Ein Mann erschießt zwei Menschen und verletzt einen weiteren mitten im Zentrum von Brüssel. Jetzt ist der mutmaßliche Täter selbst tot, zwei Länder trauern und man fragt sich: Wie konnte das passieren?
Was ist passiert?
Im Stadtzentrum von Brüssel erschoss ein Mann am Montagabend zwei schwedische Fußballfans und verletzte einen weiteren Menschen. Der Vorfall ereignete sich gegen 19 Uhr. Laut der belgischen Nachrichtenagentur Belga stieg der Täter bewaffnet von einem Roller und schoss mit einer automatischen Waffe über die Straße. Als mehrere Menschen in einen Hauseingang flohen, soll er sie verfolgt und auf sie geschossen haben. Die Tat ereignete sich rund fünf Kilometer vom früheren Heysel-Stadion entfernt.
Nach der Tat sprach Belgiens Regierungschef Alexander de Croo von einem "Terroranschlag" und rief landesweit die zweithöchste "Terrorwarnstufe" aus. Das zu dem Zeitpunkt laufende EM-Qualifikationsspiel zwischen Belgien und Schweden im König-Baudouin-Stadion wurde nach der ersten Halbzeit abgebrochen. Mehrere Tausend Menschen mussten aus Sicherheitsgründen im Fußballstadion ausharren, bis sie evakuiert werden konnten. (Mehr dazu lesen Sie hier.)
Wer sind die Opfer?
Durch die Schüsse kamen zwei schwedische Fußball-Fans ums Leben. Ein weiterer Mensch wurde zudem verwundet, schwebt aber nicht mehr in Lebensgefahr. Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson bestätigte am Dienstag auf einer Pressekonferenz, dass es sich bei den Opfern um Schweden handelt. Das verletzte Opfer befinde sich im Krankenhaus. "Alles deutet darauf hin, dass es sich um einen terroristischen Akt handelt, der sich gegen Schweden und schwedische Bürger richtet." Eines der Opfer soll auch die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen. Einer der beiden Toten soll um die 60 Jahre alt sein, der zweite um die 70, wie das schwedische Außenministerium dem schwedischen Fernsehsender TV4 sagte. Der verletzte Schwede sei ebenfalls um die 70 Jahre alt. Die Angehörigen seien informiert worden. Mehr ist zur Identität der Opfer bislang nicht bekannt.
Wer ist der Täter?
Nach Angaben des belgischen Justizministers und der Staatssekretärin für Migration und Asyl handelt es sich um Abdesalem L., einen 45-jährigen Tunesier, der im November 2019 Asyl in Belgien beantragt hat, allerdings im Oktober 2020 abgelehnt wurde und sich seitdem illegal im Land aufhielt. Im Februar 2021 sei er offiziell aus dem Nationalregister gestrichen worden. Abdesalem L. verschwand daraufhin vom Radar der Behörden, sein Aufenthaltsort konnte nicht mehr ermittelt und seine Ausreise nicht organisiert werden.
Bereits 2016 wurden den belgischen Behörden von einer ausländischen Polizeibehörde unbestätigte Informationen übermittelt, wonach der Mann ein islamistisches Profil habe und in ein Konfliktgebiet in den Dschihad ziehen wolle. Konkrete Hinweise auf eine Radikalisierung habe es aber nie gegeben, sagte Justizminister Vincent van Quickenborne.
Die belgische Zeitung "Le Soir" berichtet, Abdesalam L. habe zuletzt einen Bewohner einer Asylunterkunft in Campine, gut 40 Kilometer östlich von Antwerpen, bedroht. Der Bedrohte habe die Polizei darauf hingewiesen, dass L. in Tunesien wegen "terroristischer Aktivitäten" bekannt sei – was sich jedoch als falsch herausgestellt habe. In Tunesien sei er nur wegen "gewöhnlicher" Straftaten polizeibekannt gewesen. Zwar habe ein belgisches Anti-Terror-Zentrum einen Termin angesetzt, um über den Fall L. zu beraten, Hinweise auf eine konkrete Bedrohung habe es aber laut Justizminister nicht gegeben.
Der Polizei war Abdesalem L. aber im Zusammenhang mit Menschenhandel, illegalem Aufenthalt und Gefährdung der Staatssicherheit aufgefallen. "Der mutmaßliche Täter hat sich zeitweise in Schweden aufgehalten", sagte schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson auf der Pressekonferenz. Er war der dortigen Polizei nicht bekannt.
