Ü50 – DIE MÄNNERKOLUMNE „Das letzte Kind hat immer Fell“

14.03.2019 17:14

Die Frau blickt voller Zärtlichkeit zu mir herüber. Ich denke: „Huch, will die etwa Sex?“
Aber ich hatte bloß das Hundebaby auf dem Schoß.

★★★

Letzte Woche habe ich vom frisch bei uns eingezogenen Hundemädchen Jule (7 Monate) berichtet, heute wird darüber zu reden sein, wie diese kleine, verfresse­ne, in die Wohnung pinkeln­de, aber äußerst niedliche Fellnase mein altes Leben in wenigen Atemzügen weg­geschnüffelt hat.

Als Mann über 50 bin ich auf geruhsamen Nacht­schlaf angewiesen, der am Morgen idealerweise in drei Bechern Kaffee und 45 Minuten Zeitungslektüre verklingt. Seit gut einer Woche ent­FELLT diese schöne Abfolge angenehmer Tätigkeiten aus verschiedenen winselnden, jaulenden und am Bett krat­zenden Gründen.

Zudem ist es gar nicht so einfach, sich auf die Zeitung zu konzent­rieren, wenn es um einen herum wufft, schwanzwedelt und auch der nackte Zeh ver­störende Signale sendet: dass gerade jemand an ihm her­umkaut nämlich!

Offenbar wippe ich beim Barfuß­lesen mit dem Fuß, was ein gewisses Raubtier als Auffor­derung versteht, seine Jagdinstinkte an meinem großen Onkel zu schärfen.

Aber zum Glück hat es die Natur so eingerichtet, dass Hundekinder wirklich unfassbar süß sind. Man ver­zeiht ihnen einfach alles. So ähnlich wie diesen an­deren Wesen, die einem das Universum für den Rest des Lebens aufs Au­ge gedrückt hat. „Ja ja“, murmelte der Tierarzt, als er unser jüngstes Famili­enmitglied begutachtete. „Das letzte Kind hat im­mer Fell.“

Aber ich will gar nicht jammern. Noch vor wenigen Wochen beschwerte ich mich über eine latente Sinnlosigkeit, die das Leben über 50 heimsuchen kann. Dieses Problem ist gelöst! All mein Denken kreist ak­tuell nur noch um ganz kon­krete Fragen:

▶︎ Wann muss der Hund?

▶︎ Wie halte ich ihn davon ab, unsere Katzen durch die Bude zu jagen?

▶︎ DAS WIRD DOCH HOFFENTLICH NICHT MEIN LADEKABEL SEIN, WELCHES DIE BESTIE GERADE ZERKAUT?

Auch in mein Liebesleben hat der Hund ruck­-zuck Ordnung gebracht. Sie kennen sicherlich diese, nun, nennen wir es einfach „Imbalance der Bedürfnis­se“, die sich nach dem ein oder anderen Jahrzehnt in die Beziehung schleicht:

▶︎ Der Mann will Sex, die Frau ihre Ruhe.

▶︎ Die Frau will Sex, aber in Form von Schokolade.

▶︎ Beide wollen Sex, aber sie lieber mit Ryan Gosling.

Der Hund hat das für uns geklärt. Niemand will mehr Sex. Sobald „Babybell“ sich im Körbchen zusammenrollt, fallen die Frau und ich er­schöpft aufs Sofa und in ko­matöse Nickerchen. Sie wis­sen schon: Weil da gleich wieder jemand winselt, jault, kratzt und auf den Teppich pinkelt.

Quelle