Warum jetzt ein Verbot der Jungen Alternative diskutiert wird

23.01.2024 10:13

Muss schon bei der Jungen Alternative (JA) angesetzt werden? Jetzt wird auch über ein Verbot der AfD-Nachwuchsorganisation diskutiert. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe. 

Felix A. Cassel hat viele Fragen. Aber im Grunde ist es nur eine: Was die ganze Aufregung soll? Die Aufregung um das konspirative Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremisten in Potsdam, bei dem unter dem beschönigenden Begriff "Remigration" über die zwangsweise Ausweisung ganzer Bevölkerungsgruppen gesprochen wurde. Die Aufregung, die zu einer neuen Debatte um ein Verbotsverfahren gegen die Rechtsaußen-Partei geführt hat. Und ihrer Jugendorganisation "Junge Alternative" (JA).

Also fragt Felix A. Cassel warum denn eigentlich dieses "lange bekannte Konzept" der "Remigration" so plötzlich als "Deporation" geframed werde. Diebisches Grinsen, ironischer Unterton, zu sehen und zu hören in einem Online-Video. Cassel spricht von "aufgebauschten Berichten über ein gemeinsames Abendessen". Unterstellt, das sei doch alles "orchestriert". Und beklagt, die Debatte um ein Verbot der Jungen Alternative sei nur das "Einfallstor", um ein Verbot der Bundespartei auf den Weg zu bringen. 

Der Clip wird eingeführt mit den Worten: "Schon wieder ein Verbot gefordert. Was steckt dahinter?" Als würde es sich um ein Erklärvideo handeln, das die vermeintlichen Fakten klarzieht. Obwohl es die rechtsextremen Tendenzen, die in der Mutterpartei immer unverhohlener zu Tage treten, herunterspielt und marginalisiert.

Cassel ist Vorsitzender der Jungen Alternative Nordrhein-Westfalen. Der Verband wird vom Landesverfassungsschutz seit Kurzem als "Verdachtsfall" geführt, weil "verdichtete Anhaltspunkte" vorlägen, dass die JA "nicht nach demokratischen Spielregeln spielt, sondern das eigene rechtsextremistische Regelwerk vorzieht". Der Verfassungsschutz im Bund hatte die gesamte Jugendorganisation zeitweise als gesichert rechtsextreme Bestrebung eingestuft, dies aufgrund einer Klage aber wieder zurücknehmen müssen. Seitdem wird die JA wieder als Verdachtsfall geführt. Eine Entscheidung in dem Rechtsstreit wird in diesem Frühjahr erwartet.

Während das juristische Urteil noch auf sich warten lässt, wurde das politische zum Teil schon gefällt. Grünen-Co-Chef Omid Nouripour forderte am Sonntag, die Junge Alternative verbieten zu lassen. Im Kampf gegen Rechtsextreme dürfe der Rechtsstaat die "Vorfeldorganisationen" der AfD nicht aus dem Blick verlieren, meint Nouripour. Diese würden eine entscheidende Rolle bei der Vernetzung und dem Erstarken von Hass und Hetze spielen. Thüringens Innenminister Georg Maier von der SPD, der sich auch für die Prüfung eines Verbotsverfahren gegen die gesamte AfD ausspricht, teilt Nouripours Analyse. "Als erster Schritt ist das durchaus sinnvoll", sagte Maier zu einem Verbot. Denn nicht nur die AfD, auch die JA werde immer größer und aggressiver.

Dass nun auch über ein Verbot der Jugendorganisation gesprochen wird, hat im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens: Wer beim radikalen Nachwuchs ansetzt, packt das Problem bei der Wurzel, bevor es weitere Ranken schlägt. So zumindest die Hoffnung. Zweitens: Ein Verbot der JA lässt sich möglicherweise einfacher durchsetzen.

Die rechtlichen Hürden für ein Parteiverbot liegen sehr hoch (mehr dazu lesen Sie hier), bei der Junge Alternative handelt es sich jedoch um keine eigenständige Partei, sondern um einen Verein. Tatsächlich könnte Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein Vereinsverbot aussprechen. Faeser hatte dem SWR gesagt, wenn alle Voraussetzungen vorlägen, könne man einen Verein verbieten. So lautet die eher grundsätzliche Einschätzung der SPD-Politikerin, die zunächst für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD plädiert. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum von der FDP hatte unlängst ebenfalls ein Vereinsverbot ins Spiel gebracht.

Welche Voraussetzungen für ein Vereinsverbot erfüllt sein müssen, ist im Grundgesetz kurz und knapp ausbuchstabiert. Dort heißt es: "Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten". 

Und was, wenn sich der AfD-Nachwuchs praktisch nicht verbieten lässt?

Was das konkret bedeutet – also ob die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot erfüllt sind oder nicht –, muss zunächst politisch beurteilt werden. Das macht die Entscheidung nicht unbedingt einfacher. Denn von politischen Entscheidungen gehen auch politische Signale aus. Kritiker eines Verbotsverfahrens gegen die Bundes-AfD mahnen, dass es auf die Opfererzählung der Rechtsaußenpartei einzahlen könnte, würde man einen solchen Schritt gehen. Zumal ein Scheitern ein PR-Erfolg für die AfD wäre. Die Abwägungen in Bezug auf die JA wären (juristisch) andere, die (politischen) Risiken aber ähnlich gelagert. 

Außerdem: Was würde ein Vereinsverbot bringen? Thüringens Innenminister Maier unterstützt zwar ein Verbot der JA, hegt allerdings Zweifel, ob das Vereinsverbot die AfD wirklich nachhaltig schwächen würde. "Wir haben gesehen, dass der sogenannte 'Flügel' sich von selbst auflöste, ohne dass das negative Folgen für die Wirkmächtigkeit der AfD hatte", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ein Verbot der JA könnte Maier zufolge "relativ schnell" durch neue Strukturen kompensiert werden. Mit anderen Worten: Gut möglich, dass ein Verbot lediglich symbolischen Charakter hätte.

Der 2013 gegründete offizielle Jugendverband der AfD hat nach eigenen Angaben etwa 2000 Mitglieder und wird bereits seit Januar 2019 vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt – es bestünden "ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der JA", bestätigte das Kölner Verwaltungsgericht.

Hauptgrund ist der "ethnisch-kulturelle Volksbegriff" auf der politischen Agenda der AfD-Jugend. Ethnisch "Fremde" sollen zugunsten einer völkischen Reinheit ausgeschlossen bleiben, als beispielhaft nennt der aktuelle Verfassungsschutzbericht das oft geteilte Narrativ vom "Großen Austausch". Kritisch wird nicht nur die enge Vernetzung mit Vereinen wie der "Identitären Bewegung" oder dem "Institut für Staatspolitik" gesehen, die ihrerseits als "Verdachtsfälle" gelten. Als Zeichen für die innere Radikalisierung gilt zudem, dass der Bundesvorstand seit dem Herbst 2022 vom sogenannten solidarisch-patriotischen Lager dominiert wird.

Auch vor diesem Hintergrund dürfte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr "sehr dafür" sein, dass die Sicherheitsorgane sowohl die AfD als auch ihre Jugendorganisation "sehr genau im Blick behalten". Das sei Teil der wehrhaften Demokratie, sagte er am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Allerdings hält es Dürr für nachhaltiger, die Rechtspopulisten inhaltlich zu stellen. Die Ampel müsse eine andere Politik machen, findet er. "Ich halte das für den besseren und stabileren Weg als ein Verbotsverfahren."

 

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