Mit Sprudel und aus der Plastikflasche – so trinken die meisten Deutschen ihr Wasser am liebsten. Doch die Wirkung von Plastik und möglichen darin enthaltenen Schadstoffen auf den Menschen ist umstritten. Welche Gefahr geht von abgefülltem Wasser aus?
„Umwelthormone im Mineralwasser!“, so titelten viele große Medien im Jahr 2009. Wissenschaftler um den Ökotoxikologen Dr. Martin Wagner von der Goethe Universität Frankfurt am Main wiesen damals östrogene Belastungen im Mineralwasser nach. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gab zwar Entwarnung, ein beklemmendes Gefühl blieb. Was ist seitdem in der Forschung passiert? Utopia hat bei Martin Wagner nachgefragt.
Bunter Cocktail aus Umwelthormonen
„Es ist einiges passiert“, erklärt Wagner. Vor drei Jahren konnten er und sein Team in einer weiteren Studie erstmals nachweisen, dass sich neben östrogen wirksamen auch anti-östrogene Stoffe im Mineralwasser befinden – im Wasser schwimmt also ein bunter Cocktail aus messbaren Umwelthormonen. Doch die Suche nach dem Übeltäter gestaltet sich schwierig: „Wir wissen, dass im Wasser hormonell wirksame Stoffe enthalten sind, aber welche Chemikalien das auslösen, weiß niemand“, erklärt Wagner den gegenwärtigen Forschungsstand. Die Suche nach diesen Chemikalien stellt die Wissenschaftler vor eine schwierige Aufgabe – es gilt, mehrere Nadeln im Heuhaufen zu finden, ohne zu wissen, wie die Nadeln überhaupt aussehen.
Wasser in Plastikflaschen: drei mögliche Quellen für Verunreinigungen
Doch wie kommen die Chemikalien überhaupt ins Wasser? Es gibt drei mögliche Ursachen für die Verunreinigungen: Die Wasserquelle selbst, die Abfüllanlage und die Plastikflaschen. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass einige der gefundenen Stoffe aus dem Plastikmaterial auslaugen“, erklärt Wagner. Doch der Plastikflasche könne man nicht den alleinigen Schwarzen Peter zuschieben, denn die zuletzt gefundenen anti-östrogen wirksamen Stoffe stammten nicht aus dem Plastikmaterial – bleiben also Wasserquelle selbst und Abfüllanlage als Verursacher übrig. Auf die Wasserquelle wurde auch das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) aufmerksam und stellte bereits 2006 fest, „dass teilweise schon die Rohwässer eine östrogene Wirksamkeit besitzen.“
Rückstände im Wasser sind keine Seltenheit: Die Stiftung Warentest wies in einer aktuellen Untersuchung chemische Rückstände in fünf von 30 untersuchten Mineralwässern nach. Die Rückstände setzten sich zusammen aus oberirdischen Verunreinigungen von Pflanzenschutzmitteln, einem Süßstoff und einem Abbauprodukt, was entweder vom Pestizid Glyphosat oder aus Wasch- und Reinigungsmitteln stammte. Die Rückstände seien zwar gesundheitlich unbedenklich, zeigen aber, dass die Mineralwasserquellen nicht ausreichend geschützt sind.
Bei der Untersuchung der Plastikflaschen als möglichen Übeltäter erschwere die Unübersichtlichkeit an Kunststoffen und Additiven auf dem Markt die Arbeit der Forscher: Unklar sei, welche Stoffe aus welcher Verpackung austreten. Woraus Plastikflaschen genau bestehen, sei ein großes Geheimnis: „Jeder Hersteller hat sein eigenes Rezept, wir wissen nicht, welche Zutaten sie für welches Plastik verwenden“, erklärt Wagner. Dabei hänge die Qualität der Plastikflaschen – und somit auch die Qualität des Wassers – davon ab, wie rein das verwendete Rohmaterial der Plastikflaschen sei.
Wasser trinken: ein chemischer Nachgeschmack bleibt
Ein Großteil des Mineralwassers wird heute in Einweg-Plastikflaschen verkauft – wäre man mit dem Griff zur dickeren Mehrwegflasche besser beraten? „Das Material von Einwegflaschen ist chemisch gesehen das gleiche wie das von Mehrwegflaschen, lediglich die Dicke unterscheidet sich“, erklärt Wagner. Einwegflaschen sind dünner, da sie nicht darauf ausgelegt seien, mehrmals verwendet zu werden. Sollte man Plastikflaschen also am besten nicht erneut auffüllen? „Wenn man darauf achtet, Plastikflaschen nach Benutzung auszuspülen und trocknen zu lassen, steht einer Wiederverwendung nichts entgegen“, meint Wagner.
Jeder kennt den chemischen Geschmack des Wassers, wenn Plastikflaschen länger in der Sonne gelegen haben. Verantwortlich dafür ist das aus dem Plastik austretende Acetaldehyd. Die durch die Hitze austretende Menge soll zwar laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in der Konzentration unbedenklich sein, ein chemischer Nachgeschmack beim Wasser trinken bleibt jedoch. Der Übergang von Acetaldehyd ins Wasser wäre übrigens vermeidbar, wenn Hersteller Stoffe verwenden würden, die das Acetaldehyd im PET binden, erklärt das BfR – oder man greift vorsorglich als Verbraucher gleich zur wiederbefüllbaren Glas- oder Edelstahlflasche.
Hormone in Plastikflaschen: die rote Warnlampe
Ist Wasser aus Plastikflaschen nun gesundheitlich bedenklich? Fassen wir zusammen: Es gibt nachweislich hormonell aktive Stoffe im Mineralwasser – welche Substanzen dahinterstecken und wie genau diese ins Wasser gelangen, bleibt jedoch noch zu erforschen.
Sollten wir nun vorsorglich kein Wasser mehr aus Plastikflaschen trinken? Das Laves gibt Entwarnung und bezieht sich dabei auf die Untersuchungen mehrerer Labore: „Die aktuell vorliegenden […] Ergebnisse hinsichtlich der östrogenen Aktivität in Mineralwasser geben derzeit keinen Anlass zur Annahme, dass östrogen aktive Substanzen in Mineralwasser ein akutes Gesundheitsrisiko darstellen.“
Und was denken Sie daran ?