48 Jahre, einen Monat und 18 Tage lang wurde Glynn Simmons für einen Mord weggesperrt, den er nicht begangen hat. Nun wurde er freigesprochen – und steht mittellos in einer Welt, die er kaum wiedererkennt.
Krasser Justizirrtum in den USA: Nach 48 Jahren Gefängnis ist ein Mann im Bundesstaat Oklahoma für unschuldig erklärt worden. Glynn Simmons sei seinerzeit zu Unrecht wegen Mordes verurteilt worden, befand eine Richterin Medienberichten zufolge. Sie hob die Strafe des heute 71-jährigen Afroamerikaners deshalb nun auf. Laut dem National Registry of Exonerations, das diese Fälle in den USA dokumentiert, ist er der Häftling, der in der US-Geschichte am längsten unschuldig hinter Gittern saß, bevor er freigesprochen wurde.
Simmons und ein Mitangeklagter waren 1975 im Zusammenhang mit einem bewaffneten Raubüberfall auf ein Spirituosengeschäft im Dezember 1974 in Edmond im Bundesstaat Oklahoma zum Tode verurteilt worden. Später wurde die Strafe in lebenslang umgewandelt. Eine Angestellte war bei dem Überfall durch einen Kopfschuss getötet worden. Der Schuldspruch fußte vor allem auf der Aussage einer 18 Jahre alten Kundin, die auch einen Kopfschuss erlitt, jedoch überlebte. Sie hatte die beiden Angeklagten bei einer polizeilichen Gegenüberstellung identifiziert.
Damalige Verurteilung trotz Zweifel
Es gab zwar Zweifel an ihrer widersprüchlichen Aussage, doch diese wurden von der Polizei nie kommuniziert, wie es hieß. "Dieses Gericht stellt anhand eindeutiger und überzeugender Beweise fest, dass die Straftat, für die Herr Simmons verurteilt und ins Gefängnis gesteckt wurde, nicht von Herrn Simmons begangen wurde", sagte Richterin Amy Palumbo nun.
Auf diese Worte musste der Mann, der bereits im Juli auf Kaution freigelassen worden war, lange warten: Genau 48 Jahre, einen Monat und 18 Tage verbrachte er im Gefängnis. Seine Unschuld hat er in der Zeit stets verteidigt. Er sei zur Tatzeit – er war seinerzeit 22 – im US-Staat Louisiana gewesen, nicht in Edmond in Oklahoma. Sein damals Mitangeklagter kam bereits 2008 auf Bewährung frei.
Freigesprochener: Hautfarbe spielt in US-Justiz eine Rolle
Es sei endlich Gerechtigkeit geschehen, erklärte Simmons vor Reportern. "Es ist eine Lektion in Sachen Widerstandsfähigkeit und Hartnäckigkeit. Wenn man weiß, dass man unschuldig ist, muss man dranbleiben und darf nie aufgeben. Lass dir von niemandem sagen, dass es nicht möglich ist, denn es ist wirklich möglich." Es fühle sich "aufregend" und "schön" an, frei zu sein, ergänzte er. Die Rückkehr in die Gesellschaft nach so langer Zeit sei aber nicht einfach. Er wolle dennoch jeden Moment seines verbleibenden Lebens auskosten. "Ich genieße jede Minute." Nach seiner Entlassung sei bei Simmons eine Krebserkrankung festgestellt worden, sagte Joseph Norwood, einer seiner Anwälte, den Berichten zufolge.
Simmons äußerte auch Kritik am Justizsystem: Statistisch gesehen würden Schwarze überproportional zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Hautfarbe spiele dabei eine große Rolle. "Die Hautfarbe war auch einer der Gründe, warum ich verurteilt wurde." Es habe nie echte Beweise gegen Simmons gegeben, sagte sein anderer Anwalt, John Coyle: "Er war einfach nur ein schwarzer Junge, der zur falschen Zeit am falschen Ort war", zitierte ihn das National Registry of Exonerations.
Leben von Spenden, aber Anspruch auf Entschädigung
Der Fall war dieses Jahr auf Antrag der Verteidigung neu aufgerollt worden, und die Staatsanwaltschaft selbst hatte nach einer Anhörung im April die Aufhebung von Simmons' Urteil beantragt. "Es gab einen wichtigen Polizeibericht, der nicht ausgehändigt wurde", sagte Staatsanwältin Vicki Behenna mit Blick auf die Zweifel an der damaligen Zeugenaussage.
Simmons habe jetzt Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von umgerechnet rund 160.000 Euro, hieß es. Dies könne aber noch Jahre dauern. Derzeit lebe er von Spenden. "Er wurde der Möglichkeit beraubt, zu arbeiten und eine Karriere zu machen, mit der man sich und seine Familie finanziell absichern kann", sagte Anwalt Norwood laut Medienberichten. "All das wurde ihm genommen."