Der Wirtschaftsminister will afrikanischen Ländern auf Augenhöhe begegnen, anders als China. Das sei auch wegen der deutschen Kolonialgeschichte ein "moralischer Imperativ".
Das war dann plötzlich die Schlagzeile an diesem Tag der Afrika-Reise des Wirtschaftsministers: Habeck warnt vor "grünem Energie-Imperialismus". Es sei "das Letzte, was wir akzeptieren dürfen, so hatte er es beim Besuch in Namibia gesagt. Alles andere würde bedeuten, dass Namibia Energie entwickele, Europa oder Deutschland sie absauge und das Land fürderhin allein lasse.
Natürlich war es zuvor ausgiebig um "Hyphen" gegangen, jenes knapp 10 Milliarden schwere Investitionsprojekt mit deutscher Beteiligung, um die großen Chancen für die Wasserstoffgewinnung auf Basis von Erneuerbarer Energie – auch und gerade für Deutschland. Darum geht es schließlich auf dieser Reise samt Wirtschaftsdelegation ins südliche Afrika.
Neuer Zungenschlag
Jetzt also ein neuer Zungenschlag. Deutschland unterbreite Namibia ein Angebot, das sich vielleicht von anderen, "energiehungrigen" Ökonomien unterscheide, sagte Habeck. Klar, wer gemeint ist: China, das in ganz Afrika Länder mit Rohstoff- und Energieverträgen in neue Abhängigkeiten führt, das auf dem ganzen Kontinent vor allem eines tue: absaugen.
Deutschland wähle bewusst einen anderen Weg. Alles, was in Namibia passiert, geschehe in erster Linie für die Menschen, erklärte Habeck. Deutschland wolle, dass sich das Land stärker entwickele, dass die Menschen qualifiziert würden, Jobs fänden und die Arbeitslosigkeit sinke. Die Energieversorgung für Namibia und das Nachbarland Südafrika könne robuster und klimafreundlicher werden. Und was dann, ganz am Ende noch übrigbleibe, wolle Deutschland gern nehmen. In Form von grünem Ammoniak, das sich per Schiff transportieren ließe.
Ein Hauch von Kant weht durch Windhuk
Bloß nicht auftrumpfen, bescheidene Partnerschaft, das soll die Botschaft sein. Und während in Teilen der deutschen Wirtschaftsdelegation schon leichtes Murren zu vernehmen war, wofür man denn mitgekommen sei auf diese Reise des Ministers, griff Habeck noch mal ganz hoch ins philosophische Regal und plötzlich wehte ein Hauch von Kant durch Windhuk, als er hinzufügte: So zu handeln, sei ein "ethischer Imperativ".
Kleiner hat er es gerade nicht. Kleiner geht es vielleicht auch nicht. Nicht mit der deutschen Kolonialgeschichte in Namibia, das damals Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts für kurze Zeit Deutsch-Südwestafrika hieß. Darum geht es nicht kleiner, nicht für ihn und nicht so kurz nachdem er gemeinsam mit Katja Keul, der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, am Mahnmal für die zwischen 1904 und 1908 von Deutschen ermordeten Herero und Nama ein Blumengesteck niedergelegt hat.
"Ihr Blut wässert unsere Freiheit"
Oben zwei Figuren, ein Mann, eine Frau, die ihre gesprengten Ketten in den Himmel recken, unten ein Relief, drei Toten am Galgen, gehängt von zwei Männern der deutschen "Schutztruppe". Dazu die Inschrift: "Ihr Blut wässert unsere Freiheit".
Habeck war danach ins benachbarte Unabhängigkeits-Museum gegangen, einem Monumentalbau, den ausgerechnet Nordkorea für Namibia errichtet hat, für eine geraffte Führung durch die letzten 150 Jahre namibische Geschichte. Er schaute den Freiheitskämpfern der verschiedenen Generationen ins Gesicht. Von Jan Jonkers über Henrik Witbooi bis hin zu Sam Nujoma, dem ersten Präsidenten. Vor einer Wand mit Fotos der deutschen Verbrechen blieb Habeck lange stehen. Er wollte nicht zu nah herangehen, und musste sich doch weit vorbeugen. Die Fotos zeigten Soldaten der "Schutztruppe", abgetrennte Schädel, deutsche Konzentrationslager in Namibia – und auch ein Foto mit der Galgen-Szene vom Mahnmal.
Das Thema ist nicht neu für ihn. Dieser erste deutsche Genozid sei ihm im Leben immer wieder mal begegnet, sagte Habeck. Es habe immer wieder Phasen gegeben, in den er sich damit befasst, Studien und Bücher gelesen habe. "Herero", den dicken Wälzer von Gerhard Seyfried, "Morenga", den Roman von Uwe Timm. Als das Buch im Jahr 2000 zu Timms 80. Geburtstag neuaufgelegt wurde, hatte der Schriftsteller Timm den Schriftsteller Habeck gebeten, ein Nachwort zu schreiben.
"Ich weiß das alles", sagt Habeck leise, er kennt die Fotos und Geschichten, "aber es ist schon noch mal etwas anderes, wenn man dann hier so davorsteht." Er weiß auch, dass das alles zuhause in Deutschland viel zu selten Thema ist. Namibia steht nicht gerade im Mittelpunkt deutscher Politik. Und so ist Habeck, es hat ihn selbst gewundert, der ranghöchste deutsche Regierungspolitiker, der das Land besucht hat – seit Bundeskanzler Helmut Kohl. Das war im Jahre 1995.
Der Minister ist samt Tross inzwischen weitergereist ins benachbarte Südafrika. Hier will er am Mittwoch eine Wirtschaftskonferenz eröffnen.