DEUTSCHE ROMANTIK Caspar David Friedrich: Die Landschaft der Seele

18.03.2019 17:17

Mit Gemälden, die stimmungsvolle Sonnenuntergänge zeigen, nebel­verhangene Gebirge und einsam betende Mönche wird Caspar David Friedrich nach 1810 zum berühmtesten Maler der deutschen Romantik. Dabei geht es dem Greifswalder weniger darum, was auf der Leinwand zu sehen ist, sondern vor allem um die Emotionen, die seine Werke auslösen. Sie sollen den Menschen tiefe Ehrfurcht vor dem Göttlichen lehren

Eine seltsame Revolution. Sie braucht kaum Platz, keine Parolen, kein einziges Wort. Ihr genügt ein sparsam beleuchteter Raum mit einem Tisch, verhängt mit einer schwarzen Decke. Darauf steht, altargleich, ein Ölgemälde. Eine ungekannte, eigentümliche Magie geht von dem Bild aus. „Es ergriff alle, die ins Zimmer traten, als beträten sie einen Tempel“, berichtet später eine Besucherin. „Die größten Schreihälse sprachen leise und ernsthaft wie in einer Kirche.“

Caspar David Friedrich spaltet die Kunstwelt

Sorgfältig hat der Maler des Gemäldes seine Inszenierung geplant, die ihre Wirkung an diesen Weihnachtstagen des Jahres 1808 in Dresden nicht verfehlt. Dabei wollte er sein für eine Hauskapelle vorgesehenes Werk zunächst nur Freunden zeigen. Doch die drängten ihn zu dieser sonderbaren Ausstellung in seinem Atelier, in der nur ein einziges Bild zu sehen ist.

Es heißt „Kreuz im Gebirge“ und stellt ­einen silhouettenhaften, von Tannen umwachsenen Felsgipfel dar. Auf diesem steht ein Kreuz, daran ein Heiland aus Metall, der im Licht unnatürlicher Strahlenbündel leuchtet. Eingefasst ist das Bild in einem ­eigens geschnitzten, vergoldeten Rahmen, mit gotischen Säulen, Engelsköpfen und dem allsehenden Auge Gottes. Binnen weniger Tage wird das Gemälde zum beherrschenden Thema in den intellektuellen Zirkeln Dresdens.

Schon bald spaltet es die Kunstwelt der Stadt, dann die des ganzen Landes. Der Auslöser dieser Kontroverse, ein menschenscheuer Blondschopf namens Caspar David Friedrich, erfährt davon anfangs nichts. Während Kunstinteressierte und Neugierige über Tage seine Arbeits­stätte an der Elbe aufsuchen, ist er verreist. Erst nach seiner Rückkehr erfährt er von den Reaktionen, die sein Bild ausgelöst hat: Lob, Begeisterung – und harte Kritik.

Friedrich lädt Landschafen mit religiöser Bedeutung

Der schärfste Verriss erscheint im Ja­nuar 1809 in der „Zeitung für die elegante Welt“. Verfasser ist Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr, ein Anhänger des Klassizismus, ein Gralshüter der alten Schule, der die Nachahmung des klassischen Altertums als die wahre Kunst erachtet.

Zentral- und Luftperspektive fehlen, moniert Ramdohr – wo steht der Maler des Bildes überhaupt? Weshalb wirkt der Berg wie aus der Ferne betrachtet, erscheinen Einzelheiten wie Tannenzweige oder Efeu aber ganz nah? Was für eine Art Licht ist es, bei dem nicht zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang zu unterscheiden ist? Und warum ist keine Differenzierung zwischen Vorder-, Mittel- und Hintergrund zu erkennen? 

Im Wesen geht es Ramdohr aber weniger um die Technik als um den Inhalt. Denn was auf dem Bild zu sehen ist, bricht mit dem herrschenden Kunstverständnis. 

