Klein, bunt und rund – Faszienrollen sehen harmlos aus. Ein Training mit ihnen soll das Bindegewebe straffen und die Regeneration der Muskeln nach dem Sport fördern. Klingt gut, aber: Der Einsatz der harten Rollen ist nicht gerade schmerzfrei. Wir wollten wissen, warum sich Faszientraining trotzdem lohnt.
Faszientraining liegt im Trend. In Fitnessstudios rollen immer mehr Menschen auf einer kleinen Hartschaumrolle Arme und Beine vor und zurück. Sagenhafte Effekte sollen sich durch das Muskel-Rollen erzielen lassen: Mehr Beweglichkeit, bessere Regeneration nach dem Training, sogar gegen Cellulite soll das Faszientraining helfen. Robert Hofmann ist Personal Trainer in Nürnberg. Er trainiert unter anderem Profisportler und weiß, was Faszientraining wirklich bringt – und auch, dass es „kein Wundermittel“ ist.
Was sind eigentlich Faszien?
Faszien sind elastische Strukturen im Körper, die aus Bindegewebe bestehen. Das Besondere: Die Fasern sind flächig. Sie durchziehen den Körper wie ein Netz und verleihen ihm so Stabilität. „Das Fasziengewebe kann man sich vorstellen wie einen Ganzkörperanzug aus dünnem, elastischem Material“, erklärt Robert Hofmann. Beim Faszientraining stehen vor allem die Strukturen im Mittelpunkt, die vom Muskel ausgehen: „Der Muskel fungiert als Motor. Die Kraft, die von ihm ausgeht, wird über die Faszien auf den Bewegungsapparat übertragen“.
Warum sollte man Faszien trainieren?
Im Idealfall sind Faszien elastisch und ermöglichen uns dadurch ein Optimum an Beweglichkeit. Allerdings kann es vorkommen, dass die Fasern verklebt sind – zum Beispiel durch Bewegungsmangel. Dann hat das Fasziengewebe keine geradlinige, faserige Struktur mehr, sondern ähnelt einem Wollknäuel.
Zum einen können dadurch Schmerzen auftreten, zum anderen können Faszien, die nicht bewegt werden, ihre Elastizität verlieren und versteifen. Die Folge: Die Beweglichkeit ist eingeschränkt – und das macht sich nicht nur beim Sport, sondern auch im Alltag bemerkbar. Regelmäßiges Faszientraining kann das verhindern.
Was sind die Vorteile des Trainings?
Durch das Training mit der Rolle werden die Faszien aktiviert und ihre Versorgung mit Nährstoffen gefördert. Langfristig hat das eine Reihe von positiven Effekten auf den Körper:
Steigerung der allgemeinen Beweglichkeit
Wer regelmäßig die Faszien trainiert, bleibt beweglicher und trainiert gleichzeitig seine Muskulatur.
Faszientraining hilft, Verletzungen vorzubeugen
Wissenschaftler haben bestätigt: Beweglichkeit beugt Verletzungen vor, vor allem beim Sport. „Verletzungen können durch Disbalancen entstehen, die unter anderem dann auftreten, wenn die Faszie nicht elastisch ist“, erklärt Robert Hofmann. „Ist man beweglich und die Faszie elastisch, ist man im Umkehrschluss nicht so verletzungsanfällig.“
Faszientraining beschleunigt die Regeneration
Weil Faszientrianing auch wie eine Lymphdrainage wirkt, hilft es dem Körper nach dem Sport dabei, sich zu regenerieren. Die in Flüssigkeit gelösten Endprodukte des Stoffwechsels werden durch das Rollen aus dem Gewebe gedrückt wie aus einem Schwamm. Neue Flüssigkeit läuft nach und das Gewebe wird frisch mit Nährstoffen versorgt.
Gute Beweglichkeit ist wichtig – Faszientraining fördert sie.
Hilft die Faszienrolle gegen Cellulite?
