Urlaub als Patchworkfamilie: Eine Familientherapeutin gibt Tipps

16.03.2019 07:35

Wer mit "meinen" und/oder "deinen" Kindern verreist, freut sich auf Gemeinsamkeit und erlebt oft Frust. Katharina Grünewald, Familientherapeutin in Köln, berät Patchworkfamilien – auch in Ferienfragen

Frau Grünewald, gibt es in Patchworkfamilien mehr Streit im Urlaub?

Statistisch kann ich das nicht belegen. Aber sicher sind diese Tage oft mit Erwartungen überfrachtet: Alle wollen Spaß und Erholung. Die Eltern freuen sich, endlich alle Kinder um sich zu haben, und hoffen, dass sie sich untereinander verstehen. Die Kinder sehnen sich nach der Zuwendung von Eltern, die sie sonst nicht so oft sehen. Läuft dann etwas schief, ist die Enttäuschung groß.

Was sind typische Konflikte?

Die Kinder haben meist unterschiedliche Interessen. Die einen sind vielleicht Langschläfer und wollen vor allem baden, die anderen sind lieber ständig unterwegs und empfinden den neuen Familienteil als träge. Das führt für Kinder wie Eltern zu Loyalitätsproblemen: Darf ich mit der neuen Frau Spaß haben oder verrate ich meine Mutter? Halte ich zu meinem Kind und bleibe mit ihm am See oder sorge ich für die Ausflüge, die die Liebste sich wünscht?

Und, was raten Sie?

Kompromisse dürfen nicht zu groß werden. Natürlich soll die zusammengewürfelte Familie gemeinsame Erfahrungen mitnehmen. Ich empfehle aber auch getrennte Unternehmungen. Dann haben Kinder »ihren« Elternteil ganz für sich, auch dafür muss Zeit sein.

Kommt sonst Eifersucht auf?

Das kommt auch unter leiblichen Geschwistern vor. In Patchworkfamilien müssen sie aber neu lernen, einerseits Rücksicht aufeinander zu nehmen, andererseits sich selbstständig um sich zu kümmern. Gerade wenn die Altersunterschiede zwischen den Kindern groß sind, weil die Eltern noch ein gemeinsames Baby bekommen haben. Die sitzen dann vielleicht im Hotelzimmer fest, weil das Kleine schläft, und die Großen hatten sich umsonst darauf gefreut, ihre Surfkünste zu zeigen. Das führt zu Frust und Überanstrengung.

Wie lässt sich das vermeiden?

Kinder entwickeln Verständnis für die Nöte ihrer Patchworkeltern, wenn sie das Gefühl haben, ihre Bedürfnisse werden auch gesehen. Sie müssen bei der Urlaubsplanung beteiligt sein. Ihre Wünsche sollten gehört und, wo möglich, berücksichtigt werden. Umgekehrt sollten Eltern vorab erklären, wie viel Zeit sie für die anderen Geschwister brauchen – und auch für sich als Paar. Fühlen sich die Kinder ernst genommen, lassen sie sich leichter auf die neuen Geschwister und den neuen Partner ein.

Urlaub ist also Verhandlungssache?

Wenn alles seinen Platz hat und jeder sich drauf einstellen kann, braucht man im Akutfall nicht darum zu kämpfen. Man kann bei dem Wunsch des anderen auch Spaß haben, und es entwickelt sich eine unbelastete Beziehung. Schwierig wird es, wenn man unvorbereitet in Konflikte hineinschlittert. Womöglich schon im Auto: Wer sitzt wo? Teenager, die üblicherweise neben dem Fahrer sitzen, fühlen sich vielleicht verletzt, wenn sie für den neuen Partner weichen müssen. Das muss man ankündigen. Ebenso wie die Bettenaufteilung am Ferienort: Schlafen die Kinder in einem Zimmer, auch wenn sie sich noch nicht so gut kennen? Brauchen die Kleineren jetzt erst recht die Nähe zum leiblichen Elternteil? Schlafen die Kernfamilien erst einmal getrennt? Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wichtig ist, dass sich Eltern und Kinder offen über Wünsche und Grenzen unterhalten.

Sollten Patchworkfamilien daher besser in ein Ferienhaus ziehen?

Dort lässt sich Zusammenleben einfacher testen und organisieren. Aber gute Hotels und Veranstalter organisieren interessante Freizeitangebote für Kinder jeder Altersstufe. Das kann gerade Patchworkeltern sehr entlasten – Urlaub nach dem Motto: Zeit für dich, Zeit für mich, Zeit für uns. Abends treffen sich alle zum Essen, erzählen ihre Erlebnisse und erfahren das beruhigende Gefühl: Zusammen geht es uns gut, auch wenn wir nicht jede Minute miteinander teilen.

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