Trump warnt seine Partei, mit Abtreibung Wahlkampf zu machen. Er könnte Recht behalten

19.09.2023 11:54

Donald Trump ist nicht dafür bekannt, auf den Mund gefallen zu sein. Umso mehr fällt es auf, dass der Ex-Präsident das Thema Abtreibung am liebsten meidet. Im Wahlkampf richtet er dazu nun eine Warnung an die eigene Partei.

Abtreibungen sind in den USA ein Reizthema. Seit der Oberste Gerichtshof das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche vor rund einem Jahr gekippt hatte, tobt ein erbitterter Kampf zwischen jenen, die für ein Recht auf Abtreibung ("Pro Choice") und jenen, die dagegen sind (Pro Life"). Eine Spaltung, die wie bei so vielen Themen in den Vereinigten Staaten, entlang der Parteilinien verläuft.

Umso auffälliger ist es, dass ausgerechnet der Mann in der Debatte schweigt, der selbst maßgeblich für diese mitverantwortlich ist: Donald Trump.

Während der Republikaner vor seiner ersten Präsidentschaftskandidatur das Abtreibungsrecht noch unterstützte, berief er als Präsident drei konservative Richter an den Supreme Court, die das entscheidende Grundsatzurteil aufhoben. Das fast 50 Jahre geltende Recht auf Schwangerschaftsabbrüche war Geschichte, der Weg frei für ein Revival als Wahlkampfthema. Ein Thema, das die Konservativen kritische Stimmen in den Zwischenwahlen 2022 kostete. Und eines, das die Demokraten mit Blick auf die Wahlen 2024 noch größer machen wollen.

Trump hingegen, der nicht gerade dafür bekannt ist, auf den Mund gefallen zu sein, schlägt seit der Verkündung seiner Kandidatur um jede Frage zum Abtreibungsthema einen großen Bogen. Als er nun in einem aufsehenerregenden TV-Interview erneut aufgefordert wurde, Stellung zu beziehen, richtete er eine deutliche Warnung an seine eigene Partei.

Donald Trump über Abtreibungsrecht: "Ihr werdet bei diesem Thema nicht gewinnen"

Gefragt nach seiner Position in der polarisierenden Abtreibungsdebatte, tänzelte der Ex-Präsident zu Gast in der NBC-Sendung "Meet the Press" am Sonntag zunächst wie gewohnt umher. Statt sich auf eine Standardanzahl von Wochen festzulegen, nach denen Abtreibungen illegal wäre, betonte Trump sein Interesse daran, als "Vermittler" zwischen "beiden Seiten" eine Einigung zu erzielen. "Ich denke, sie werden mich alle mögen", sagte der 77-Jährige. "Ich denke, beide Seiten werden mich mögen."

"Wir werden uns auf eine Anzahl von Wochen oder Monaten einigen, oder wie auch immer Sie es definieren wollen", sagte Trump. "Und beide Seiten – und das ist eine große Aussage – beide Seiten werden zusammenkommen. Und zum ersten Mal in 52 Jahren werden wir das Thema hinter uns lassen können." Als TV-Moderatorin Kristen Welker ihn daraufhin fragte, ob eine solche Einigung auf Landes- oder Bundesebene stattfinden würde, wich Trump erneut aus: "Es könnte auf der Ebene der Bundesstaaten oder auf Bundesebene passieren", antwortete er vage. "Es ist mir, offen gesagt, egal."

Gleichzeitig kritisierte er Mitglieder seiner eigenen Partei dafür, "sehr unartikuliert über dieses Thema zu sprechen". "Ich beobachte einige von ihnen ohne die Ausnahmen usw. usw.", sagte er und bezog sich dabei auf jene, die keine Ausnahmen für Abtreibungen in Fällen von Vergewaltigung und Inzest unterstützen. Wie etwa sein Top-Rivale, Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Auf die Frage, ob dieser zu weit gegangen sei, indem er ein sechswöchiges Abtreibungsverbot unterzeichnete, antwortete Trump: "Ich denke, was er getan hat, ist eine schreckliche Sache und ein schrecklicher Fehler." Noch deutlicher wurde er mit Blick auf den republikanischen Wahlkampf: "Ich sagte: 'Außer in bestimmten Teilen des Landes könnt ihr nicht – werdet ihr nicht bei diesem Thema gewinnen.'"

