Die Aloe vera hat als „Geschenk der Natur“ und „Kaiserin der Heilpflanzen“ Naturheilgeschichte geschrieben. Die kaktusähnliche Wüstenpflanze soll Jungbrunnen, Lebenselixier und Wundheiler in einem sein. Doch kann eine einzige Pflanze die lange Liste an Versprechen für die Gesundheit halten? Wir haben einen genauen Blick auf die wirkliche Wirkkraft der Aloe vera geworfen.
Schon Alexander der Große zog angeblich nicht ohne Aloe-Bündel in den Kampf, Christoph Kolumbus soll die fleischigen Blätter auf seinen Reisen immer an Bord und Kleopatra dank Wüstenlilie lange straffe Haut gehabt haben. Der Mythos der Heilpflanze Aloe vera ist alt und hält sich beständig.
Heute finden wir Aloe-Zusätze vor allem in kosmetischen Produkten wie Shampoos, Cremes oder Masken. Ihr Name prangt aber auch auf Joghurt-Bechern und Nahrungsergänzungsmitteln. Die frischen Blätter tauchen inzwischen sogar im Supermarkt auf.
Das soll Aloe vera bewirken
Der aus der Blattrinde gewonnene Aloe vera-Saft ist als Arzneimittel zugelassen und das gelartige Mark der Pflanze der ultimative Erste-Hilfe-Tipp bei sonnenstrapazierter, trockener oder von Mücken malträtierter Haut.
Doch kann das Gewächs auch Asthma, Allergien und Arthritis heilen, bei Depressionen helfen, die Auswirkungen einer HIV-Infektion lindern und die Folgen einer Chemotherapie abschwächen? Das behaupten nämlich eingefleischte Aloe vera-Fans und viele Anhänger der Naturheilkunde.
Die Wirkstoffe der Wunderpflanze
Was sich hinter der dicken Schale verbirgt und all die Wunder bewirken soll? Rund 200 verschiedene Substanzen bilden einen Wirkstoffmix, von dem unsere Gesundheit zweifellos profitieren kann: Vitamine, Enzyme, Mineralstoffe, Polysaccharide (Mehrfachzucker), Aminosäuren und ätherische Öle.
Allerdings stecken diese wertvollen Inhaltsstoffe nur in relativ geringer Konzentration im Pflanzenblatt, sodass sich die Frage aufdrängt, was an den Aloe-vera-Verheißungen wirklich dran ist.
Richtig ist: Die wüstenharte Pflanze ist eine echte Überlebenskünstlerin. Dass sie in den trockenen Gebieten der arabischen Halbinsel gut gedeihen kann, verdankt sie ihren kostbaren Inhaltsstoffen und der Möglichkeit, in den dickfleischigen Blättern bis zu einem Liter Wasser zu speichern. Die Idee liegt nahe, die Kraft der Pflanze könnte auch unserer Gesundheit nutzen. Aber: Nicht alles, was der Pflanze beim Überleben hilft, lässt sich so einfach auf den Menschen übertragen.
Wer das gelartige Fleisch der Aloe vera isst oder es sich auf die Haut cremt, wird weder automatisch gesund noch schön. Für die medizinische oder kosmetische Wirkung fehlen auch schlichtweg Belege. Und das nicht etwa, weil Biologen, Mediziner und Ernährungswissenschaftler nicht genügend geforscht hätten. In den letzten Jahren führten sie eine Reihe von klinischen Untersuchungen durch. Keine konnte bestätigen, dass die äußere oder innere Aloe-vera-Anwendung Heilungsprozesse im Körper oder auf der Haut unterstützt.
Lediglich bei Diabetes und Schuppenflechte gab es vereinzelt Hinweise auf positive Effekte. Aber auch bei diesen Krankheiten kommt Aloe vera nur als Ergänzung konservativer Therapien infrage.
Achtung, abführend!