Themen jener Zeit sind die Götter oder Regenten, auch Landschaften. Die aber lädt Friedrich jetzt mit religiöser Bedeutung auf – ein klarer Bruch mit der Gattungshierarchie, in der Landschaftsmalerei ganz unten eingeordnet wird. Nun aber wolle diese plötzlich „in die Kirchen schleichen und auf Altäre kriechen“, empört sich Ramdohr, der vielleicht schon ahnt, was er nicht wahrhaben will: Die Zeit der christ­lichen His­to­rien­malerei ist vorbei.

Monatelang wogt der „Ramdohrstreit“. In Zeitschriften kämpfen Fürsprecher des Malers gegen dessen Kritiker, auch Friedrich selbst mischt sich ein. Wäre er, schreibt der Künstler in einem Journal, „auf der einmal gebahnten Straße einhergegangen, wo jeder Esel seinen Sack trägt, wo Hund und Katze der Sicherheit wegen wandeln, weil die berühmten Künstler der Vorzeit als Muster und Vorbilder da aufgestellt worden, wahrlich der Kammerherr von Ramdohr hätte geschwiegen“.

Nicht zuletzt dieser Streit wird Friedrichs Ruf begründen – und ihn bekannt machen, den Sohn eines Lichtziehers aus Greifswald, der 1774 als sechstes von zehn Kindern geboren wird. Eine Schwester stirbt an Fleckfieber, ein Bruder ertrinkt, als er einen anderen Bruder retten will, der auf einem gefro­renen See durchs Eis gebrochen ist. Der Gerettete ist: Caspar David.

Der ist schon mit sieben Jahren zur Halbwaise geworden. Seit dem Tod der Mutter kümmert sich eine Haushälterin um die Familie, die ein Haus mit Werkstatt am Dom bewohnt. Die Stadt Greifswald, einst stolzes Mitglied der Hanse, hat ihre Bedeutung längst eingebüßt. Eine Stadt im Dämmerzustand, in der die Einwohner ihren Lebensunterhalt vorwiegend als Handwerker verdienen, Kleinhändler, Fischer.

Doch immerhin gibt es eine Universität, an der 60 Studenten eingeschrieben sind. Zeichnen lehrt hier Johann Gottfried Quistorp, der interessierte Studenten und Schüler nebenbei privat unterrichtet – auch den 16-jährigen Caspar David, den er mit Gemälden internationaler Maler aus seiner Privatsammlung vertraut macht, mit Handzeichnungen und Landschaftsradierungen deutscher Künstler. 

Vor allem weckt Quistorp das Interesse seines Schülers für die Natur, schärft bei Ausflügen dessen Sinne für die Schönheit der Heimat. Durch ihn lernt Caspar die Ideen des mit Quistorp befreundeten Pas­tors Gotthard Ludwig Kosegarten kennen. 

Der ist berühmt für seine Uferpredigten auf Rügen – Gottesdienste unter freiem Himmel, in denen sich Glaube und Natur vereinen. Der Geistliche kann sich für Eichenhaine und Hünengräber begeistern; für Übergangsstimmungen wie etwa Sonnenauf- und Sonnenuntergänge; für die Legenden und das Altertum des Nordens. 

Und all das bestimmt schon bald auch Friedrichs Weltbild.

Friedrich sucht die Nähe zur Natur, nicht die zu den Menschen

Caspar David Friedrich ist 20 Jahre alt, als er ein Kunststudium in Kopenhagen beginnt. Die Akademie ist renommiert, liberal – und kostet keine Studiengebühren. 

Dänemarks bedeutendste Maler unterrichten hier, so der Landschafts- und Por­trätmaler Jens Juel, ein Meister für Beleuchtungseffekte. Oder Nicolai Abild­gaard, ein Historienmaler und ausgewiesener Perspektivtheoretiker, durch dessen Anregungen Friedrich vermutlich das später so exzellente Gespür für Propor­tionen und Blickwinkel entwickelt. 

