ort zu Ort ausbreiten, analysiert die BBC. Im Februar 2023 sei auf auf TikTok ein Protest gegen die Rainford High School in Merseyside publiziert worden, bei der die konkrete Länge von Mädchenröcken überprüft wurde.

"Online-Hysterie"-Verstärker

Innerhalb von drei Tagen hätten Schüler an über 60 Schulen ihre eigene Version des Protests abgehalten und auch gefilmt. Nach einer weiteren Woche waren Schüler von über 100 Schulen beteiligt. Die Proteste gerieten teilweise außer Kontrolle: Fenster wurden eingeschlagen, Bäume in Brand gesteckt und Lehrer tätlich angegriffen.

"Ich habe das Gefühl, dass TikTok den Leuten die Möglichkeit gibt, etwas, das in einer Schule viral geht, in die ganze Region zu transportieren und daraus einen Wettbewerb darüber zu machen, wer die anderen Schulen aufstachelt und noch extremer machen kann“, kommentierte eine ehemalige TikTok-Moderatorin diesen Fall im Interview mit der BBC.

Auch in drei weiteren Fällen untersuchte der Sender den Zusammenhang von sozialen Ereignissen und der anschließenden katalytischen Wirkung durch Tiktok, mit jeweils sehr ähnlichen Ergebnissen. Selbstverständlich ist es weder Tiktok allein, dass diesen Effekt befördert, noch kann ausgeschlossen werden, dass es nicht auch ohne das Vorhandensein von Social-Media-Apps zu ähnlichen Zuspitzungen gekommen wäre. Zusammenfassend kommt die Studie jedoch zu dem eindeutigen Schluss, dass TikTok "Online-Hysterien vorantreibt, die asoziales Verhalten in der realen Welt fördern".

Quelle