Raster-Behandlung: Depressionen haben zugenommen, der Umgang damit soll vereinfacht werden

26.05.2021 11:41

Anstelle individueller Diagnosen und Behandlungen soll in der Psychotherapie eine Versorgung nach Rastern über die Behandlungsdauer von Patient:innen entscheiden. Betroffene sowie die Bundespsychotherapeutenkammer wehren sich.

Die Corona-Pandemie ist wohl an niemandem ohne Einbußen in der Lebensqualität vorbeigegangen. Deutlich mehr Menschen als zuvor haben sich professionelle Hilfe bei Therapeut:innen gesucht. Doch damit soll nun Schluss sein. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schwebt eine effizientere Lösung vor, er will die Herangehensweise für die Beratung von Psychisch-Kranken drastisch verändern. 

Ein Raster soll entscheiden, wem welche Behandlung zusteht. 2018, weit vor der Pandemie, hatte Spahn den Plan entworfen, über ein Terminservice- und Versorgungsgesetz die Vergabe von Psychotherapieplätzen neu zu regeln, um Wartezeiten für einen Therapieplatz zu verkürzen. Nun soll ein neuer Ansatz helfen – eine Ergänzung im Sozialgesetzbuch um folgenden Satz: "Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft bis zum 31. Dezember 2022 unter Berücksichtigung der Versorgung nach Absatz 6b, wie die Versorgung von psychisch kranken Versicherten bedarfsgerecht und schweregradorientiert sichergestellt werden kann."

Auch die Bundespsychotherapeutenkammer protestiert aufs Schärfste

Die Verordnung kündigt starke Einschnitte für Betroffene und Therapeuten an: Eine Beratung soll nicht wie bislang individuell stattfinden. Stattdessen will Spahn grobe Raster festlegen, die besagen, wem wie lange welche Leistungen von der Krankenkasse beim Psychotherapeuten zustehen. Die Pauschalisierung von psychischen Erkrankungen erscheint den Betroffenen lachhaft. Wie bei jeder anderen Krankheit brauche es eine individuelle Anamnese. Via Twitter wurde deutliche Kritik laut.

"Das ist holzschnittartige Psychotherapie, oberflächlich und lückenhaft", kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), in einer Pressemitteilung am 17. Mai die geplanten Eingriffe in die Therapieentscheidungen von Psychotherapeut:innen, die in letzter Minute in das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) eingefügt wurden. 

Eine Petition auf dem Portal change.org hat inzwischen knapp 70.000 Unterschriften zusammengetragen. Die Reaktionen bei Twitter verdichteten sich zu einem Shitstorm von Betroffenen, die mit Metaphern versuchen, dem Bundesgesundheitsminister die Tragweite seiner Entscheidung zu erklären. Auch auf Instagram äußern sich immer mehr Menschen, die mit ihrer Expertise zum Thema Depression große Follower-Zahlen erreicht haben. Die Einschätzung zu dem geplanten Vorgehen lautet bei allen gleich: So geht es nicht!

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