Vier Jahre verbringt der Deutsche an der Akademie, er lernt Strichführung, Licht- und Schat­ten­setzung, zeichnet Gipsabdrücke an­tiker Plastiken und studiert die Landschaftsbilder, die in den Sammlungen der Stadt zu sehen sind.

1798 verlässt Friedrich Kopenhagen und zieht nach Dresden. An der dortigen Akademie, die als Deutschlands beste gilt, setzt er seine Ausbildung fort. Kurse besucht er jedoch nur wenige, er schult sich weitgehend selbst.

Er arbeitet viel an seiner Technik und Bildsprache, erschließt sich die Umgebung Dresdens durch Zeichnungen. Bäume, Felsen, Pflanzen. Nur Figuren wird er zeitlebens nicht beherrschen. Mitunter malt sie später ein befreundeter Kollege in seine Bilder, oder Friedrich kopiert sie immer wieder aus dem eigenen, im Laufe der Zeit entstandenen Figurenfundus.

Caspar David ist Mitte 20, als er unter der Schwermut, die ihn vermutlich seit seiner Kindheit begleitet, mehr zu leiden scheint als je zuvor. Verstärkt wird diese Melancholie vielleicht durch ein Gefühl der Erfolglosigkeit: Weder hat er eine Familie noch berufliches Renommee. Nach wie vor sieht er sich eher als Schüler, denn als gestandener Künstler. Aber wovon soll er leben?

Noch wenige Jahre zuvor haben Maler ihr Honorar vorwiegend mit Auftragsarbeiten verdient: mit Gemälden für den Klerus, den Adel. Wer das Geld gab, der bestimmte den Inhalt des Bildes – und nicht selten auch das Format, die Größe, das Material.

Doch mit dem Aufstieg des Bürgertums ist der Einfluss von Kirche und Adel geschwunden, und Männer wie Friedrich sehen sich nicht mehr als abhängige Handwerker, sondern als autonom Schaffende, die sich Motive und Themen selbst suchen – und erst dann den Käufer. Ein neuer Beruf ist entstanden, der des freien Künstlers.

Aber so unerträglich erscheint Caspar David Friedrich sein Leben, dass er ihm in seinen ersten Dresdner Jahren vermutlich ein Ende setzen will. Ein wuchtiger Bart verdeckt angeblich die Wunde, die ein missglückter Messerstich am Hals hinterlässt. 

Einen weiteren Selbstmordversuch unternimmt er offenbar nicht: Freunden, die ihn beim ersten Mal gerettet haben, hat er darauf sein Wort gegeben, berichtet ein ­anonymer Zeitgenosse. 

Bis heute stellt sich die Frage, ob Schwermut der Grund für Friedrichs oft düster ­erscheinende Motive ist. Aber könnte die melancholisch wirkende Ernsthaftigkeit des Künstlers nicht auch Ausdruck eines konsequent gelebten Protestantismus sein, der das Leben als Bürde betrachtet, wie später ein Biograf meint? Eine eindeutige Antwort findet niemand.

Seinen Lebensunterhalt bestreitet Friedrich zunächst mit Zeichenunterricht und dem Kolorieren von Stichen. Ab 1800 beginnt er, Landschaften in Sepia-Tusche zu entwerfen. Einfarbig braune Bilder sind es, deren Motive fast nur durch die Abstufung verschiedener Helligkeitsgrade entstehen. 

Über Jahre hinweg verfeinert Caspar David diese Technik, die er schließlich meisterhaft beherrscht. Mehrmals reist er in diesen Jahren zurück in die Heimat und nach ­Rügen. Seine Sepia-Bilder etwa von der dortigen Steilküste werden auf Dresdner Kunstausstellungen gezeigt und in den Journalen und Zeitungen freundlich besprochen; sie verkaufen sich gut.

