Munitionsreste an der Ostsee und Nordsee: wie du den gefährlichen Unterschied von Phosphor oder Bernstein erkennen kannst.
Ob im Sommer oder im Winter: Nord- und Ostsee bieten schöne Strände zum Spazierengehen. Mit etwas Glück findet man dabei einen Bernstein oder andere interessante Steine. Experten warnen aber, die Fundstücke in der Hosentasche zu transportieren. Es könnten sich unter den vermeintlichen Steinen nämlich gefährliche Kampfstoffe aus den beiden Weltkriegen befinden. Was es zu beachten gilt, um Phosphor oder Bernstein zu erkennen und wann man das Strandgut lieber liegen lassen sollte, verrät dir dieser Artikel.
Wieso gibt es Munitionsreste an Nord- und Ostsee?
Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) wurden erstmals chemische Kampfmittel wie Gas und Granaten eingesetzt. Deren Anzahl nahm während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) noch einmal zu. Durch Manöver der Alliierten und des Deutschen Reichs gelangten Granaten, Bomben und Schießwolle ins Wasser von Nord- und Ostsee. Und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Kampfstoffe oftmals einfach im Meer entsorgt.
Laut Umweltbundesamt liegen rund 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition und 5.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe auf dem Grund von Nord- und Ostsee. Diese Munitionsreste werden durch die Strömung nach und nach an die Küsten gespült. An den Stränden der Insel Usedom werden Kampfmittel besonders häufig gefunden. Grund dafür ist ein Bombenangriff im Jahr 1943 auf die Gemeinde Peenemünde. Heute warnen Schilder an den Stränden der Insel vor den Gefahren der Kampfmittelreste.
Welche Gefahren bestehen durch die Munitionsreste?
Zum einen wird die Umwelt schwer belastet. Die Hüllen der teilweise noch scharfen Kampfmittel wie Bomben oder Minen rosten unter Wasser, werden porös und setzen so die in ihnen enthaltenen Schadstoffe frei. Dadurch wird die Unterwasserwelt verunreinigt und schwer geschädigt.
Zum anderen besteht die Gefahr, dass Spaziergänger Munitionsteile einsammeln, weil sie diese irrtümlich für Bernstein halten. Die von Rost zerfressenen Teile sind nur selten noch scharf, dennoch geht eine große Gefahr von ihnen aus: Der in der Munition enthaltene weiße Phosphor brennt nämlich bei einer Temperatur zwischen 20 und 40 °C. Steckt man einen solchen „Stein“ also in die Hosentasche, kann er sich allein aufgrund der menschlichen Körpertemperatur (37,5-38,0 °C) von selbst entzünden.
Der Stoff verbrennt mit einer Hitze von bis zu 1.300 °C. Phosphor lässt sich nicht mit Wasser löschen. Tatsächlich beginnt Phosphor durch Flüssigkeitszufuhr immer wieder erneut zu brennen. Sand kann den Brand eindämmen, aber nur spezielle Feuerlöscher können das Feuer gänzlich löschen. Es drohen schwere Verbrennungen, die bis ins Muskelgewebe dringen können. In schlimmen Fällen sind Betroffene auf eine Hauttransplantation angewiesen.
Expertentipps
Phosphor kann Bernstein zum Verwechseln ähnlich sehen. Auch das Gewicht und der Glanz können bei beiden Materialien vergleichbar sein. Also sollte man immer Vorsicht walten lassen und den Stein im Zweifelsfall liegen lassen. Findet man am Strand Munition oder vermeintlichen Bernstein, sollte man sich an folgende Tipps von Biologen halten:
- Strandfunde niemals in die Hosentasche stecken, sondern lieber in einer Metalldose sammeln.
- Findet man Munition, sollte man diese liegen lassen und den Fund bei der Küstenwache oder der Touristeninformation melden. Diese informieren dann die Kampfmittelräumung.
- Ist man bei einem Fundstück unsicher, sollte man es auf jeden Fall von einem Experten untersuchen lassen. Möchte man es mit nach Hause nehmen, sollte es in einem verschlossenen Glas aufbewahrt werden. Sand sollte immer parat sein, falls sich der Phosphor doch einmal entzündet.
- Auf keinen Fall sollte man gängige „Tipps“ zum Erkennen von Bernstein anwenden. Beispielsweise kann durch das Klopfen an einen Zahn der giftige Phosphor in den Körper gelangen oder das Reiben an der Kleidung den chemischen Stoff entzünden.
- Kommt es am Strand zu einer Verbrennung durch Phosphor, sollte die kontaminierte Kleidung ausgezogen und ein Notarzt verständigt werden.
Wieso wird die Munition nicht geborgen?
Es gibt immer wieder Bemühungen, die Munitionsreste aus den Meeren zu bergen. Schließlich liegen sie schon 70 Jahre oder länger in den Gewässern. Der Grund, wieso dennoch so viele Kriegsüberbleibsel auf dem Meeresgrund zu finden seien, liege laut dem Diplom-Biologen Dr. Frank Rudolph an den hohen Kosten einer solchen Säuberung. Außerdem gibt er zu bedenken: „Und wohin damit? Wenn man alle Munitionsreste, die auf dem Grund der Ostsee lagern, auf einen Güterzug laden wollte, müsste dieser eine Länge haben von Flensburg bis Garmisch und zurück.“ Das entspricht übrigens einer Entfernung von etwa 2.000 Kilometern.
Übrigens: Die Gefahr einer Verletzung durch Phosphorverbrennung ist im Winter höher als im Sommer. Bei sommerlichen Temperaturen verbrennen die angespülten Munitionsteile von selbst, sodass Sammler diese nur selten finden. Im kalten Winter verbrennen die „Steine“ erst dann, wenn sie in eine wärmere Umgebung gelangen, z.B. in die Hand eines Sammlers.
Wer hätte gedacht, dass uns die Überbleibsel der beiden Weltkriege noch heute so gefährlich werden können! Wusstest du, dass das Steinesammeln solch eine Gefahr in sich birgt?