Beim Thema Bindegewebe denken vor allem Frauen an Cellulite: unschöne Dellen an Oberschenkeln, Bauch und Po. Sichtbare Effekte gegen die sogenannte Orangenhaut durch das Muskel-Rollen kann Hofmann aber nicht bestätigen. Dass das ab und an am Rande des allgemeinen Faszientrends behauptet wird, dürfte ausschließlich findigen Werbestrategen zu verdanken Übung sein.
Wie läuft das Training ab?
Das Faszientraining konzentriert sich auf die Muskeln zwischen zwei Gelenken, zum Beispiel zwischen Sprung- und Kniegelenk. Die Rolle wird so auf dem Boden platziert, dass man die jeweiligen Muskelpartien (zum Beispiel die Wade) darauf hin und her rollen kann. Also: Gelenke bitte aussparen!
Wichtig außerdem: Das Faszientraining ist keine Wellnessmassage, sondern tut weh. „Auf einer Skala von eins (= schmerzfrei) bis zehn (= unerträglich) sollte der Schmerz etwa dem Wert sechs zuzuordnen sein“, sagt Robert Hofmann. Dann ist das Training optimal. Sich noch mehr zu quälen, bringt nichts – „Wohlweh“ soll es sein, was man beim Faszientraining spürt. „Wenn die Schweißperlen auf der Stirn stehen und die Tränen aus den Augen schießen, ist es ein wenig zu fest.“
Der Grund für den Schmerz sind winzig kleine Rezeptoren, die überall im Körper sitzen. Sie senden Signale vom Muskel zum Gehirn und zurück. Ist das Fasziengewebe „verfilzt“, sind diese kleinen Rezeptoren schon in Habachtstellung. „Geht man dann mit dem Druck der Rolle drauf, dann melden diese Fühler erstmal ‚Achtung, hier geht etwas kaputt‘“, sagt Robert Hofmann. Übersetzt heißt das: Es tut weh. Nach dem Training verwandelt sich der unangenehme Druckschmerz jedoch in wohltuende Entspannung.
Wann trainiert man mit der Rolle?
Das Training mit der Faszienrolle sollte kein isoliertes Einzeltraining sein – das ist Robert Hofmann wichtig. Er sieht darin vielmehr eine sinnvolle Ergänzung zu einer Trainingseinheit wie zum Beispiel Yoga oder Laufen. Gerollt werden kann vor oder nach dem Sport – mit jeweils unterschiedlichem Effekt:
Rollen vor dem Training
Wer vor dem eigentlichen Sport „losrollt“, wärmt die Muskeln damit gezielt auf. Zum einen aktiviert er damit die Sinneszellen der Muskeln, die sogenannten Rezeptoren. Das sind winzige Nervenzellen, die Schädigungen oder Bewegungen im Körper registrieren. Zum anderen fördert das Rollen im Vorfeld die Durchblutung.
So geht’s: 10 bis 15 Wiederholungen – bei zügigem Tempo rollen
Rollen nach dem Training
Um die Regeneration der Muskeln nach dem Sport zu fördern, wird langsam gerollt und sich dabei auf Punkte konzentriert, die besonders beansprucht wurden oder schmerzen.
So geht’s: 20 bis 25 Wiederholungen oder 30 bis 60 Sekunden lang bei langsamem Tempo rollen
Kann jeder mit der Faszienrolle üben?
Jeder, der keine gesundheitlichen Probleme hat, kann mit der Faszienrolle trainieren. Menschen mit Erkrankungen des Lymph- oder Herz- und Kreislaufsystems sollten aber vorher Rücksprache mit ihrem Arzt halten.
Grundsätzlich kann man beim Faszientraining nicht viel falsch machen, sagt Robert Hofmann. Allerdings sollten die ersten Einheiten mit einem Spezialisten (zum Beispiel einem Fitness-Trainer oder Physiotherapeuten) durchgeführt werden, um die notwendige Körperwahrnehmung zu entwickeln. Er erklärt auch, worauf man beim Rollen besonders achten muss. Anschließend kann man aber gut auf eigene Faust damit trainieren.