Friedrichs Bekanntenkreis in Dresden wächst. Er lernt den Autor Ludwig Tieck kennen, der in seinen Büchern die Natur so roman­tisiert wie Friedrich in seinen Bildern. Er trifft den Maler Philipp Otto Runge. Beide haben das gleiche Ziel: Ihre Bilder sollen Ausdruck eines religiösen Gefühls sein – ohne Bindung an die von den Kirchen vorgegebenen Bildinhalte. Doch während sich Friedrich von realen Landschaften inspirieren lässt, konstruiert Runge mitunter eine kosmische Natur, eher von Engeln bewohnt als von Menschen. 

Zu einer tieferen Freundschaft reicht es zwischen den beiden Männern aber nicht, denn Friedrich sucht die Nähe zur Natur, nicht die zu den Menschen. Er wandert ­allein für sich durch den Harz und die kaum erschlossenen Gebiete des Riesengebirges. Allein mit Gott wird jeder Gang in die Natur für den gläubigen Protestanten zu einem reli­giösen Erlebnis. 

„Einmal wohnte ich eine ganze Woche im Uttewalder Grund zwischen Felsen und Tannen“, schreibt er einem russischen Dichter in einem Brief, „und in dieser Zeit begegnete ich keinem einzigen lebenden Menschen; es ist wahr, die Methode rate ich niemandem, auch für mich war es schon zu viel.“

Malen als ein meditativer Akt

Diese Versenkung sucht er auch bei der Arbeit im Atelier: einem fast kahlen Raum, in dem nur Staffelei, Tisch und Stuhl stehen, an der Wand zwei Paletten, Reißschiene, Lineal und Dreieck, eines der zwei Fenster mit Brettern verschlossen. 

Selbst Ölflaschen und Farblappen verbannt er gelegentlich in eine Kammer nebenan. Nichts soll die innere Bildwelt stören. 

Bei der Arbeit trägt der Maler meist einen langen Reisemantel, „der es zweifelhaft ließ, ob er sonst noch etwas darunter habe“, wie sich ein Besucher erinnert. „Und wer ihn kannte, wusste, dass dies nicht der Fall war.“

Malen ist für Friedrich ein meditativer Akt: „Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“ 

So geht er sein gesamtes künstlerisches Leben lang vor: Stets sind seine Motive zwar realistisch – geben aber zumeist keine Realität wieder. Es sind Kunstlandschaften, aus Skizzen, aus Einzelteilen zusammengesetzt. Orte, die er selbst nie gesehen hat, malt er nach Vorlagen anderer Künstler. 

1807 vollendet Caspar David sein erstes Ölbild. Noch im gleichen Jahr erhält er den Auftrag für das „Kreuz im Gebirge“.

Der Durchbruch gelingt Friedrich 1810 mit der Ausstellung eines großformatigen Gemäldes, auf dem ein Mönch zu sehen ist, der einsam am Ufer steht und über einen schmalen Streifen schäumenden, leeren Meeres auf einen tief angelegten Horizont blickt. Düster, beklemmend, einschüchternd spannt sich darüber der Himmel. 

Den unbedeutenden Menschen im Kon­trast zu den Urgewalten, sein Zwiegespräch mit der übermächtigen Natur: Das will Caspar David Friedrich mit dem „Mönch am Meer“ ausdrücken. Dafür missachtet er radikaler als je zuvor die Regeln der bisherigen Landschaftsmalerei. Hier wird keine Geschichte erzählt, und auch der Bildaufbau aus hellem Vorder- und dunklem Hintergrund ist nach herrschendem Kunstverständnis un­gewöhnlich. Überhaupt lässt sich die Tiefe des Raums nicht erschließen; erzeugt durch vielfache Lasuren, entsteht ein bisher unbekanntes Raumgefühl: das Erlebnis der Unendlichkeit.

Seinem Wunsch nach Freiheit bleibt Friedrich treu

Eine Stimmungslandschaft ist der „Mönch am Meer“, von Friedrich in einem etwa zwei Jahre währenden Prozess geschaffen. 

