Nach "Mord im Orientexpress" und "Tod auf dem Nil" ist Kenneth Branagh als Meisterdetektiv Hercule Poirot zurück auf der Leinwand. "A Haunting in Venice" schließt an seine Vorgänger an – mit deutlich mehr Horrorelementen und einem mystischen Setting.
Jedes Haus in Venedig ist entweder verflucht oder es spukt. Geistergeschichten gibt es über die Lagunenstadt fast so viele wie Touristen. Die Mauern der jahrhundertealten Gebäude erzählen Dramen, das plätschernde Wasser an den Hauswänden wirkt gespenstisch, besonders dann, wenn die Dunkelheit einbricht und die verlassenen Gänge vom gelben Laternenlicht beleuchtet werden. Und genau dieses Venedig, das laut manchen Menschen von Seelen und mystischen Figuren heimgesucht wird, ist der neue Rückzugsort von Hercule Poirot.
"A Haunting in Venice": Meisterdetektiv Hercule Poirot ist in Rente
Wir schreiben das Jahr 1947 und der Meisterdetektiv hat keine Lust mehr auf Mord und Todschlag. Nach unzähligen Fällen und zwei Kriegen möchte er seine Ruhe haben, Fans und Störenfriede lässt Poirot von einem eigens engagierten Leibwächter entfernen. Auf der Dachterrasse seines venezianischen Rückzugsortes trinkt er genüsslich Tee und lässt sich die italienische Sonne aufs Gesicht scheinen. Ein schönes, ruhiges Leben – bis eine alte Bekanntschaft ihn heimsucht, die er nicht so einfach ignorieren kann. Krimi-Autorin Ariadne Oliver (gespielt von Tina Fey) möchte den von Kenneth Branagh gespielten Poirot animieren, seinem alten Beruf wieder nachzugehen. Rätsel lösen, Mörder finden – das ist es, was Poirot zu Poirot macht. Er sei nicht mehr er selbst, sagt sie ihm. Und so lädt Oliver ihn zu einer abendlichen Séance an Halloween in einem venezianischen Palazzo ein. Mit Hintergedanken, versteht sich.
Gastgeberin ist die Grande Dame Rowena Drake. Sie ist verzweifelt, nachdem ihre Tochter Alicia im vergangenen Jahr vom Balkon des Palazzos fiel und in den Tod stürzte. Mithilfe des Mediums Mrs. Reynolds (gespielt von Oscarpreisträgerin Michelle Yeoh) will sie Alicias Geist herbeirufen und herausfinden, was wirklich mit ihr passiert ist. Einmal die Stimme ihrer Tochter hören, das ist Drakes größter Wunsch. Direkt nach der Ankunft in dem langsam zerfallenden Palazzo ist das gruselige Setting gesetzt: Besucher des früheren Waisenhauses – so die Gerüchte – werden heimgesucht von den Leichen unzähliger Kinder, die dem Tod überlassen wurden und Rache suchen.
Poirots übergroßes Ego kann damit nicht wirklich umgehen. Geistergeschichten und ein Gespräch mit Stimmen findet er albern, glaubt nicht an das Übermenschliche. Auch Mrs. Reynolds ist ihm ein Dorn im Auge. Doch mit jeder neuen Entdeckung in dem spukenden Palazzo fängt der Detektiv an, seine eigenen Vorstellungen zu hinterfragen. Hört er aus den Mauern wirklich die Stimmen toter Kinder? Und wer ist Schuld an Alicia Drakes rätselhaftem Tod? Es dauert nicht lange, da merken Poirot und Co., dass sie selbst alle in ernsthafter Gefahr sind.
Dritter Poirot-Film mit Branagh
"A Haunting in Venice" ist nach "Mord im Orientexpress" und "Tod auf dem Nil" der dritte Poirot-Fall von Branagh, der auch die Regie übernahm. Er ist düsterer als seine Vorgänger mit mehr Horrorelementen, die wahre Horror-Fans wahrscheinlich nicht hinterm Ofen hervorlocken, Fans von Poirot-Filmen aber durchaus im Kinosessel zucken lassen dürften.
Neben der hochkarätigen Starbesetzung inklusive Jamie Dornan als fiesem Ex-Verlobten der toten Alicia spielt Venedig selbst eine der Hauptrollen. In keiner anderen Stadt hätte Poirots Comeback atmosphärischer inszeniert werden können. Mittlerweile gibt es in der Lagunenstadt mehr Betten für Touristen als für Einheimische. Die Trampelpfade sind gespickt mit Cafés und Souvenir-Shops, die Brücken voller posierender Paare.
Doch kommt man ab von den Hauptwegen, spürt man direkt den Zauber der Stadt. Es braucht nicht viel Fantasie, um die mythischen Sagen hier zum Leben zu erwecken. Branagh fängt den Spirit Venedigs gelungen ein, auch wenn der Plot mittlerweile weit entfernt ist vom Original Agatha Christies, "Hallowe'en Party".
Herausgekommen ist ein unterhaltsamer Murder-Mystery-Thriller mit einem Poirot in Hochform, der nach anfänglichen Zweifeln schnell in sein Metier zurückfindet. Ein vierter Poirot-Film mit Branagh wurde von Produzent James Prichard bereits angedeutet, sollte Branagh ebenfalls an Bord sein. Das Setting von "A Haunting in Venice" dürfte allerdings nur schwer zu toppen sein.