Sicher ist nur: Aloe-vera-Saft befreit von Verstopfungen. Die abführende Wirkung ist die einzige, die der Pflanze wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte. Der entsprechende Extrakt wird aus der Blatthaut gewonnen. Sie ist reich am starkabführenden Naturstoff Aloin, der sehr bitter schmeckt und zu Durchfall führt.
Zu oft zur Hilfe nehmen darf man den Pflanzensaft aber nicht. Längere Einnahmen und Überdosierungen können schwerwiegende Probleme im Wasser- und Elektrolythaushalt, Blutdruckschwankungen, Panikattacken und Nierenentzündungen verursachen. Weil es verträglichere Mittel gibt, hat Aloe-vera-Saft als Abführmittel in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung verloren.
Sicher ist, was man spürt: Das Gel der Aloe vera kühlt und hinterlässt ein gutes Hautgefühl.
Aloe vera für die Haut
Cremes, Gels oder Lotionen mit Aloe vera spenden der Haut Feuchtigkeit und hinterlassen ein angenehm geschmeidiges Hautgefühl. Sie haben sich bei oberflächlichen Kratzern, trockenen Stellen oder bei der Sonnenbrand -Nachsorge bewährt. Risiken oder Nebenwirkungen der äußerlichen Anwendung sind nicht bekannt. Große, offene Verletzungen sollte man mit Aloe-Cremes und -Gels jedoch nicht zukleistern. Die Produkte könnten Reste der Rinde enthalten und die Wunde verunreinigen.
In Shampoos und Waschlotionen bringt die Aloe-Anreicherung der Marke mehr als dem Menschen. Denn diese Pflegeprodukte spülen wir beim Duschen oder Baden so schnell wieder ab, dass die pflanzlichen Inhaltsstoffe nicht einziehen und wenig bewirken können.
Tipp: Beim Kauf industriell hergestellter Aloe-vera-Produkte empfiehlt es sich, auf das Gütesiegel „International Aloe Science Council“ (IASC) zu achten. Die Reinheit der Inhaltsstoffe wurde bei diesen Produkten nach bestimmten Qualitätsstandards überprüft.
So verwenden Sie das Gel
Am besten verwenden Sie das frisch abgeschlagene Blatt. Denn die Inhaltsstoffe liegen hier in ihrer reinsten Form und frei von Zusatzstoffen vor. Um an das Herz aus Gel zu kommen, schält man das Innere aus der wulstigen Blatthaut. Ist alles Grüne weggeschnitten, kann das schleimige Fleisch der Pflanze nach Belieben auf Arme, Beine, Füße oder Gesicht aufgetragen werden.
Für ein erfrischendes Gefühl auf der Haut kann das Gel mehrmals täglich großflächig aufgetragen werden – wichtig ist, dass es komplett einzieht.
Dann ist Aloe keine gute Idee
Wer gerade ein chemisches Peeling oder eine Dermabrasion (ein mechanisches Verfahren, bei dem die Haut abgeschliffen wird) hinter sich hat, sollte keine Aloe vera verwenden. Das Gel kann die Gesichtshaut reizen.
Bei einigen Menschen können Pflegeprodukte mit Aloe vera allergische Reaktionen hervorrufen. Am besten vorher an einer Stelle testen, wie die Haut auf Gel, Creme oder Serum reagiert.
Kann man das Gel auch essen?
Manche Aloe-vera-Gels sind für die innerliche Anwendung bestimmt und gelten als Nahrungsergänzungsmittel. Allerdings sollten Aloe-Fans sie mit Vorsicht genießen: Unsauber verarbeitet, enthalten die Produkte Aloin-Reste und verursachen Durchfall.
Wer gerne Neues ausprobiert, kann das frisch vom Aloe-Blatt „geerntete“ Gel ruhigen Gewissens kosten. Dabei sollte er aber auf grüne oder gelbe Stellen verzichten, die auf den abführenden Pflanzenstoff Aloin hinweisen. Dann schmeckt’s auch besser.