Schnelles Malen verachtet er, „mit dem Pinsel wackeln“ nennt er das. Er braucht allein für die Wiedergabe einer einzelnen Tanne oft mehr als drei Stunden. 

Ruinen, Mondscheinstimmung, Hünengräber: Auf Landschaften übertragene Todesgewissheit sowie die Hoffnung auf Erlösung bleiben sein Thema. Eine melancholische Stimmung zieht sich durch fast alle Bilder: eine Stimmung, die sich nicht an den Kopf des Betrachters richtet, sondern an dessen Gefühl. 

Der „Mönch am Meer“ ist eines der Bilder, die der preußi­sche König Friedrich Wilhelm III. 1810 von Friedrich erwirbt. Nun gehört der Künstler zu den großen deutschen Malern seiner Zeit. 

Und mag es ihn auch immer wieder in die Natur ziehen – weltfremd ist er nicht. Vielmehr ein politischer Mensch, der auf die Besetzung seiner Heimat 1806 durch Napoleons Truppen mit ausgeprägtem Franzosenhass reagiert. In den Befreiungskriegen ab 1813 unterstützt er mit Geld jüngere Freunde, die in den neuen Freiwilligenkorps dienen. 

 

Es entstehen freundliche Arbeiten wie die „Kreidefelsen auf Rügen“

Auch an der Staffelei leistet er seinen Beitrag für das Vaterland, etwa mit dem „Chasseur im Walde“. 

Das Bild zeigt einen einsamen französischen Soldaten, der in einer Winterlandschaft seinem wohl tödlichen Schicksal entgegengeht – einem deutschen Tannenwald, der ihn zu schlucken droht. 

Die politische Lage wird zum Thema vieler der Werke Friedrichs, er malt Gedenkbilder wie „Das Grab des Arminius“, das an den germanischen Fürsten erinnert, der einst die römischen Besatzer geschlagen hat. 

Seinem Wunsch nach Freiheit bleibt Caspar David Friedrich auch dann noch treu, als sich die deutschen Herrscher sich im Jahr 1819 anschicken, mit den Karlsbader Beschlüssen Zensur, Spitzeltum und Repressalien zu verbreiten. 

So tragen die „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ eine schwarze, altdeutsche Tracht. Die aber ist die Kleidung von Patrioten und Demokraten und ab Ende 1819 als Symbol der „Demagogen“ verboten. 

Solche Bekenntnisse haben finanzielle Folgen: Friedrich verliert den preußischen Hof als Kunden. 

Seine Äußerungen sind auch der Grund dafür, dass seine Bewerbung auf eine ordentliche Professur an der Dresdner Akademie scheitert. Der sächsische König gewährt ihm nur ­eine außerordentliche Professur, unterrichten darf er nicht.

Im Jahr 1818 heiratet der 43-Jährige die fast 20 Jahre jüngere Caroline Bommer. Und seine düstere Stimmung hellt sich auf. „Es ist doch ein schnurrig Ding, wenn man eine Frau hat“, schreibt er Verwandten in Vorpommern. Die Hochzeitsreise führt unter anderem nach Rügen. 

Danach entstehen auch freundliche, ­lichte Arbeiten wie die „Kreidefelsen auf Rügen“ oder „Auf dem Segler“ – eine Alle­gorie auf die Ehe; es zeigt ein sich an den Händen fassendes Paar auf dem Weg zu neuen Ufern. Schon zeichnet sich im Hintergrund zart ein Ziel ab, eine Stadt.

Der „Mystiker mit dem Pinsel“, so der schwedische Dichter Per Daniel Amadeus Atterbom nach einem Atelierbesuch, hat jetzt ein gutes Auskommen. 