Wo Pence, DeSantis und Co. in der Abtreibungsfrage stehen

Trumps Äußerungen machen deutlich, vor welcher Herausforderung die republikanischen Präsidentschaftskandidaten in der Abtreibungsfrage stehen. Auf der einen Seite feiert die konservative Basis die Aufhebung des Grundsatzurteils "Roe v. Wade" noch immer als wichtigen Sieg in einem jahrzehntelangen Kampf. Auf der anderen Seite steht die allgemeine Wählerschaft, die Abtreibungsrechte in einem gewissen Rahmen unterstützt. Auf beide ist die "Grand Old Party" bei ihrer Rückeroberung des Weißen Hauses angewiesen – ein schwieriger Spagat für die Konservativen.

Es fällt daher auf, dass sich kein republikanischer Kandidat so klar in der Debatte positioniert wie der ehemalige Vizepräsident Mike Pence. "Donald Trump entfernt sich immer weiter von dem lebensfreundlichen Erbe unserer Regierung", kritisierte Pence, der ein bundesweites Abtreibungsverbot nach 15 Wochen befürwortet, die Äußerungen seines Ex-Chefs. "Es gibt keine Verhandlungen, wenn es um das Leben der Ungeborenen geht. Wir werden nicht ruhen, wir werden nicht nachgeben, bis die Unantastbarkeit des Lebens in jedem Bundesstaat wieder in den Mittelpunkt des amerikanischen Rechts gerückt ist."

Auch Floridas Gouverneur DeSantis und Polit-Newcomer Vivek Ramaswamy gelten als Hardliner in der Abtreibungsfrage. "Ich bin ein Pro-Life-Gouverneur gewesen. Ich werde ein Pro-Life-Präsident sein", so DeSantis. Zwar umschiffen beide – ähnlich wie Trump – Fragen nach einem nationalen Verbot, sprechen sich jedoch für strikte Sechs-Wochen-Verbote auf Staatenebene aus.

Andere Kandidaten, wie die frühere UN-Botschafterin Nikki Haley und der ehemalige Gouverneur von New Jersery Chris Christie, verfolgen hingegen moderatere Ansätze und warnen vor politischen Rückschlägen verschärfter Abtreibungsgesetze. Haley, die sich selbst als "unmissverständlich Pro Life" bezeichnet, mahnte ihre Partei, dass bei der Verfolgung eines bundesweiten 15-Wochen-Verbots "alle vor uns weglaufen" würden. Republikaner und Demokraten müssten in der Abtreibungsdebatte einen Konsens finden, betonte Christie.

Abtreibungsrecht spaltet Republikaner und Demokraten

Im Gegensatz zu den Republikanern hat sich das Abtreibungsrecht für die Demokraten als erfolgreiches Wahlkampfthema entpuppt. Während das Supreme-Court-Urteil für verschärfte Abtreibungsgesetze in 14 republikanisch regierten Bundesstaaten sorgte, führte es gleichzeitig zu einer Welle wütender Proteste von "Pro Choice"-Befürwortern. Eine Wut, die die Partei von US-Präsident Joe Biden bei den Kongresswahlen vergangenen Herbst für sich nutzen konnten. Seither haben Wählerinnen und Wähler im ganzen Land eine Reihe von Volksabstimmungen abgelehnt, die die Hürden für striktere Abtreibungsgesetze gelockert hätten – einige davon in tiefrepublikanischen Staaten.

Der Trend gibt den Demokraten Hoffnung. Es ist kein Geheimnis, dass die Partei das Abtreibungsrecht als eines ihrer Top-Themen in den Wahlkampf 2024 tragen wird. Immer wieder kritisiert Biden die Positionen der Republikaner in Wahlwerbespots als "extrem" und "menschenfeindlich". Und der Präsident macht keinen Hehl daraus zu verbergen, wer seiner Ansicht nach für die aktuelle Situation verantwortlich ist. "Diese Anzeige erinnert die Wähler in Staaten, die einige der extremsten Abtreibungsverbote erlassen haben, an Trumps Schlüsselrolle bei der Ernennung konservativer Richter, die dafür gestimmt haben, Roe v. Wade zu kippen", bringt es Bidens Wahlkampfmanagerin Julie Chavez Rodriguez gegenüber "CNN" auf den Punkt.

Mit einer Sache dürfte Trump demnach Recht behalten. Die Republikaner werden beim Thema Abtreibungen nicht gewinnen.

 

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