Verstoß gegen EU-Recht? Juristen wollen Hauskatzen den Freigang verbieten

04.12.2019 14:18

Der Tod auf Samtpfoten ist seit vielen Jahren ein hochemotional diskutiertes Thema zwischen Tierfreunden. Während Vogelschützer auf exorbitant hohe Zahlen getöteter Vögel durch Hauskatzen verweisen, sehen Haustierfreunde – etwa durch Forderungen, die Tiger in der Stube zu lassen – die Freiheit ihrer Lieblinge massiv eingeschränkt.

Neues Feuer in diesem Streit entfacht nun ein Gutachten zweier Juraprofessoren der Universität Tilburg, das in der Fachzeitschrift Journal of Environmental Law veröffentlicht wurde. Die Umweltrechtler Arie Trouwborst und Han Somsen halten die Raubzüge von Hauskatzen für illegal und berufen sich dabei auf gesetzliche Pflichten der EU-Staaten. Dafür führen sie etwa die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union sowie deren sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie an.

Fast 370 Arten durch Hauskatzen bedroht

Demnach seien heimische Arten und ihre Lebensräume zu schützen und potenzielle Bedrohungen zu begrenzen. Katzen wiederum, die vor Jahrtausenden im Nahen Osten domestiziert wurden, fielen nach Auslegen der Rechtsexperten nicht unter den Schutz der europäischen Regelwerke.

Laut Trouwborst und Somsen seien weltweit fast 370 Arten durch Hauskatzen bedroht. Für die Juristen ist deshalb klar: Der Freigang der Tiere muss eingeschränkt werden. „Alle anderen Haustier gehen nicht ohne Besitzer nach draußen, von Hunden bis zu Schlangen“, sagt Trouwborst gegenüber der niederländischen Zeitung Trouw. Die Ausnahmestellung der Katze sei verrückt.

"Katzen während der Brutzeit nicht herumstreunen lassen"

Auch wenn die genauen Zahlen umstritten sind, töten Hauskatzen und verwilderte Hauskatzen tatsächlich Vögel, Echsen, Nager und Co. in relevanter Größenordnung. Bis zu 200 Millionen Vögel pro Jahr sollen in Deutschland betroffen sein, in Großbritannien schätzungsweise 275 Millionen Wildtiere – darunter auch 27 Millionen Vögel. Eine Studie aus den USA kam 2013 zu dem Ergebnis, dass dort jedes Jahr zwischen 1,4 und 3,7 Milliarden Vögel und zwischen 6,9 und 20,7 Milliarden kleine Säugetiere von Katzen erlegt werden.

Experten verweisen allerdings darauf, dass sich aus solchen Zahlen keine wissenschaftlich belastbaren Aussagen über die Gefährdung von Arten treffen lassen. Zudem müsse man differenzieren: „Nur im menschlichen Siedlungsbereich sind Katzen ein ernstzunehmender Faktor, der partiell zu einem Rückgang von Vogelpopulationen führen kann“, schränkt etwa der NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann ein.

Auch Biologe Dr. Hannes Petrischak glaubt, dass die Vielzahl an Katzen dazu führe, „dass sich bodenbrütende Singvögel, aber auch Reptilien im Siedlungsbereich kaum noch ansiedeln können“ – und hofft auf Verständnis bei den Besitzern: „Als Katzenhalter sollte man darauf achten, dass man zumindest in der Brutzeit – also von April bis Juli – die Katzen möglichst nicht frei herumstreunen lässt“, sagt der Leiter des Geschäftsbereichs Naturschutz bei der Heinz Sielmann Stiftung im Gespräch mit GEO (siehe Video). Eine Glocke am Halsband helfe hingegen weder den immobilen Jungvögeln, noch sei sie für das sensible Gehör der Katze zu vertreten.

Die Juristen Trouwborst und Somsen sind sicher, dass eine Klage auf Einhaltung der europäischen Regeln „gute Erfolgschancen“ hätte. Gegenüber dem Spiegel kommentierte eine EU-Sprecher indes, dass niemand das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union beschränken wolle – das gelte auch für Katzen.

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