Friedrich Merz hat der AfD ein besonderes Geschenk bereitet : So kommentiert die Presse die Causa Merz

26.07.2023 12:58

Abwegig nennt CDU-Chef Merz Vorwürfe, er würde die Abgrenzung zur AfD in Kommunen aufweichen wollen. Einige CDU-Spitzenpolitiker sprechen nun von einer festen Brandmauer. Doch nicht alle sind beruhigt. So kommentiert die Presse die Causa Merz.

Die Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz wegen Äußerungen zum Umgang seiner Partei mit der AfD auf kommunaler Ebene reißt nicht ab. Der CDU-Politiker Hans sagte dem stern auf die Frage, ob Merz noch der richtige Vorsitzende sei: "Mittlerweile muss man vor jedem Sommerinterview zittern, weil man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt. Ich möchte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein von der CDU gestellter Bundeskanzler solche Sorgen hervorruft." Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sieht Merz hingegen nicht als beschädigt an.

Äußerungen von Merz im ZDF-Sommerinterview zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene waren von vielen als Aufweichung der klaren Abgrenzung der CDU zu der rechtspopulistischen Partei interpretiert worden. Merz nannte am Montag solche Vorwürfe abwegig und machte deutlich, dass der Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei gelte und es auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD gebe. Für seine Äußerungen vom Sonntag hatte der Parteichef auch in den eigenen Reihen viel Kritik geerntet.

Deutsche Zeitungen kommentieren den Fall Merz so:

"Kölner Stadt-Anzeiger": "Merz hätte das Feuer austreten und betonen können, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD gibt, auch auf kommunaler Ebene nicht. Aber das fiel ihm erst ein, als in CDU-Landesverbänden schon die Hölle los war. Auch die Schwester CSU, in Bayern im Wahlkampf, ruft Alarm. Sie kennt sich aus mit Irritationen, wenn man rechts blinkt, ohne dahin abbiegen zu wollen. Man wird missverstanden."

"Reutlinger General-Anzeiger": "Der CDU-Vorsitzende hat ohne Not eine Debatte über den Umgang mit der AfD angestoßen. Damit zerstört er alle Bemühungen um eine klare Distanzierung nach rechts. Zurück bleibt Verunsicherung und die Einsicht, dass es Merz an politischem Instinkt fehlt."

"Frankfurter Neuen Presse": "Der rechtspopulistischen Partei aber nun auf kommunaler Ebene quasi die Hand zu reichen, ist so riskant, dass der CDU-Chef damit sich selbst, seiner Partei und seinem Land erheblich geschadet hat. Daran ändert auch sein Rückzieher nichts.

Merz hat mit dieser Äußerung die Büchse der Pandora geöffnet. Brandgefährlich wird es 2024, wenn die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen anstehen."

"Weser-Kurier":"Wenn es also daran einen positiven Aspekt gibt, dann allenfalls diesen: Am Montag nach dem Interview-Desaster ist jedes CDU-Mitglied in Deutschland unmissverständlich daran erinnert worden, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben kann, gleich auf welcher politischen Ebene, gleich in welchem Parlament. Merz hat für seine ursprüngliche Aussage Prügel bezogen. Offenbar war er ohne den empörten Aufschrei der Basis nicht in der Lage, den eigenen Fehltritt zu erkennen. Auch das wirft kein gutes Licht auf den CDU-Chef."

"Volksstimme": "Friedrich Merz hat der AfD vor deren Bundesparteitag am Wochenende in Magdeburg ein besonderes Geschenk bereitet. Die von ihm höchstpersönlich errichtete Brandmauer gegenüber den Ultrarechten wurde vom CDU-Chef im Fernseh-Plauderton eingerissen. Zwar zunächst nur für die kommunalen Ebene, aber dieser Tabubruch wird auf Landes- und Bundesebene durchschlagen.

Seit gut anderthalb Jahren steht Merz an der Spitze der CDU. Er wollte als Oppositionsführer die Union nach vorn bringen, der Ampelkoalition das Wasser abgraben und nebenbei die AfD halbieren. Nichts von dem ist unter seiner Führung eingetreten. Merz hat sich laufend mit unbedachten Vorstößen nasse Füße geholt und war mit Dementis ausgelastet. Friedrich Merz – der CDU-Kanzlerkandidat für 2025? Das können sich selbst viele Unions-Anhänger nicht mehr vorstellen. Wer von der CDU-Prominenz wagt sich nun aus der Deckung und sagt das klar und deutlich?"

