Es sollte selbstverständlich sein, dass niemand sexuelle Handlungen an einem Menschen vornimmt, der sichtlich zu betrunken ist, um dem zuzustimmen, geschweige denn darauf einzugehen.
Die Realität sieht leider allzu oft anders aus und statt Mitgefühl schlägt den Leidtragenden solcher Übergriffe oft nur Verachtung und Victim-Blaming entgegen. Schließlich „müssen sie ja damit rechnen“, dass jemand sich an ihnen vergreift, sobald sie nicht mehr imstande sind, sich zu wehren. Selber schuld also, wenn sie zu viel getrunken haben?
Maura Quint, eine junge Frau aus New York, zeigte jetzt einmal mehr auf, welch grausamer Unsinn die Annahme ist, dass man mit sexuellen Übergriffen zu rechnen habe, wenn man jemandem in betrunkenem Zustand vertraut.
Sie schrieb jetzt auf ihrem Twitter-Account den Beginn einer Geschichte, deren furchtbarer Ausgang nur allzu vertraut ist – aber hier geht die Story gut aus.
„Ich will eine Geschichte erzählen: Eines Abends, während meiner Highschool-Zeit, fühlte ich mich unsicher. Ich zog ein zu tief ausgeschnittenes Shirt an und legte dunklen Lippenstift auf. Ich ging auf eine Party und trank zu viele furchtbare Drinks. Ein Mann fragte mich, ob ich mit ihm nach Hause gehen wolle. Ich lallte, sagte: ‘Vielleicht.’
Und dann sagte er, ‘vielleicht’ heiße nicht ‘ja’, und ich ging nach Hause, ohne dass mir jemand etwas angetan hatte. Weil ich nicht mit einem Vergewaltiger gesprochen hatte.“
Ihre Idee wurde sofort von vielen Frauen aufgegriffen, die ihre eigenen Geschichten erzählten.
„Erstes Date mit einem Mann: Wir trafen uns tagsüber, tranken Kaffee, dann lud ich ihn zu mir nach Hause ein, um Mario Kart zu spielen. Wir begannen, uns zu küssen. Ich zögerte, er fragte, wieso, ich sagte, das ginge mir zu schnell. Er sagte: ‘Dann lassen wir das.’ Und wir spielten weiter. Ich habe ihn geheiratet.“
Na sowas. Anscheinend ist es ganz einfach, sich jemandem nicht aufzudrängen. Man muss es einfach lassen. Wer hätte das gedacht?
„Ich bestand einmal darauf, dass ein Mann, den ich mochte, zu einer Party eingeladen wurde. Er kam. Ich war betrunken und sehr anhänglich. Mir wurde schlecht und ich musste mich übergeben. Er hielt meine Haare zurück und lehnte jeden Annäherungsversuch ab. Er sagte, ich sei zu betrunken, um zu wissen, was ich tue. Er hatte recht.“
Klingt vernünftig. Wer will schon Sex mit jemandem haben, der nicht mehr weiß, was er tut?
„Im College hatte ich noch sehr wenig sexuelle Erfahrung und mein bester männlicher Freund schon eine Menge. Er schlief oft mit mir in einem Bett, weil wir beide gern kuschelten. Das war schön. Weil er kein Vergewaltiger war.“
„Ging auf eine Party und betrank mich. Brauchte einen Ort, an dem ich meinen Rausch ausschlafen konnte, und ein Mann, den ich mochte, sagte, ich könne bei ihm übernachten. Ich wachte am nächsten Morgen vollständig angezogen in seinem Bett auf, er hatte auf dem Sofa geschlafen. Er brachte mich heim, damit ich sicher nach Hause gelangte, denn er war kein Vergewaltiger.“
Wie machen das all diese Männer nur? Ganz einfach: Sie sind normale, anständige Leute und keine Verbrecher. Gar nicht so schwer.
„Ich war in London und betrunken. Hatte die letzte Bahn verpasst und stolperte in ein Auto hinein, weil ich dachte, es sei ein Taxi. War es nicht. Der Typ fuhr mich trotzdem sicher nach Hause, denn er war kein Vergewaltiger.“
All diese Geschichten sollten uns nicht so angenehm überraschen, wie sie es tun. Was hier immer wieder passierte, sind keine selbstlosen Heldentaten, sondern schlicht und ergreifend Beispiele minimalen menschlichen Anstands, wie ihn jeder an den Tag legen sollte. Sich zu betrinken, ist kein Verbrechen. Leichtsinn ist kein Verbrechen. Vertrauen in das Gegenüber ist kein Verbrechen.
Sexuelle Übergriffe dagegen sind Verbrechen, die normale Menschen nicht begehen, sondern Verbrecher.
Schade, dass man das tatsächlich immer noch sagen muss.