Manuel Neuer, Leon Goretzka & Co., euer Traum ist ausgeträumt – und jetzt kommt erhobenen Hauptes nach Hause

23.11.2022 11:32

Der Schaden ist da, auf vielen Seiten. Und jetzt? Nach dem Binden-Verbot der Fifa und dem Rückzug des Verbands, ist nun die Mannschaft gefragt. Neuer, Müller, Gündogan & Co., setzt ein Zeichen, zeigt Flagge – und kommt erhobenen Hauptes nach Hause.

Das freiwillige Aufgeben eines Traums ist schmerzhaft. Keine Frage. Die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft für viele Fußballer das Höchste der Gefühle. Umjubelt von Tausenden Fans, das Kämpfen im Team und zur Krönung der Rausch des Erfolgs – hohe Prämien inklusive. Wer will dazu schon Nein sagen? Doch was ist, wenn die eigenen Werte mit einer Teilnahme nicht nur ad absurdum geführt, sondern mit Füßen getreten werden? Wann ist der Moment gekommen, um seinen Traum zu beerdigen?

Ich sage: Der Moment ist jetzt.

Der Traum eines fröhlichen Fußballfests in einem Land, das sich Menschenrechten verpflichtet hat und einem Ausrichter, der seine Werte offen lebt, ist tot. Katar, Infantino und seine Fifa sind in den vergangenen Stunden ausreichend und gerechtfertigt gescholten worden. Aber was ist eigentlich mit den Spielern? Als mündige, erwachsene Männer trägt jeder Einzelne von ihnen Verantwortung. Gerade jene wie Leon Goretzka, Manuel Neuer und Ilkay Gündogan, die vor Turnierbeginn noch so auf öffentliche Bekenntnisse für Menschenrechte gepocht haben. Die Stunde für Integrität und Charakterfestigkeit hat geschlagen. Zeigt Flagge, im besten Fall die Regenbogenflagge, tragt alle die "One Love"-Binde in Solidarität mit den Menschen, die nicht in Länder zurückkehren, wo ihre Rechte geschützt sind. Nur tut etwas!

WM 2022 und die Binde – am Scheideweg

Ich hatte größte Achtung vor Christoph Kramer, der im ZDF-Studio gegen all die Argumente von Moderator Jochen Breyer standgehalten hat. Er betonte immer wieder, dass es aus Deutschland, vom heimischen Sofa aus einfach sei, mehr Handeln zu fordern. Und ja, in diesem Punkt hat er natürlich Recht. Doch wir alle werden Momente in unserem Leben gehabt haben, in dem wir an einem Scheideweg standen. Entscheiden wir uns für unseren Ehrgeiz, für berufliche oder private Ziele, vielleicht sogar für Geld im Wissen, dass wir uns nicht für andere eingesetzt haben? 

Diese Frage müssen die 26 Mitglieder der Mannschaft in diesen Stunden beantworten. Es mag hart sein, denn für den ein oder anderen könnte es die letzte Chance sein, an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Aber das Trikot der Nationalmannschaft tragen zu dürfen, ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, eine gute Zeit mit netten Kollegen zu verbringen und im besten Fall den Titel zu holen. Manuel Neuer & Co. sind gleichermaßen Repräsentanten Deutschlands auf internationaler Bühne und unter globaler Beobachtung. 

Wie groß der Druck nicht nur von Seiten der Gesellschaft ist, sondern auch von der Wirtschaft, wird am Dienstag deutlich. Rewe teilt mit, ab sofort auf seine Werberechte beim DFB zu verzichten. CEO Lionel Souque sagte laut Bild: "Wir stehen ein für Diversität – und auch Fußball ist Diversität." Die "skandalöse Haltung" der Fifa sei für ihn nicht akzeptabel. Das berühmte Sammelalbum mit Kärtchen der Teams gebe ab sofort kostenlos. Die bisherigen Erlöse wolle man spenden. Der Schritt des Konzerns zeigt einmal mehr, dass das Einstehen für Werte heutzutage an Geld gekoppelt ist. Menschen entscheiden sich für oder gegen Hersteller, die ihr Möglichstes in Sachen Menschenrechte oder Nachhaltigkeit tun. Die Nationalmannschaft und der DFB sollten dies nie vergessen.

Und wenn die Spieler deshalb am Mittwoch kein eindeutiges Zeichen für unsere Werte setzen und die Konsequenzen tragen, können sie nicht erhobenen Hauptes nach Hause zurückkehren.

 

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