Das oberste Gericht Italiens hat entschieden, dass Enkelkinder ihre Großeltern nicht besuchen müssen, wenn sie nicht wollen. Das Gericht revidiert damit ein früheres Urteil, das Enkelkinder dazu zwang, Zeit mit ihren Großeltern zu verbringen.
Enkel in Italien können nicht dazu gezwungen werden, ihre Großeltern zu besuchen. Das hat nun das höchste italienische Gericht Corte Suprema di Cassazione in Rom entschieden. Das Urteil revidiert damit die Entscheidungen unterer Instanzen, die zunächst entschieden hatten, dass Großeltern ihre Enkel juristisch zwingen könnten, mit ihnen Zeit zu verbringen, das berichten mehrere italienische und internationale Medien.
Urteil in Italien: Enkelkinder sind nicht dazu verpflichtet, ihre Großeltern zu besuchen
Ausgangspunkt des jahrelangen Rechtsverfahrens war ein Familienstreit, durch den die Eltern zweier Kinder den Kontakt zu den Großeltern und dem Onkel väterlicherseits abbrachen. Darüber beschwerten diese sich beim Jugendgericht in Mailand. "Aufgrund der von den Eltern errichteten Hindernisse", sei es nicht möglich, die Kinder zu treffen.
Die Großeltern gewannen sowohl vor dem Jugendgericht als auch vor dem Mailänder Berufungsgericht, das 2019 Treffen zwischen ihnen und den Kindern in Anwesenheit eines Sozialarbeiters anordnete. Zudem warnte es die Eltern vor möglichen psychologischen Schäden für die Kinder, wenn sie ihre Verwandten nicht mehr sehen dürften.
Die Eltern argumentierten, dass die Kinder die Treffen aufgrund der anhaltenden familiären Spannungen nicht wollten, und legten daher beim Obersten Gericht Berufung ein, um die Entscheidung aufheben zu lassen.
Genau das tat das oberste Gericht nun. In seinem Urteil erklärte es, dass es zwar "keinen Zweifel" daran gebe, dass die beiden Kinder "von einer Verbindung mit der zusammenhängenden Generationslinie profitieren würden", dass sich die beiden aber gegen die Beziehung ausgesprochen hätten und nicht gezwungen werden könnten, ihre "Vorfahren" zu sehen, insbesondere in einem konfliktreichen Umfeld.
Interessen der Kinder haben Vorrang vor denen der Großeltern
Daher entschied das Gericht, dass die Interessen der Kinder Vorrang vor denen der Großeltern haben müssen und dass "eine unwillkommene und unerwünschte Beziehung" nicht aufgezwungen werden kann, umso mehr, wenn die Kinder "einsichtsfähig" und 12 Jahre alt sind.
Das Gericht stärkt damit die Rechte von Enkelkindern. Seit 2006 gilt in Italien das Familiengesetz, wonach Kinder ein Recht darauf haben, eine "signifikante Beziehung" zu ihren Großeltern aufzubauen und aufrechtzuerhalten, auch wenn sich die Eltern des Kindes trennen.
Großeltern haben dagegen das Recht, ein Gericht zu ersuchen, um festzustellen, ob die Entscheidung eines Elternteils, ihnen den Umgang mit ihren Enkeln zu verweigern, dem Wohl des Kindes schadet und daher rechtswidrig ist. Mit dem neuerlichen Urteil hat erstmals die Stimme des betroffenen Enkelkindes in dieser Frage Gewicht.