Mehrfach wurde sie totgesagt. Heute feiert die FDP ihren 75. Geburtstag. Ein Blick zurück auf turbulente Jahrzehnte.
Leidensfähigkeit und starke Nerven gehörten immer schon dazu bei dieser Partei. Die ständige Sorge vor der Fünf-Prozent-Hürde, die Angst ums politische Überleben prägen die Geschichte der FDP, die am Montag vor genau 75 Jahren gegründet wurde. Als Expertin im Meistern von politischen Nahtod-Erfahrungen macht der FDP so schnell keiner etwas vor. Immerhin: Die Jubilarin lebt noch – und schon aus diesem Umstand dürften auch die gebeutelten Spitzenliberalen von heute Hoffnung für die Zukunft schöpfen.
Am 11. Dezember 1948 schlossen sich die liberalen Parteien der westlichen Besatzungszone im hessischen Heppenheim zur FDP zusammen. Die FDP war immer schon eine kleine Partei – aber auch eine, deren Einfluss auf die Geschicke der Bundesrepublik oftmals weit größer war, als ihre Wahlergebnisse vermuten ließen.
"Die FDP ist in den 75 Jahren eine sehr prägende, einflussreiche Partei gewesen, innen- wie außenpolitisch", sagt Politikprofessor Thorsten Faas von der Freien Universität Berlin zu AFP. "Man muss sich alleine mal anschauen, wie viele Regierungsjahre die FDP auf Bundesebene, aber auch in vielen Ländern aufzuweisen hat."
Geschickt hatte sich die FDP seit den frühen Fünfzigern im Bund und in den Ländern als Königsmacherin positioniert, die mal der Union, mal der SPD als kleine Koalitionspartnerin zur Regierungsmehrheit verhalf. Dafür wurde sie mit einflussreichen Ämtern und politischer Macht belohnt.
Linke entsenden kritischen Glückwunsch an die FDP
Ihren ideologischen Kernbestand hat sich die FDP über die 75 Jahre bewahrt: das Eintreten für die Marktwirtschaft, kombiniert mit einer fortschrittlichen Haltung in gesellschaftlichen Fragen – damit unterscheidet sich die Partei von den Mitbewerbern. "Das klassische Paket der FDP war und ist, rund um den Begriff der Freiheit eine ökonomisch eher rechte Position mit progressiver Gesellschaftspolitik zu verbinden", sagt Wahlforscher Faas.
In der Wählerschaft fand das Angebot der FDP nicht immer Anklang. Immer wieder wurde sie totgesagt, doch sie überlebte – sehr zum Leidwesen ihrer Kritiker, für die die FDP der Inbegriff von herzlosem Neoliberalismus ist. Martin Schirdewan etwa, Chef der Partei Die Linke, hält die FDP für überkommen. "Für die Linke, die eine Wiedereinführung der Rente mit 65 Rente fordert, wäre die FDP bereits jetzt schon im Ruhestand", sagt Schirdewan zu AFP.
Bei aller Distanz richtet Schirdewan einen kritischen "Glückwunsch" an die Jubilarin FDP aus: "Ihr liberaler Freiheitsbegriff sollte sich nicht an Wärmepumpen, Tempolimits, Schuldenbremse und dem Sozialstaat verengen. Die FDP wäre gut beraten, sich auf vergessene linksliberale Zeiten zu besinnen."
Schirdewan spielt damit auf die 1970-er Jahre an, als die FDP im Zenit ihres Ansehens stand – mit populären Vorsitzenden wie Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher und liberalen Vordenkern wie Ralf Dahrendorf. Weit hatte sie sich damals von ihrem Gründungsjahr 1948 entfernt, als die FDP ein Sammelbecken für nationalliberale Kräfte – und auch so manchen Ex-Nazi – war.
Von der Opposition zurück an die Regierung
In den 1980-er Jahren rückte die FDP dann als Regierungspartnerin von Bundeskanzler Helmut Kohl wieder näher an die Union heran. Ihr Profil verengte sich auf wirtschaftsliberale Positionen.
Nach dem Ende der Regierung Kohl 1998 folgten für die FDP lange Jahre der Opposition im Bund. Reihenweise gingen Wahlen verloren, 2013 flog sie gar aus dem Bundestag – für die FDP ein "tiefer, traumatischer Einschnitt", wie Politikprofessor Faas sagt.
Vor zwei Jahren dann ging die FDP das Wagnis "Ampel" ein. Sie kehrte in die Bundesregierung zurück, wo sie sich als marktwirtschaftliches Korrektiv an der Seite der beiden eher linken Koalitionspartner versteht.
Die "Ampel" ist ein Experiment, dessen Ausgang offen ist. "Erfolg ist keine Selbstverständlichkeit für die FDP, und gerade das Mit-Regieren in der Ampel ist für die Partei nicht einfach", urteilt Wahlforscher Faas. "Entsprechend nervös ist die Partei."