Die Pille ist eins der beliebtesten und sichersten Verhütungsmittel. Sie beeinflusst den Hormonspiegel so, dass kein Eisprung stattfindet und somit eine Empfängnis verhindert wird. Vor einigen Jahren entdeckten Wissenschaftler sogar, dass die Pille den Geruchssinn von Frauen verändert und dadurch zu einer falschen Partnerwahl führen kann. Ein Absetzen der Pille sollte selbst das Aus für eine Beziehung bedeuten können. Doch laut neuen Untersuchungen der Reichsuniversität Groningen manipuliert die Pille nicht nur den Hormonspiegel und den Geruchssinn der Frau, sondern auch die Gefühlslage. Die Wissenschaftler fanden nämlich heraus, dass Frauen in festen Beziehungen, die mit der Pille verhüten, eifersüchtiger sind. Die Pille kann die Eifersucht deutlich beeinflussen und verstärken. Auch ist die Stärke der Eifersucht variabel je nach Zusammensetzung der Pille.
Natürlicher Zyklus macht Frauen anziehender
Entwicklungspsychologin Kelly Cobey studierte die Wirkungen der Pille auf Eifersuchtsgefühle und auf die gegenseitige Konkurrenz zwischen Frauen. Die negativen Effekte bleiben nicht auf die Pillenbenutzerinnen beschränkt: Männliche Partner finden Frauen mit einem natürlichen Zyklus anziehender und relativ gesehen weniger anziehend, wenn sie die Pille benutzen.
Die Pille reguliert den Hormonspiegel von Östrogen, Progesteron und anderen Hormonen, die eine Rolle im weiblichen Menstruationszyklus spielen. Und obwohl umfangreiche Forschungen für die sozialen Effekte und die physischen Nebenwirkungen der Pille durchgeführt worden sind, besteht viel Unsicherheit hinsichtlich der psychologischen Nebenwirkungen.
Fruchtbarkeit führt zu Verhaltensänderungen
Während eines natürlichen Zyklus sind Frauen größtenteils nicht fruchtbar: Nur in der Mitte des Zyklus ist für kurze Zeit eine Empfängnis möglich. Bekannt ist, dass Frauen während dieser Zeit andere Partner bevorzugen oder anderes Verhalten zeigen. Wahrscheinlich ist das die Folge von Hormonschwankungen. Hormonale Antikonzeptiva wie die Pille unterdrücken diesen Mechanismus. Die Studie von Kelly Cobey ist die erste aus einer Reihe von Untersuchungen, die speziell die Wechselbeziehung zwischen Pillenanwendung und einer möglichen Nebenwirkung untersucht: der Eifersucht.
Cobey benutzte transvaginale Ultraschall-Aufnahmen, um die genaue Veränderung von nicht-fruchtbar zu fruchtbar festzustellen. Die Teilnehmerinnen beantworteten darüber hinaus zu verschiedenen genau festgelegten Zeitpunkten im Zyklus eine Reihe von Fragen über ihr Verhalten und ihre Eifersucht. Darüber hinaus untersuchten die Forscher die Frauen sowohl für die Zeit der Pilleneinnahme als auch nach Absetzen der Pille während der fruchtbaren und nicht-fruchtbaren Periode. Auch die männlichen Partner wurden gebeten, Verhalten und Verlauf der Beziehung zu überwachen, um die Wirkung von Menstruationszyklus und Pillenbenutzung auf die Wahrnehmung ihrer Beziehung zu testen.
Fruchtbare Periode führt zu mehr Eifersucht
Die Ergebnisse beweisen, dass Frauen mehr Eifersucht erfahren während der fruchtbaren Periode in der Zyklusmitte, wenn sie keine Pille benutzen. Cobey schließt daraus, dass diese Wechselbeziehung stabil ist, denn sie zeigte sich auch in unterschiedlichen Kulturen und unabhängig von Alter oder Beziehungsstatus. Frauen, die die Pille nehmen erfahren Eifersucht im gleichen Maße während der fruchtbaren und unfruchtbaren Zeit im natürlichen Zyklus. Für die verschiedenen Arten von Pillen wurde eine Wechselbeziehung gefunden zwischen Zunahme der Eifersucht und der Anwendung von Pillen mit einem höheren Gehalt an synthetischem Östrogen. Vor allem diese Pillen scheinen also durch Verhaltensänderungen als Folge von Eifersucht einen Einfluss auf die Beziehung zu haben. Die allgemeine Schlussfolgerung von Cobey ist, dass jede Veränderung in der Pillenanwendung seit dem Beginn der Beziehung wahrscheinlich zu mehr Eifersucht führt.
Geringere gegenseitige Anziehung
Ein spezieller Teil der Studie richtete sich auf die Wirkung der Pille auf die Wahrnehmung der gegenseitigen Anziehung innerhalb von Partnerschaften. Verschiedene psychologische Tests haben gezeigt, dass Männer Frauen anziehender finden, wenn sie fruchtbar sind. Cobey schließt daraus auch, dass männliche Partner ihre weiblichen Partner anziehender finden während der fruchtbaren Periode, aber auch dass Männer Frauen weniger anziehend finden, wenn sie die Pille nehmen. Weibliche Partner berichteten über keinerlei Veränderungen in der Wahrnehmung der Attraktivität ihres Partners während ihres Zyklus oder als Folge von Pilleneinnahme.
Evolutionäre Nebenwirkung
Die Entwicklungspsychologie geht davon aus, dass physiologische Eigenschaften wie der natürliche Hormonhaushalt der Frau, das Ergebnis natürlicher Selektion sind und dem Individuum helfen zu überleben und sich fortzupflanzen. Cobey untersuchte die Verbindung zwischen Eifersucht und gegenseitiger Konkurrenz zwischen Frauen, weil sie vermutete, dass mehr Konkurrenzverhalten während der fruchtbaren Periode Frauen zu besseren Sexualpartner für die Fortpflanzung verhilft. Doch die Ergebnisse bestätigen dies nicht. Die Studienteilnehmer berichteten zwar über eine Zunahme der Eifersucht während der fruchtbaren Periode, aber es gab keine vergleichbare Zunahme des Konkurrenzverhaltens während dieser Zeit. Die Ergebnisse deuten sogar auf weniger Konkurrenzverhalten während der Pilleneinnahme hin, was durch einen niedrigeren Testosterongehalt erklärt werden kann. Die Pille senkt den Testosteronspiegel, wohingegen während eines natürlichen Zyklus keine Änderungen im Testosteronspiegel auftreten. Cobey schließt daraus, dass es wahrscheinlicher ist, dass die Schwankungen der Eifersucht eine evolutionäre Nebenwirkung von zyklischen Veränderungen im sexuellen Begehren anstelle von Konkurrenzverhalten zwischen Frauen sind.
Soziale Botschaft
Cobey denkt, dass ihre Studie relevant ist für Ärzte und medizinisches Personal, die die Pille verschreiben oder Frauen und Paare über Verhütung beraten. »Die Pille hat sich als wunderbares soziales Werkzeug erwiesen. Weil die Pille so viele Vorteile hat, sind Frauen dazu bereit, um weniger wichtige negative Wirkungen zu akzeptieren. Aber es scheint subtile Nebenwirkungen zu geben, die die Beziehung und das Verhalten von Frauen beeinflussen und Frauen werden selten über diese Nebenwirkungen informiert, wenn sie zu einem Arzt gehen. Ich präsentiere nun Beweise, dass es gute Gründe gibt, diesen Nebenwirkungen mehr Beachtung zu schenken und mögliche Auswirkungen näher zu untersuchen.«