"Leipziger Volkszeitung""Das politisch wirklich Gefährliche verliert Merz aus den Augen: die Normalisierung der AfD. Ihre Hetzer in Landtagen, im Bundestag, im Europaparlament profitieren nicht nur von der Schwäche der Ampelregierung, sondern auch von der schwächelnden Union. Ihr Landrat und ihr Bürgermeister sind für die AfD bundesweit ein Werbemittel. Und jetzt kann sie auch noch behaupten, die Brandmauer der Union bröckele."

"Der neue Tag": "CDU-Chef Friedrich Merz hat im Kern doch Recht: Was sollte ein ostdeutscher Gemeinderat oder Kreistag denn tun, wenn ihm vom Wähler ein AfD-Bürgermeister oder -Landrat vor die Nase gesetzt wird? Den kommunalpolitischen Betrieb für fünf Jahre blockieren? Auch kein gangbarer Weg.

Auf Landes- und Bundesebene jedoch wird der rechtsextremen Partei auf lange Sicht kein Koalitionspartner zur Verfügung stehen, auch wenn sie noch so weit über die 20-Prozent-Marke steigt. Es ist also auf absehbare Zeit auszuschließen, dass die AfD irgendwo mitregieren wird. Umso unverständlicher scheint, warum Union, SPD, FDP und Grüne im Umgang mit den Rechten immer wieder denselben Fehler machen.

Der reflexartige Aufschrei nach Merz’ Äußerungen und das gebetsmühlenhafte Beschwören der 'Brandmauer gegen rechts' quer durch die Parteien hilft lediglich der AfD erneut in die Schlagzeilen. Sie profitiert von der Aufmerksamkeit, die die anderen Parteien erzeugen. Dieses Geschenk sollte man ihr nicht immer wieder machen."

"Stuttgarter Zeitung": "Ist der CDU-Chef von allen guten Geistern verlassen? Für sein Geschwurbel zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene gibt es zwei Erklärungsvarianten: Entweder stolpert Friedrich Merz gerade von Fettnapf zu Fettnapf – oder er versucht ein Terrain zu planieren, an dem bisher 'Betreten verboten' stand. So oder so wäre das zum Schaden der eigenen Partei und der Union gleich mit. Entsprechend fallen die Kommentare des CSU-Wahlkämpfers Söder und führender CDU-Politiker aus.

Sein persönliches Ansehen hat Merz ohnehin ramponiert. Für einen Politiker gibt es nichts Peinlicheres, als wenn er gezwungen ist, sich selbst zu dementieren – für Merz keine Premiere. Mit seinen (bestenfalls) missverständlichen Äußerungen hat er die Achillesferse der C-Parteien im Umgang mit der Konkurrenz von rechts bloßgelegt, schlimmstenfalls Einblick in klandestine strategische Überlegungen gewährt. Nichts davon nützt der CDU."

"Märkische Oderzeitung": "Das Prinzip klare Kante hat den Vorteil, sich als kerniger Macher inszenieren zu können, noch dazu mit einer Brandmauer zur AfD. Problematisch wird es allerdings, wenn die Realität anders aussieht, als man sich das in der Parteizentrale so denkt. Denn natürlich muss in einer Gemeinde das Leben weitergehen, auch wenn der Bürgermeister oder der Landrat plötzlich von der AfD ist. Schon lange gibt es auf lokaler Ebene vereinzelte Kontakte von verschiedenen Parteien mit Mandatsträgern der Rechtspopulisten, ohne dass sie gleich zusammenarbeiten. Alles andere wäre auch kontraproduktiv. Projekte feststecken zu lassen, nur um der AfD eins auszuwischen, dürfte bei vielen Bürgern nur Verdruss auslösen. In dieser Zwickmühle war Friedrich Merz gefangen und hoffte wohl auf einen Befreiungsschlag. Der ist misslungen. Das Problem, das er angesprochen hat, wird durch die Hiebe, die er kassiert, allerdings nicht verschwinden.

"Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung": "Vielleicht ist ja alles doch ein großer Irrtum und dann markiert dieser Sonntag den Anfang vom Ende. Wie lange kann das noch gut gehen mit dem besserwissenden und so schnell beleidigten Sauerländer, der die Partei nach dem Wahldebakel mit Armin Laschet zu alter Stärke und direkt ins Kanzleramt führen sollte?