Was ist das Motiv?
Aus Ermittlerkreisen heißt es, der Schütze könnte von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) inspiriert worden zu sein. Dafür spricht ein Video in den sozialen Netzwerken, in dem sich eine Person als Angreifer ausgibt und behauptet, vom IS inspiriert zu sein. Dem werde nun nachgegangen, hieß es von den Behörden. Ein weiteres Video, das auf der Webseite der flämischen Zeitung "Het Laatste Nieuws" veröffentlicht wurde, soll die Tat zeigen. Darauf ist zu sehen, wie der mutmaßliche Schütze in einer orangefarbenen Neonjacke eine automatische Waffe schultert und auf einem Motorroller davonfährt. Parallel sind mindestens vier Schüsse zu hören.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, das der Mann die zwei Menschen aufgrund ihrer Nationalität getötet hat. Dafür spricht ein Bekennervideo, in dem der mutmaßliche Täter genau das sagt. Hintergrund der Tat könnten die Koranverbrennungen in Schweden und Dänemark sein. Für die skandinavischen Länder hatte all das diplomatischen Ärger nach sich gezogen.
Wo ist der mutmaßliche Schütze nun?
Nach den Schüssen am Montagabend war der Täter zunächst auf der Flucht, wurde aber am nächsten Morgen von der Polizei in einem Café im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek aufgespürt und niedergeschossen.
Darauf folgten widersprüchliche Angaben. Ob es sich dabei um den Täter handelte, war zunächst nicht ganz klar. Allerdings sei eine automatische Waffe bei ihm gefunden worden, die wohl auch bei dem Angriff am Vorabend verwendet worden war, berichtet die Zeitung "Le Soir" unter Berufung auf Innenministerin Verlinden.
Unklar war zunächst auch, ob der mutmaßliche Täter bei dem Polizeischuss ums Leben kam oder nicht. Belgiens Innenministerin Annelies Verlinden zufolge wurde der Mann ins Krankenhaus gebracht, wo er reanimiert werden sollte. Die Versuche blieben allerdings erfolglos, der Mann wurde am frühen Vormittag für tot erklärt.
Wie reagiert Europa auf den Vorfall?
Belgiens Regierungschef Alexander de Croo sprach dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson nach dem "feigen Attentat auf zwei schwedische Bürger in Brüssel" sein Beileid aus. "Als enge Partner ist der Kampf gegen den Terrorismus ein gemeinsamer Kampf", sagte er.
Kristersson rief seine Landsleute in Belgien zur Vorsicht und Wachsamkeit auf. Schwedens Außenminister Tobias Billstrom sagte, er sei "erschüttert angesichts der Nachricht, dass heute Abend zwei schwedische Fußballfans in Brüssel ermordet wurden und eine dritte Person schwer verletzt wurde" und betonte, die schwedischen Behörden arbeiten eng mit den belgischen zusammen, um den Mörder zu finden.
Der Nationaltrainer der schwedischen Fußballmannschaft, Janne Andersson, zeigte sich betroffen und emotional. "In was für einer Welt leben wir?", fragte er und fügte hinzu: ""Ich werde so traurig. Als Schwede... tut es mir sehr leid. In der Pause sollte ich mich gut mit den Spielern unterhalten, aber als ich das hörte, fing ich fast an zu weinen."
Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einem "islamistischen Terroranschlag" und erklärte, Europa sei "erschüttert". "Vor wenigen Minuten wurde Brüssel erneut von einem islamistischen Terroranschlag getroffen, der offenbar (...) mindestens zwei weiteren Europäern, zwei Schweden, das Leben gekostet hat", sagte Macron und verwies auch auf die Ermordung des Lehrers Dominique Bernard an einem Gymnasium in Arras in Nordfrankreich durch einen radikalisierten Jugendlichen am vergangenen Freitag.
Frankreich reagierte zudem mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen für das Testländerspiel der französischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Schottland. Die Zahl der eingesetzten Polizisten für das Spiel am Dienstagabend in Lille nahe der Grenze zu Belgien werde verdoppelt, kündigte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin am Spieltag in Paris an. Außerdem würden die Grenzkontrollen zu Belgien verstärkt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte am Abend das "abscheuliche Attentat" und sprach den Familien der Opfer ihr Beileid aus.