Vor allem aber hilft es mit vorhandenen Krankheiten besser umgehen zu können. Zahlreiche Wissenschaftler haben dies auf einem Kongress in Freiburg aufgezeigt.
Nicht nur Patienten sind auf der Suche nach Heilung, sondern auch Ärzte, Therapeuten und Wissenschaftler. Daneben finden sich Buchautoren, aber auch Heilsversprecher, die nicht selten behaupten, den Stein der Weisen gefunden zu haben.
Selbst für Ärzte ist es nicht immer einfach, aus einem großen Angebot an Medikamenten und Therapien die richtige Wahl für ihre Patienten zu treffen. Insbesondere die Schulmedizin gerät bei vielen Krankheiten an ihre Grenzen.
Die Hirnforschung belegt, dass Mitgefühl unser Immunsystem stärkt. Meditationen zur Stärkung des Selbstmitgefühls können Depressionen und Burn-out lindern und in vielen Fällen heilen.
Neuere Forschungsergebnisse zum Thema Selbstmitgefühl wurden im Rahmen eines internationalen Fachkongresses in Freiburg Mitte Juni 2013 von namhaften Wissenschaftlern, darunter Kristin Neff, Rick Hanson, Paul Grossman, Dr. Britta Hölzel, Dr. Tanja Singer und Stefan Schmidt aufgezeigt.
Mitgefühl für sich selbst entwickeln
Da stellt sich die Frage, wie kann man Selbstmitgefühl und Mitgefühl in den Alltag einer Welt integrieren, die immer stressiger wird? Woher wissen wir, was Selbstmitgefühl und Mitgefühl sind? Schon der Unterschied zwischen Empathie und Mitgefühl ist vielen Menschen nicht wirklich bewusst.
Während Empathie bedeutet, sich in andere hinein zu versetzen, handelt es sich bei Mitgefühl um Fürsorge für andere. Empathie haben auch Psychopathen. Sie können sich oft sehr gut in andere Menschen hineinversetzen, allerdings nicht unbedingt zu deren Wohlergehen.
Mitgefühl setzt voraus, dass man bereit ist, den anderen anzunehmen, ihm sogar Hilfestellung in schwierigen Situationen zu geben, ohne jedoch die Probleme des anderen zu den eigenen zu machen. Mitgefühl ist nicht gleichbedeutend mit Mitleid. Wer mit leidet, kann nicht wirklich helfen.
Weitaus schwieriger ist es, Selbstmitgefühl zu entwickeln. Zu sehr sind wir – auch durch den hohen Leistungsdruck beruflich und privat – zu unserem eigenen Kritiker geworden. Aus der Transaktionsanalyse ist der Antreiber „Sei perfekt“ bekannt. Das ist jene kritische Stimme in uns, die nie mit den eigenen Leistungen zufrieden ist.
Gemeint ist nicht Reflexion, die uns anhält, die Dinge kritisch prüfend zu beurteilen. Es geht ausschließlich um die ständige Hinterfragung, ob man auch wirklich alles richtig gemacht hat, ob man es nicht doch noch hätte besser machen können. Burn-out und Depressionen sind damit eventuell vorprogrammiert.
Wenn wir Spitzenleistungen erzielen wollen, müssen wir Freude an unserer Arbeit haben und vom Nutzen unseres Handelns überzeugt sein.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass in den letzten Jahren immer mehr private Schulen und Universitäten einen sehr großen Leistungsdruck auf ihre Studierenden ausüben. Absolventen, die einem extremen Leistungsdruck standgehalten haben, gelten als Elite. Da kann es schon vorkommen, dass Mitgefühl und Achtsamkeit abhanden kommen. Was bleibt, ist oft nur Empathie.
In Freiburg haben Studierende die Möglichkeit, sich die Vorlesungen von Paul Grossman in Achtsamkeit und buddhistischer Psychologie am Psychologischen Institut der Universität anzuhören. Grossman ist auch Direktor für Forschung, Abteilung für Psychosomatische Medizin des Universtitässpitals Basel.
Man muss nicht Jahrzehnte meditieren, um sein Selbstmitgefühl zu trainieren
Das Buch von Rick Hanson „Das Gehirn des Buddha“, das z.Zt. bei Amazon in der englischen Version das meist verkaufte Buch ist, hat die erfreuliche Botschaft: „Wir können uns jederzeit verändern, auch noch im hohen Alter. Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass wir es wirklich wollen.“
Um Erfolge auch hierzulande zu erzielen, muss man nicht zum Buddhismus konvertieren und die nächsten 30 Jahre meditieren. Kristin Neff und Christopher Germer haben ein 8 Wochenprogramm entwickelt, das den Teilnehmern Selbstmitgefühl- und Achtsamkeits-Meditationen lehrt. Diese Meditationen sind nicht darauf ausgerichtet, dass es uns danach besser gehen muss, dass wir z. B. schmerzfrei sein werden. Wenn wir uns jedoch achtsam unserem Schmerz zuwenden und ihn unvoreingenommen erforschen, verändert sich unsere mentale und emotionale Reaktion auf ihn.
Ziel ist es, Stress und anderen Schwierigkeiten im Leben mit Wärme, Freundlichkeit und Mitgefühl zu begegnen. Die Fähigkeit, mit Veränderungen umgehen zu lernen, wird gestärkt.
Um diese Meditationen einzuüben, muss man auch nicht 8 Wochen Urlaub nehmen und in die USA reisen. Das Original Trainingsprogramm von Kristin Neff, Christopher Germer und Britta Hölzel gibt es auch unter dem Titel: „Achtsames Selbstmitgefühl: Wie man sich von destruktiven Gedanken und Gefühlen befreit“ als Hörbuch in deutscher Sprache. So können auch Menschen, die selten in Kurse gehen, Selbstmitgefühl trainieren.
Ein anderes Hörbuch wendet sich gezielt an unseren inneren Kritiker. „Ruhe da oben! – Wege aus der Grübelfalle“ von Andreas Knuf. Dieses Trainingsprogramm eignet sich besonders für Menschen, die einen sehr hohen Anspruch an sich haben.
Meditation eignet sich nicht für alles und jeden. Wem es in welcher Situation nützt, erfährt man am besten, wenn man sich an die alte Volksweisheit hält: „Probieren geht über Studieren“.
Menschen mit schweren Erkrankungen, wie z. B. posttraumatischen Belastungsstörungen, aber auch Kindern mit ADHS kann Meditation nachweislich helfen, wenn diese unter Anleitung eines Arztes oder Therapeuten erlernt wird.
Und was denken Sie daran ?