Sparen beim Bürgergeld? Wie armselig!

06.12.2023 10:39

Um das Haushaltsloch zu stopfen, soll als Erstes die Bürgergeld-Erhöhung gestrichen werden. So fordern es Union und FDP. Das könnte teuer werden.

Was an dieser Bürgergeld-Debatte am meisten nervt? Dass sie mich dazu zwingt, einen reflexhaften, altlinken, geradezu "Neues Deutschland"-haften Kommentar wie diesen hier zu verfassen. Seht her, liebe Kinder, so ist er, der böse Kapitalismus! Vielen Dank auch, Markus Söder.

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef ist am Wochenende zu einer Erkenntnis gelangt, die vor ihm auch schon der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Serai geäußert haben. Sie lautet: Wir können uns die geplante Bürgergeld-Erhöhung einfach nicht mehr leisten.

Der Staat muss wegen des heftigen Karlsruher Urteils allein im kommenden Jahr 17 Milliarden Euro aus dem ursprünglich geplanten Haushalt streichen. Und was fällt ihm da natürlich sofort ein: eine Kürzung der Sozialausgaben. Der Staat kann wegen der selbst auferlegten Schuldenbremse nicht einfach mehr Kredite aufnehmen. Und er kann auf gar keinen Fall die Steuern erhöhen, denn das hat Christian Lindner schließlich den Wählern der FDP ganz fest versprochen. Die letzten fünf Prozent darf er jetzt nicht auch noch vergraulen. Sorry, liebe Bürgergeldempfänger! 

Doch, doch, der Kanzler hat gewiss weiterhin ganz viel "Respekt". Nur Geld, das hat er eben nicht mehr so viel. Und das wenige, was er noch verteilen kann, ist längst anderen versprochen worden.

Sollen etwa die Chip-Konzerne leer ausgehen?

Wer denkt denn an die armen Chip-Konzerne, die wir mit Hilfe von zehn Milliarden Euro Subventionen dazu bewegen müssen, ihre Halbleiter-Werke in deutschen Landen zu errichten? Und was soll nur aus den Hunderttausenden Hauseigentümern werden, die sich dank Habecks Heizungsgesetz ab dem kommenden Jahr teure Wärmepumpen zulegen müssen? Sollen die jetzt etwa leer ausgehen, nur damit die Bürgergeldempfänger 61 Euro mehr im Monat bekommen? 

Um diesen Betrag soll der Regelsatz im Januar steigen. Das hat nicht etwa der Heilige Hubertus nächtens in seinem Sozialministerium erwürfelt, das ist das Ergebnis eines komplexen Verfahrens – dem im Vermittlungsausschuss auch die unionsgeführten Bundesländer zugestimmt haben. Aber: neue Fakten, neue Meinung. Und angesichts eines 17 Milliarden Euro tiefen Haushaltsloches sind 4,5 Milliarden Euro Mehrkosten ein ziemlich gewichtiger Fakt. So viel kostet der höhere Regelsatz den Staat im Jahr. Oder eben nicht. Dann wäre ein Viertel des Loches auf einen Schlag gestopft. Das ist – wenn man mal kurz davon absieht, dass es rechtlich nicht möglich wäre, die Erhöhung komplett zu streichen – natürlich sehr verlockend.

18 Euro wirken bescheiden, zwölf Prozent klingen vermessen

Das ist auch der Grund dafür, warum wir jetzt stattdessen über Verhältnismäßigkeit sprechen müssen. 61 Euro sind schließlich nicht einfach nur zwei Euro mehr am Tag, zumal das Bürgergeld auch dann in Summe nur auf tägliche 18 Euro steigt. Für Brot und Milch, Schuhe, Wintermantel, Briefmarken und Strom. 18 Euro – das wirkt bescheiden. Zwölf Prozent klingen dagegen vermessen. Zwölf Prozent klingen wie: Wer soll da noch arbeiten? 

Nicht falsch verstehen, man kann das alles ändern. Es mag rechtlich zulässig sein, die Erhöhung zu verschieben. Es ist nicht verboten, mehr "Fördern und Fordern" zu verlangen. Man kann auch diskutieren, ob ukrainische Flüchtlinge wirklich sofort Bürgergeld beziehen müssen. Aber wenn wir schon über Verhältnismäßigkeiten sprechen, warum dann nicht zur Abwechslung mal über diese: 1,5 Prozent der Deutschen besitzen 3600 Milliarden Euro. 1,5 Prozent besitzen damit mehr als 90 Prozent aller Deutschen zusammen. 

Ich weiß, da kann man leider überhaupt nichts machen. Also bleibt uns wieder nur eines übrig: Sobald es eng wird, diskutieren wir lieber über die paar Kröten, die wir gnädigerweise den Ärmsten der Gesellschaft zugestehen. Oder eben nicht. Weil wir es uns nicht mehr leisten können? Im kommenden Jahr finden im Osten drei Landtagswahlen statt. Deren Ergebnisse könnten uns weit teurer zu stehen kommen.

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