Hustend ins Büro oder mit Gliederschmerzen ins Kino – das wird spätestens mit Corona vorbei sein, dachte (und hoffte) unsere Autorin. Nun muss sie feststellen, wie sehr sie sich getäuscht hat.
Es ist ziemlich genau drei Wochen her, da fühlte ich mich in die Zeit vor der Pandemie zurückversetzt. Es war nicht die übliche Form von "Post-Corona-Déjà-vu" – dieses schöne Gefühl, das sich breitmacht, wenn man feststellt, dass der gewohnte und lieb gewonnene Alltag von "Vor-Corona" wieder einkehrt. Nein, dieses Déjà-vu war anders. Kein Hauch von Wohlgefühl. Vielmehr ein böses Erwachen.
Es war ein Mittwochabend, ich ging zum Spinning – einem Gruppentraining, bei dem auf stationären Spinning Bikes trainiert wird, die an Fahrräder erinnern. Kaum war ich auf das Rad gestiegen und hatte meine Schuhe in die Pedale geklickt, hörte ich es: ein tiefes, bronchiales Husten. Gefolgt von einem langgezogenen Schnäuzen. Zu meiner Linken saß eine Sportlerin, die eilig versuchte, ein benutztes Taschentuch in die Flaschen-Halterung ihres Spinning-Bikes zu stopfen. Sie war erkältet – so sehr, dass es sie bereits beim Aufwärmen vor dem Training schüttelte. Auf Hustenanfall folgte Hustenanfall.
Ich wollte absteigen, ein anderes Bike suchen, auf Abstand gehen. Hauptsache: weg. Doch dazu war keine Zeit mehr. Meine Spinning-Schuhe waren mit den Pedalen bereits verhängnisvoll verbunden, das Licht ging aus und der Kurs startete. Verdammtes Klicksystem. Ich fluchte innerlich und trainierte – geschlagene 45 Minuten unter dem steten Beschuss von virenhaltigen Tröpfchen.
Nach dem Training war meine Laune im Keller. Und gleichzeitig ärgerte ich mich, dass ich mich überhaupt ärgerte. Hatte ich im Februar nicht damit rechnen können, dass mindestens eine Person erkältet ist, wenn 50 Menschen gemeinsam in einem Raum trainieren und schwitzen? War ich das Risiko beim Buchen des Kurses nicht wissentlich eingegangen?
Das Comeback der Hustenden und Schniefenden
Aber vor allem wunderte ich mich – darüber, wie schnell mich die Realität aus Vor-Pandemie-Zeiten eingeholt hatte. Eine Zeit, in der es normal war, mit Halsschmerzen ins Großraumbüro zu gehen, sich hustend an den Mittagstisch mit Kolleginnen und Kollegen zu setzen und abends womöglich noch ins Kino. Auch ich war lange Zeit Teil dieses Kreislaufes aus "Infizieren" und "Infiziert-Werden". Ich hinterfragte es nicht und bunkerte stattdessen Salbeibonbons, Erkältungstee und Schmerztabletten im Büro.
Doch dann kam Corona. Und mit dem Virus auch die Einsicht, dass Keime selbst in den Wintermonaten kein unausweichliches Schicksal sind. Ihnen lässt sich gut aus dem Weg gehen – vorausgesetzt, jeder nimmt ein bisschen Rücksicht auf den jeweils anderen. Und bleibt, wenn der Hals schmerzt und das Fieber steigt, dort, wo jeder erkrankte und infektiöse Mensch ohnehin am besten aufgehoben ist, um sich auszukurieren: Zuhause.
"Krank ins Büro, das wird es künftig nicht mehr geben", sagte ein Kollege zu mir, als wir uns irgendwann zwischen erstem und zweitem Lockdown auf dem Flur trafen. Ich stimmte ihm zu. Wir irrten uns beide.
Ob im Spinning-Studio, im Restaurant oder auf der Arbeitsstelle: Die Hustenden und Schniefenden erleben derzeit ein erstaunliches Comeback. Für mich ein Beleg, dass der Mensch im Grunde doch ein Gewohnheitstier ist – und es leichter ist, zurück in den alten Trott zu verfallen als neue Gewohnheiten aufrechtzuerhalten.
Ich habe die Hustenden und Schniefenden jedenfalls nicht vermisst – und werde versuchen, mich dem Trend zu widersetzen. Erste Sicherheitsmaßnahmen gegen einen Rückfall sind bereits getroffen: Als mir neulich beim Büro-Aufräumen meine kleine Notfall-Apotheke in die Hände fiel, habe ich sie ihrer sachgemäßen Bestimmung zugeführt – und im Müll entsorgt. Neukauf? Nicht vorgesehen.