Die Frau blickt voller Zärtlichkeit zu mir herüber. Ich denke: „Huch, will die etwa Sex?“
Aber ich hatte bloß das Hundebaby auf dem Schoß.
★★★
Letzte Woche habe ich vom frisch bei uns eingezogenen Hundemädchen Jule (7 Monate) berichtet, heute wird darüber zu reden sein, wie diese kleine, verfressene, in die Wohnung pinkelnde, aber äußerst niedliche Fellnase mein altes Leben in wenigen Atemzügen weggeschnüffelt hat.
Als Mann über 50 bin ich auf geruhsamen Nachtschlaf angewiesen, der am Morgen idealerweise in drei Bechern Kaffee und 45 Minuten Zeitungslektüre verklingt. Seit gut einer Woche entFELLT diese schöne Abfolge angenehmer Tätigkeiten aus verschiedenen winselnden, jaulenden und am Bett kratzenden Gründen.
Zudem ist es gar nicht so einfach, sich auf die Zeitung zu konzentrieren, wenn es um einen herum wufft, schwanzwedelt und auch der nackte Zeh verstörende Signale sendet: dass gerade jemand an ihm herumkaut nämlich!
Offenbar wippe ich beim Barfußlesen mit dem Fuß, was ein gewisses Raubtier als Aufforderung versteht, seine Jagdinstinkte an meinem großen Onkel zu schärfen.
Aber zum Glück hat es die Natur so eingerichtet, dass Hundekinder wirklich unfassbar süß sind. Man verzeiht ihnen einfach alles. So ähnlich wie diesen anderen Wesen, die einem das Universum für den Rest des Lebens aufs Auge gedrückt hat. „Ja ja“, murmelte der Tierarzt, als er unser jüngstes Familienmitglied begutachtete. „Das letzte Kind hat immer Fell.“
Aber ich will gar nicht jammern. Noch vor wenigen Wochen beschwerte ich mich über eine latente Sinnlosigkeit, die das Leben über 50 heimsuchen kann. Dieses Problem ist gelöst! All mein Denken kreist aktuell nur noch um ganz konkrete Fragen:
▶︎ Wann muss der Hund?
▶︎ Wie halte ich ihn davon ab, unsere Katzen durch die Bude zu jagen?
▶︎ DAS WIRD DOCH HOFFENTLICH NICHT MEIN LADEKABEL SEIN, WELCHES DIE BESTIE GERADE ZERKAUT?
Auch in mein Liebesleben hat der Hund ruck-zuck Ordnung gebracht. Sie kennen sicherlich diese, nun, nennen wir es einfach „Imbalance der Bedürfnisse“, die sich nach dem ein oder anderen Jahrzehnt in die Beziehung schleicht:
▶︎ Der Mann will Sex, die Frau ihre Ruhe.
▶︎ Die Frau will Sex, aber in Form von Schokolade.
▶︎ Beide wollen Sex, aber sie lieber mit Ryan Gosling.
Der Hund hat das für uns geklärt. Niemand will mehr Sex. Sobald „Babybell“ sich im Körbchen zusammenrollt, fallen die Frau und ich erschöpft aufs Sofa und in komatöse Nickerchen. Sie wissen schon: Weil da gleich wieder jemand winselt, jault, kratzt und auf den Teppich pinkelt.