Trinken, trinken, trinken - auf der Straße, im Zug, beim Sport: Überall sieht man Menschen, die an der Wasserflasche hängen. Was ist dran an dem Appell, immer viel und in kurzen Abständen zu trinken?
Im Prinzip ist es ganz einfach: Ein erwachsener Mensch besteht zu 70 Prozent aus Wasser. Durch Ausscheidungen und über die Haut gehen pro Tag rund 2,5 Liter verloren.
Der Verlust muss ausgeglichen werden, also müssen auch 2,5 Liter wieder rein in den Körper: 1,5 Liter über Getränke, der Rest kommt automatisch über feste Nahrung. Das ist soweit unstrittig.
Die Frage ist nur: Wie genau soll der Flüssigkeitshaushalt wieder ins Gleichgewicht gebracht werden? Ständig an der Wasserflasche nuckeln oder lieber einmal richtig trinken?
Trinken gleichmäßig über den Tag
„Wenn der Körper ein halbes Prozent Wasser verloren hat, meldet sich unser Durstgefühl“, erklärt Susann-Cathérine Ruprecht, Sprecherin des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam. Der Griff zum Wasserglas ist dann die einfachste Lösung.
„Die Hauptsache ist, dass die meisten Getränke energiearm sind“, betont Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn. Wenig Zucker sollten sie also enthalten: Reines Wasser ist gut, Tees und verdünnte Fruchtsäfte werden ebenso empfohlen.
Ernährungswissenschaftlerin Gahl rät außerdem, die Flüssigkeit gleichmäßig über den Tag verteilt aufzunehmen. Trinken auf Vorrat funktioniert nicht, der Körper kann nur kleine Mengen verarbeiten, der Rest wird einfach wieder ausgeschieden.
Trinken auf Vorrat funktioniert nicht
Und da liegt auch das Problem: Wer zu lange Trinkpausen einlegt und sein Durstgefühl ignoriert, kommt in einen Bereich, in dem der Flüssigkeitsmangel sich bemerkbar macht: „Ab etwa drei Prozent Flüssigkeitsverlust ist die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigt“, erklärt Ruprecht. Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche können die Folgen sein.
Das ist in der Regel nicht dramatisch, die Gefahr einer Dehydrierung, das heißt einer Austrocknung, besteht in unseren Breiten nur in Extremsituationen. Wer Essen und Trinken in ausreichendem Maß zur Verfügung hat, der versorgt seinen Körper gut genug.
Das betont auch Uwe Knop, Autor des Buches „Hunger & Lust“: „Trinken ist ein so essenzieller Mechanismus, dafür braucht man keine Regeln.“ Die Angaben zur Trinkmenge der DGE nimmt er als Beobachtung zur Kenntnis, meint jedoch: „Ein gesunder Mensch braucht keinen "Trinkwecker" oder Ähnliches, man kann einfach nach Gefühl trinken.“
Durstempfinden lässt im Alter nach
Ob man nun nach Gefühl oder DGE-Empfehlung trinkt: Wichtig ist, dass die normale Trinkmenge nur für gesunde Erwachsene gilt. Rät der Arzt zum Beispiel zu erhöhter Flüssigkeitsaufnahme, so ist das für den Betroffenen entscheidend. „Im Alter lässt das Durstempfinden oft nach“, erläutert Gahl. „Der Bedarf ist aber eigentlich da.“
Auch wer – etwa wegen einer Diät – weniger isst, sollte auf seinen Flüssigkeitshaushalt achten. „Im Körper wird das Wasser als Lösungs-, Transport- und Ausscheidungsmittel gebraucht“, erklärt Ruprecht. Im Gewebe gespeicherte Schadstoffe werden bei einer Diät freigesetzt und sollten mithilfe eines ausreichenden Flüssigkeitskonsums ausgeschieden werden. Wird die feste Nahrung verringert, fehlt auch das darin enthaltene Wasser.
Einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf hat der Körper bei Anstrengung, also auch beim Sport. Doch gerade dabei ignorieren viele Menschen ihr Durstgefühl. „Dass in Sportsituationen oft zu wenig getrunken wird, ist ein bekanntes Problem“, sagt Professor Daniel König vom Institut für Sport und Sportwissenschaften an der Universität Freiburg.
Strenge Kontrolle der Trinkmenge ist übertrieben
Von rigiden Empfehlungen zur Trinkkontrolle hält er aber nichts: „Die Empfehlung, Sportler sollten ständig die Farbe ihres Urins beobachten, halte ich für übertrieben“, sagt König. Auch gelte 20-minütiges Joggen noch nicht als Belastung. Erst ab einer Stunde körperlicher Anstrengung solle man auf seine Trinkmenge achten, empfiehlt der Sportmediziner.
Weder im Alltag noch unter sportlicher Belastung bestehe die Gefahr, zu viel zu trinken – das bestätigen die Experten übereinstimmend. „Der Körper kann zehn Liter pro Tag ohne Probleme verarbeiten“, sagt Gahl.
Spektakuläre Todesfälle durch Überwässerung sind auch dem Sportmediziner König nur von Extremsportveranstaltungen, zum Beispiel einem Doppelmarathon, bekannt. „Der Körper verliert dann unter anderem durch das Trinken zu viel Natrium“, erklärt König.
Alkoholische Getränke zählen nicht mit
Langfristig schädlich ist übermäßiges Trinken laut DGE nur bei zu süßen Getränken. Auch Milch solle man wegen ihres Energiereichtums eher als kleine Mahlzeit begreifen, rät Gahl.
Ganz aus der Wasserbilanz raushalten sollte man alkoholische Getränke: „Höchstens ein halber Liter Bier für einen männlichen Erwachsenen, das ist gerade noch akzeptabel“, sagt sie. „Für Frauen liegt die tägliche Obergrenze bei der Hälfte.“
Kaffee gilt, anders als in der Vergangenheit, nicht als problematisch, solange das Koffein gut vertragen wird.
Wer also nicht gerade einen Marathon läuft, ist auf der sicheren Seite, wenn er beim normalen Durstgefühl zum Wasserglas greift. Zu lange warten sollte aber niemand.
„Einen großen Flüssigkeitsverlust kann man nicht kurzfristig ausgleichen“, erklärt Ruprecht. Hat man den Durst zu lange ignoriert, kann es bis zu 24 Stunden dauern, bis der Flüssigkeitshaushalt des Körpers wieder im Gleichgewicht ist.
Und was denken Sie daran ?