Mitten im Tschernobylreaktor gedeiht ein schwarzer Pilz – er ernährt sich von der Strahlung.

21.02.2020 15:19

Der mysteriöse Pilz frisst die Strahlung auf. Forscher der NASA wollen mit ihm Raumschiffe gegen kosmische Strahlung schützen. Der Pilz könnte aber auch Krebspatienten helfen.

Im Inneren des havarierten Tschernobyl-Reaktors leben Organismen trotz der hohen Strahlung. Eines der interessantesten Lebewesen ist ein schwarzer Pilz, der sich in dem Gebäude eingenistet hat. Er ernährt sich von der Strahlung und kann sie in Energie umsetzen. Entdeckt wurde die seltsame Spezies schon 1991, nur fünf Jahre nach dem Unglück. "Nach dem Unfall waren Pilze die ersten Organismen, die dort auftauchten, und die Wissenschaftler wollten verstehen, wie sie in einer solchen Umgebung gedeihen können", sagte Kasthuri Venkateswaran zum Portal  "Stat". Er leitet die Forschung der NASA über den Strahlen-Pilz.

Im Reaktorblock hat sich der Pilz ausgerechnet dort heimisch gemacht, wo die höchste Strahlung herrscht – er gedeiht auf den Resten des Reaktorblocks. Der Pilz kann radioaktives Material wie den heißen Grafit in den Überresten des Tschernobyl-Reaktors zersetzen. In Gegenwart der Strahlung wachsen die Pilze schneller. Sie richten sich auf die Strahlungsquelle aus, um dort hinzuwachsen, so als ob sie nach ihrer Nahrung greifen würden.

Blüht in der Strahlung auf

Dieser Pilz wurde nun auf der internationalen Raumstation gezüchtet, denn man will seine erstaunlichen Eigenschaften für die Raumfahrt nutzen, berichtet "Popular Mechanics" in Hinblick auf eine kommende Studie von Venkateswaran. Im Weltall ist die Strahlung höher als auf der Erde. Die Versuche auf der Raumstation sollen zeigen, ob es möglich ist, Raumschiffe auf diese Weise gegen die eindringende Strahlung abzusichern. In der Umlaufbahn der Station ist die Umgebungsstrahlung noch deutlich geringer als im freien Weltall. Für Expeditionen ins All muss die Besatzung gegen die tödliche kosmische Strahlung geschützt werden, sonst wären lange Reisen nicht denkbar.

Anpassungsfreudiger Geselle

Die schwarzen Pilze besitzen einen sehr hohen Anteil an Melanin – das Pigment in der menschlichen Haut, das vor ultravioletter Strahlung schützt. Nur können die Pilze damit Gammastrahlung in chemische Energie für ihr Wachstum umwandeln. Ihr Melanin absorbiert die Strahlen, und verwandelt sie in chemische Energie. Analog zur Fotosynthese heißt der Prozess Radiosynthese. Die Wissenschaftler hoffen, den Pilz gezielt züchten zu können, sodass er bei der Dämmung radioaktiver Strahlung mitwirken kann. Die Forschung auf der Raumstation hat gezeigt, dass der Pilz sehr anpassungsfähig ist und sich verändert, wenn er unter Stress gesetzt wird.

Schon in Tschernobyl hat sich der Pilz verwandelt. "Die Pilze, die im Reaktor gesammelt wurden, hatten mehr Melanin als die Pilze, die außerhalb in der Sperrzone gesammelt wurden", so Venkateswaran. "Das bedeutet, dass sich die Pilze an die Strahlungsaktivität angepasst haben, und es wurde festgestellt, dass sie der Strahlung entgegen gewachsen sind. Sie lieben sie."

Aus Strahlung wird Bio-Strom

Raumfahrer sind dabei nur die spektakulärste Anwendung. Radioaktivität wird in Maschinen und medizinischen Apparaten eingesetzt, auch hier wäre eine Abschirmung durch den Pilz sinnvoll. Der Pilz könnte als eine Art "Sonnenblocker" für die Bestrahlung von Menschen verwendet werden, hofft Venkateswaran. Er könnte zum Beispiel Krebspatienten, die mit Strahlentherapie behandelt werden oder Arbeiter in Atomkraftwerken schützen. Zumindest in der Theorie könnte die Anwendung noch einen Schritt weiter gehen. Dann würde man den Strahlenfresser dazu nutzen, aus Radioaktivität Bio-Strom für Elektrogeräte zu erzeugen.

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