Seine Bilder – insgesamt sind mehr als 150 Gemälde und etwa 1000 Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen bekannt; 500 Werke gelten als verschollen – schickt er zu Ausstellungen nach Hamburg, Königsberg und Prag; vor allem im gebildeten Bürgertum findet er ausreichend Kundschaft. Selbst der Großfürst Nikolaus von Russland, der spätere Zar Nikolaus I., besucht Friedrichs Atelier und lässt noch Jahre später zahlreiche Werke kaufen. 

Doch nach 1820 wendet sich das Publikum von ihm ab; Friedrichs Arbeiten werden zunehmend düster und kryptisch – vermutlich auch eine Reaktion auf den Tod seines Freundes Gerhard von Kügelgen, der Opfer eines Raubmordes geworden ist. 

Es entstehen Werke wie das „Eismeer“, auf dem ein Schiff, Symbol der Hoffnung, eingeklemmt zwischen Eisbergen liegt. Ein Sinnbild für die allgemeine Erstarrung in Deutschland? Oder ist es die Erinnerung an den Bruder, der bei dem Versuch, ihn zu retten, einst im eisigen Wasser ertrank? Der Versuch, ein Trauma zu bewäl­tigen, Malen als Therapie? 

Die Kritik an seinen Arbeiten nimmt zu. Der Zeitgeist hat sich gewandelt, eine neue Kunstsprache ist gefragt.

 

Schon bald nach seinem Tod gerät der Maler in Ver­gessenheit

Aber die Landschaft als Idylle zu inszenieren wie die meist jungen Künstler des neuen Biedermeier-Stils oder sachlich wie im bald aufkommenden Realismus – das ist nicht Friedrichs Sache. Verbittert zieht er sich zurück, arbeitet aber beharrlich weiter, auch wenn er weniger Werke verkauft. 

Dennoch experimentiert er mit neuen Techniken. Er verwendet dafür lichtdurchlässige Farben, die er beidseitig auf das ­Papier aufträgt. Stellt er anschließend eine Lampe auf die eine Seite, zeigt sich beispiels­weise eine sonnige Landschaft; kommt das Licht von der anderen Seite, erscheint die gleiche Landschaft bei Nacht. 

1835 erleidet er einen Schlaganfall und ist fortan an Beinen und Armen gelähmt. Er wird nun von Freunden finanziell unterstützt. Schon zuvor hat sich sein Wesen verändert, fast despotische Züge angenom- men. Friedrich verdächtigt seine Frau der Untreue, und auch „Anfälle von roher Härte gegen die ­Seinen blieben nicht aus“, wie ein Freund später schreibt.

Fünf Jahre darauf, am 7. Mai 1840, stirbt Caspar David Friedrich. Und schon bald nach seinem Tod gerät der Maler in Ver­gessenheit. Das aber wird sich gut 65 Jahre später ändern – für immer.

BERLIN, 1906. In der Nationalgalerie wird eine „Jahrhun­dertausstellung deutscher Kunst“ eröffnet. Zahllose zwischen 1775 und 1875 entstandene Arbeiten sind zu sehen, darunter auch mehr als 50 Werke eines gewissen Caspar David Friedrich, die dem neuen Lebensgefühl vor allem junger Menschen entsprechen, die sich in der durch ­Industrie und Gewinnstreben geprägten Zeit wieder der Natur zuwenden und das ein­fache Leben romantisierend verklären. 

Caspar David Friedrich: ein romantischer Patriot. So be­ginnt die Wiederentdeckung eines der bedeutendsten deutschen Maler, und noch heute, mehr als 150 Jahre nach seinem Tod, begeistern sich Betrachter für seine Gemälde. 

Vielleicht ist es die von ihnen ausgehende Ruhe in einer zunehmend hektischeren, vielleicht die Erhabenheit der ikonenhaften Landschaft in einer zunehmend technisierten Welt. 

In einem Manuskript hatte der Maler einst notiert: „Ich spinne mich in meine Puppe und überlasse es der Zeit, was aus dem Gespinst herauskommen wird, ob ein bunter Schmetterling oder eine Made.“

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