Es ist richtig, dass die CDU nicht mehr genau wusste, was 'konservativ' eigentlich ist und sein soll. Merz schien die Antwort darauf geben zu können, aber jetzt zeigt sich immer mehr: Er meint nicht konservativ, er meint rechts."

"Mitteldeutsche Zeitung": "Das politisch wirklich Gefährliche verliert Merz aus den Augen: die Normalisierung der AfD. Ihre Hetzer in Landtagen, im Bundestag, im Europaparlament profitieren nicht nur von der Schwäche der Ampelregierung, sondern auch von der schwächelnden Union. Ihr Landrat in Thüringen und ihr Bürgermeister in Sachsen-Anhalt sind für sie ein Werbemittel. Und jetzt kann sie auch noch behaupten, die Brandmauer der Union bröckele. Demokraten arbeiten mit Antidemokraten zusammen, weil die Wahl demokratisch war? Die CDU versucht nicht, mit eigenen Themen gegenzuhalten? Merz sollte vermeiden, seine CDU in der Frage, wie sie es mit der AfD hält, straucheln zu lassen."

"Allgemeine Zeitung Mainz": "Merz hat sich so unklar ausgedrückt, dass man dies durchaus als Aufruf an die CDU-Basis zur kooperativen Zusammenarbeit mit der AfD, also einer in Teilen rechtsextremen Partei, verstehen kann. Das darf nicht sein, hier muss Merz gleich klar Position beziehen und nicht erst am Tag danach. (…) Prognose: Das wird Merz nicht mehr los. Dabei geht es um Existenzielles, nicht nur für die CDU. Die großen Krisen der vergangenen Jahre und die jüngsten Fehler der Ampelkoalition haben den Boden für den AfD-Umfragehöhenflug bereitet. Einer, nochmal, in Teilen klar rechtsextremen Partei. Doch ausgerechnet Merz, Chef der größten Oppositionspartei und sonst ein Freund klarer Worte, lässt in der Frage der Abgrenzung zur AfD zu oft die notwendige Klarheit vermissen."

"Heilbronner Stimme": "Der CDU-Chef ist Profi genug, um zu wissen, was er sagt. Und er weiß um die Bestrebungen einiger ostdeutscher CDU-Politiker, die sich für eine Öffnung gegenüber der AfD stark machen. Merz hat einen Punkt, wenn er darauf hinweist, dass man die AfD dort, wo sie Bürgermeister und Landräte stellt, auf Dauer schlecht ignorieren oder isolieren kann. Was daraus konkret folgt, hat er aber offengelassen. Möglicherweise wollte er die Reaktionen abwarten. Die hat Merz nun. Seine Rolle rückwärts wird seine Position in der Union gewiss nicht stärken."

"Rheinpfalz": "Was den CDU-Chef geritten haben mag, einer Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene das Wort zu reden, ist nicht überliefert. Aber der Sturm des Protests aus den eigenen Reihen ist bemerkenswert. Hat ihn jedes politische Gespür verlassen? Und die AfD? Wenige Tage vor ihrem Europaparteitag lacht sie sich mal wieder ins Fäustchen ob des Lavierens von Friedrich Merz.

Klarheit in der Sprache, einen politischen Kompass, überzeugende Inhalte und gutes Personal – das sind die Instrumente, mit denen sich die Union als bessere Regierung darstellen müsste. Auftritte wie im ZDF sind eher nicht hilfreich."

"Münchner Merkur": "Da hat die Union ihr großes Sommertheater. Es ist ein künstliches und dämliches. Der Riesenwirbel um die angeblich eingerissene Brandmauer zur AfD speist sich aus zwei Faktoren: Bei Medien, anderen Parteien und manchem Parteifeind gibt es große Lust, Friedrich Merz das Wort im Mund umzudrehen. Und beim CDU-Chef selbst häufen sich die Fälle, in denen er sich unpräzise und manchmal überzogen äußert – als wäre er, der Kantige aus den 90ern, nicht in der brutal schnellen Medienwelt von heute angekommen, in der jeder Satz sitzen muss. Ein Vorsitzender mit Kommunikationsproblem ist ein dickes Risiko für die CDU und die wahlkämpfende CSU."

 

 

 

Quelle