Glyphosat im Honig gefunden: Landwirt muss Imker Schadenersatz zahlen

22.06.2022 12:04

Es könnte ein Urteil mit Signalwirkung sein: Erstmals muss ein Agrar-Unternehmen einem Imker für Glyphosat belasteten Honig Schadenersatz zahlen. Doch Kläger und Naturschützer wollen mehr.

Im Frühjahr 2019 hatte der Imker Sebastian Seusing wie gewohnt seine Bienenkästen zur Honigproduktion aufgestellt. Das schlimme Erwachen: Wenige Monate später musste er Wachs und insgesamt vier Tonnen Honig vernichten, weil nebenan ein Agrarunternehmenseine Äcker mit glyphosathaltigen Unkrautbekämpfungsmitteln besprüht hatten.

Die Bienen hatten auf dem Acker Nektar für ihren Bienenstock gesammelt und damit auch mit Glyphosat belastete Pollen in den Bienenstock getragen. Laboranalysen ergaben, dass die Rückstände bis zu 152-fach höher ausfielen, als gesetzlich erlaubt. Die Folge des Verlusts: Seusing musste seinen Betrieb aufgeben, seitdem arbeitet er auf einem Biohof in Schleswig-Holstein.

In einem Prozess forderte Seusing daher für seinen verunreinigten Honig Schadenersatz – und gewann: Das Agrarunternehmen muss ihm nun wegen des Unkrautvernichters Glyphosat rund 14.500 Euro für den entstandenen Schaden zahlen. Außerdem urteilte das Landgericht Frankfurt (Oder), dass das Unternehmen auch die Prozesskosten tragen müsse.

Die Begründung des Gerichts: Die Bienenstöcke seien aus Sicht des Gerichts für jedermann sichtbar gewesen. Angesichts der Intensität der Kontamination sei eine Rechtswidrigkeit festgestellt worden, erläuterte ein Gerichtssprecher. Zudem habe das Agrar-Unternehmen fahrlässig gehandelt. Das Eigentum des Imkers sei dadurch verletzt worden.

Mit Glyphosat belasteter Nektar

Das Urteil sei ein wichtiges Signal an die Landwirte bei der Anwendung des Unkrautvernichters Glyphosat, für die es Beschränkungen gebe, sagte der Rechtsanwalt des Imkers, Georg Buchholz. "Man geht um mit Giftstoffen, man muss dafür sorgen, dass man niemanden schädigt und potenzielle Geschädigte sind Imker, Bienen und Verbraucher", machte er klar. Landwirte müssten dafür sorgen, dass umstrittene Pflanzenschutzmittel nicht in andere Lebensmittel gelangten.

Auch Imker Sebastian Seusing ist mit dem Urteil zufrieden: "Für alle Imker ist das eine neue Situation, sie können sich jetzt auf dieses Urteil berufen und viele Imker werden sich trauen, ihren Honig überprüfen zu lassen oder gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu klagen", zeigte er sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur überzeugt.

130.000 Freizeitimker in Deutschland

Die Aurelia-Stiftung, die den klagenden Imker unterstützt, kritisierte das Urteil als Einschränkung einer Lösung für ein gravierendes Problem. Es gehe um grundlegende Fragen der Agrar-Politik, sagte der Vorstand der Stiftung, Thomas Radetzki. "Wir hätten uns gewünscht, dass die Richterin in ihrer Begründung schreibt, dass Bienen zur Landwirtschaft dazugehören und der Landwirt immer damit rechnen muss, dass das, was er spritzt, Bienen erreicht."

Radetzki wies noch auf ein anderes Problem hin. Durch die intensive Landwirtschaft, die Pestizide in großen Flächen einsetzt, bewege sich der Imker auf "dünnem Eis". 130.000 Freizeitimker gebe es in Deutschland, viele verkauften auch ihren Honig. Sie unterlägen dem Lebensmittelgesetz und müssten gewährleisten, dass das Produkt "verkehrsfähig" sei, erklärte Radetzki.

Wenn der Imker Anlass habe, eine Belastung anzunehmen, müsse er den Honig testen lassen, sonst mache er sich strafbar. "Wir brauchen eine Agrarwende", forderte Radetzki auch deshalb. Die Anwendung von Pestiziden in blühenden Pflanzenbeständen müsste grundsätzlich verboten werden.

Bei dem Urteil handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung des Gerichts. Durch das Urteil ist also nicht grundsätzlich geklärt, ob Landwirte bei einem Glyphosat-Einsatz damit rechnen müssen, dass Bienenstöcke in der Nähe sind oder Imker Landwirte informieren müssen, wenn sie Bienenwagen aufstellen. Gegen das Urteil können noch Rechtsmittel eingelegt werden.

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