Lokführer zeigt Zivilcourage und wünscht sich mehr Empathie

22.02.2022 10:47

Menschen sind soziale Wesen. Wir sind darauf angewiesen, dass andere uns im Notfall beistehen und uns helfen, wenn sie das können. Niemand will und kann in einer Welt leben, in der nicht aufeinander Rücksicht genommen wird.

Aber man muss auch sehen und wahrnehmen können, wenn jemand Hilfe braucht. Wenn wir alle nur mit uns selbst beschäftigt sind, während wir durch unseren Alltag gehen, dann übersehen wir schnell, wenn jemand in einer verzweifelten Lage ist und vielleicht nicht um Hilfe bitten kann.

Noch schlimmer allerdings ist es, wenn Menschen aus Bequemlichkeit und mangelndem Mitgefühl einfach wegsehen, wenn jemand Hilfe braucht. Das ist durch nichts zu entschuldigen.

Dies wurde Timmy Borg aus Malmö in Schweden an einem bitterkalten Januarmorgen aufs Drastischste bewusst.

Der Lokführer war gerade auf dem Weg von einer Nachtschicht nach Hause, als er auf dem Hauptbahnhof der Stadt Gävle einen Bahnsteig überquerte und plötzlich einen Mann bemerkte, der ganz allein im Schnee auf dem Boden lag.

Timmy eilte zu ihm und sah, dass der Mann die Arbeitskleidung eines Handwerkers trug. Er hatte ein Headset mit Kopfhörern auf und um ihn herum lag Werkzeug im Schnee.

Timmy hatte in der Vergangenheit als Wachmann gearbeitet und wusste, was in solch einem Fall zu tun ist. Er schüttelte den Mann sachte an der Schulter und sprach ihn an. Der war nicht bei Bewusstsein, aber er atmete. 

Timmy wählte mit seinem Handy den Notruf und rief Hilfe herbei. Er sicherte das Areal ab und sorgte dafür, dass keine Glasscherben herumlagen, auf die die Rettungskräfte sich sonst vielleicht gekniet hätten.

Als die Sanitäter eintrafen, konnten sie den Bewusstlosen wieder zu sich bringen und nahmen ihn im Krankenwagen mit, damit er versorgt werden konnte.

Doch Timmy ließ das Erlebte nicht los. Er war wütend und zutiefst enttäuscht. „An jedem Morgen kommen Hunderte von Menschen an dieser Stelle vorbei“, erklärt er in einem langen Facebook-Eintrag, in dem er die Situation schilderte. „Es war sieben Uhr morgens. Als ich den Mann entdeckte, fuhr nur wenige Meter von mir entfernt ein anderer Lokführer an ihm vorbei. Er hat ihn gesehen, aber er hat nichts getan.“

„Es ist, als würden Menschen ihre Empathie und ihre Zivilcourage ausschalten, sobald sie jemanden nicht persönlich kennen“, fuhr er fort. Niemand hat ihm Hilfe angeboten, während er sich um den Bewusstlosen kümmerte.

„Das ist jemandes Sohn oder jemandes Tochter. Es ist egal, wer die Person ist. Wenn jemand hilflos am Boden liegt, dann geht man hin und hilft. Wenn man Angst um die eigene Sicherheit hat, dann ist das in Ordnung, aber man kann trotzdem den Notruf wählen. Das geht auch unterwegs, wenn man es denn so verdammt eilig hat“, stellte Timmy noch einmal klar.

„Wo ziehst du die Grenze? Wann hörst du auf, dich um deine Mitmenschen zu kümmern? Das ist einfach nicht der richtige Weg. Wir müssen aufeinander aufpassen.“

Das sind wahre und wichtige Worte, die sich jeder zu Herzen nehmen sollte. Wenn man jemanden in Not sieht, scheint es der bequeme Ausweg zu sein, sich nicht einzumischen, weiterzugehen und zu hoffen, dass sich schon irgendjemand anderes kümmern wird. Aber dieser Handwerker wäre bei Minusgraden bewusstlos im Schnee gestorben, weil niemand glaubte, verantwortlich zu sein. Diese Art menschlicher Abstumpfung darf uns nicht ergreifen.

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