In manchen Situationen beschleicht einen plötzlich intuitiv ein Gefühl, dem man auf den Grund gehen muss. So erging es auch einem LKW-Fahrer aus Namibia, der noch eine lange Strecke vor sich hatte. Kurz bevor er wieder in seinen Truck steigen und losfahren wollte, überprüfte er sein Fahrzeug, den Ölstand, den Füllstand seines Tanks und schließlich auch die Reifen. Genau dort machte er eine Entdeckung, bei der er zweimal hingucken musste, um zu glauben, was er da sah.
Auge in Auge stand er einem ziemlich ungewöhnlichen Tier gegenüber, welches friedlich schlafend am Reifen des LKWs lehnte: ein Erdferkel. Schnell erkannte der Fahrer des Trucks, dass es sich bei dem kleinen afrikanischen Einwohner um ein Baby handeln musste, und er versuchte verzweifelt, das Muttertier in der Umgebung ausfindig zu machen. Doch die Suche blieb erfolglos. Also beschloss er, das Erdferkelkind zum Firmenhauptsitz mitzunehmen. Von dort aus gelangte das etwa 2 Monate alte Tierchen zur örtlichen Tierärztin, Erika de Jager.
Erika ist nicht nur Tierärztin, sondern auch die Gründerin von Zuri Orphenage, einer Organisation zum Schutz und zur Aufzucht verwaister Wildtiere. Das kleine Erdferkelbaby versprühte so viel Charme, dass Erika sofort in den ungewöhnlichen Vierbeiner vernarrt war: „Es war einfach Liebe auf den ersten Blick“, erzählt sie heute. Natürlich brauchte das Kleine auch einen Namen. Schon beim ersten Blick auf das Tierchen mit der weichen, grauen Haut und den niedlichen Falten im Gesicht wurde ihr klar: Der heißt E.T.
Da Erdferkel nicht oft in der Wildtierauffangstation landen und es für Erika die erste Aufzucht dieser Art war, war sie zunächst unsicher, wie sie den kleinen E.T. richtig versorgen sollte. „Wir mussten zu Beginn etwas experimentieren. Also versuchten wir es zunächst mit Katzenaufzuchtsmilch aus den lokalen Märkten, aber die hat er nicht gut vertragen. Doch dann erhielten wir einen guten Tipp von der Onderstepoort Universität. Mit dieser Milch legte er dann schnell an Gewicht zu“, erinnert sich Erika.
Für Erika ist es immer ein 24-Stunden-Job, wenn sie Wildtiere aufzieht. Sie gibt ihnen so viel Liebe und Aufmerksamkeit, wie sie es auch mit einem neugeborenen Menschenkind täte. Denn auch diese Tierbabys müssen alle paar Stunden gefüttert werden und brauchen Beschäftigung. Als E.T. kräftig genug geworden war, lernte er auch endlich neue tierische Freunde kennen. Spookie und Zarah waren ebenfalls von der Organisation gerettet worden.
Am Anfang wussten die beiden Hunde nicht so recht, was sie mit diesem ungewöhnlichen Tier anstellen sollten. Doch schon bald betrachteten sie E.T. als einen von ihrem Rudel und begannen, mit ihm zu spielen und herumzutollen. „Die Hunde waren sehr interessiert an ihm und behandelten ihn wie einen Welpen. Sie sind an Jungtiere gewöhnt, denn manchmal haben wir auch Ziegen oder Warzenschweine“, erzählt Erika.
„E.T. schläft sogar jede Nacht mit seinen neuen Freunden im Hundebett. Sie haben wirklich eine sehr enge und sehr besondere Beziehung zueinander aufgebaut“, erzählt Erika weiter. „Wenn ich mit den Hunden spazieren gehe, kommt E.T. mit. Ich glaube, er weiß schon gar nicht mehr, dass er eigentlich ein Erdferkel ist. Ich glaube, er hält sich selbst für einen Hund“, erzählt Erika lächelnd.
Doch nach 5 Monaten voller Glück ist auch für Erika klar, dass sie den niedlichen E.T. nicht länger behalten kann. Als Wildtier ist sein Platz in der freien Natur, wo er weiter aufblühen und mit seinen Artgenossen leben kann. „Die Auswilderung von E.T. verlief in mehreren Etappen. Zuerst nahmen wir ihn mit raus und ließen ihn spielen. Von Mal zu Mal länger und irgendwann, eines Nachts, blieb er draußen.
Seither lebt E.T. wieder in freier Wildbahn. Zumindest beinahe. Das kleine Erdferkel kommt fast jede Nacht in sein früheres Zuhause, um mit Spookie und Zarah zu spielen und sich ein paar Streicheleinheiten von Erika abzuholen.
Zum Glück gibt es Menschen wie Erika, die ihr Leben der Aufzucht von Wildtieren gewidmet haben und die selbst dann nicht vor dieser Aufgabe zurückschrecken, wenn die Zeitgenossen ein wenig ungewöhnlich aussehen. Doch seien wir ganz ehrlich: Es ist doch fast unmöglich, den kleinen E.T. nicht zum Anbeißen süß zu finden. Danke, Erika.