Über 20.000 Menschen, die sich auch von einer von oben befohlenen Eskalationstaktik nicht ins Bockshorn jagen lassen und unter „Kurz muss weg“-Rufen durch die Wiener Innenstadt spazieren: Der ‚Tag der Freiheit‘ am 31. Jänner war ein imposantes Spektakel und ein Fanal des Widerstandes gegen eine immer autoritärer agierende Regierung. Sehr zu Leidwesen des Mainstreams, der auch danach mit der Wahrheit des Tages äußerst flexibel umging und infame Horror-Märchen verbreiteten. Eine neue Dokumentation zeigt nun, was in Wien wirklich passierte, als sich das Volk – für eine kurze Zeit – seine Freiheit zurück holte.
„Bravo für den Wochenblick – eine der wenigen seriösen Zeitungen, danke für Eure Arbeit“ ruft ein älterer Herr in die Kamera, als unsere Redaktionsleiterin Elsa Mittmannsgruber zwischen unzähligen Interviews, die sie mit den Demonstranten vor Ort führte, die Stimmung am Nachmittag kommentiert. Gemeinsam mit dem Journalisten und Buchautor Stefan Magnet rollt sie in der halbstündigen Videoreportage die Chronologie des „Tages der Freiheit“ auf und liefert damit ein wichtiges Zeitdokument zur Einordnung der Geschehnisse.
Mutige Bürger schildern ihre Motivation
Von den Schikanen im Polizeikessel bis zur Aufbruchstimmung, als Abertausende sich endlich vereinen können, um über den Ring zu spazieren und ihrem Unmut mit der Regierung und ihren Maßnahmen laut, aber friedlich Luft zu verschaffen: Die imposanten Bilder der Dokumentation fangen die Essenz des Tages authentisch ein. Es kommen darin unzählige Bürger zu Wort, die eindrucksvoll dokumentieren: Das war kein Aufmarsch von „Extremisten“ oder „Aluhüten“ – sondern ein Protest aus der Mitte des Volkes.
„Wir haben ganz einfach die Schnauze voll, um es ganz klar auszudrücken. Wir lassen uns nicht mehr unterdrücken von einem Innenminister oder Bundeskanzler, die über die Bevölkerung drüber fahren“, schildert ein jüngerer Teilnehmer seine Motivation, sich dem Protest anzuschließen. Eine ältere Dame ist bestürzt, was die aktuelle Lage im Land für Auswirkungen auf die jüngeren Generation bedeuten kann: „Ich mache mir unfassbare Sorgen, was auf unsere Jugend zukommt – und es wird leider kommen“.
Ein weiterer Herr erklärt: „Ich bin hier, nicht nur für mich, sondern auch für meine Kinder, für unsere Alten, für all jene, die sich nicht wehren können. Ich bin kein typischer Demogänger, aber jetzt fühle ich mich verpflichtet, das zu machen.“ Teilweise nahmen die Menschen eine lange Anreise aus anderen Bundesländern auf sich, um dabei sein zu können, wie eine Frau aus dem Salzburger Lungau erzählt. Es ist ihre erste Demo.
Ältere Menschen und Journalist einfach festgenommen
Es ist ein Querschnitt des ganzen Volkes, das sich auf der Straße befand. Viele von ihnen beziehen ihren Widerstandsgeist aus der Sorge um ihre Kinder. Eine Frau sprach mit uns, die sogar ihre Tochter mitnahm, um ihr zu zeigen, wie wichtig Demokratie sei. Als die Polizei im Zuge der zeitweiligen Eskalations-Taktik dann plötzlich anfing, teilweise alte Menschen wahllos aus der Menge zu zerren, bekam es ihr Kind mit der Angst zu tun. Die Beamten ließen sie auf Anweisung aber nicht einmal aus dem Kessel.
Dass dieser Umstand offenkundig wird, wollte die Exekutive aber verhindern, als sie den Journalisten Michael Scharfmüller („Info-Direkt“) festnahmen, als er seiner Pressearbeit nachging. Im Interview erzählt er: „Mir ist aufgefallen, dass die hauptsächlich alte Menschen rausholen. Da habe ich mir gesagt: Das gehört unbedingt dokumentiert. Ich habe genau gesehen, wie ein Polizist eine ältere Dame anvisierte und der ganze Mob hinterher lief. Ich hab da fest draufgehalten – und das hat der Polizei nicht gefallen, also haben sie mich gleich mit einkassiert.“
Nach dem Polizeikessel folgt der Freiheitsmarsch
Mehr als zwei Stunden dauert der Polizeikessel – für Stefan Magnet war das Kalkül. Denn: „Im Endeffekt ist das nur eine Form des Psychoterrors. Man weiß genau, wenn Leute aufs Klo müssen, wenn ihnen kalt ist, wenn sie Hunger bekommen, wenn sie eingesperrt sind, werden sie unrund“. Man versuche hier zu provozieren, dass die Lage eskaliere – und es sei nur der „Engelsgeduld“ der Teilnehmer zu verdanken, dass es noch friedlich bliebe. Erst gegen 15.30 Uhr kam dann bekanntlich die Anweisung, die Protestierenden gewähren zu lassen und sich zurückzuziehen.
Auch die Stimmung dieser Szene ist dokumentiert. Elsa Mittmannsgruber kommentiert mit mitreißenden Worten, wie die zuvor bedrückte Stimmung zu einem Fanal der Freiheit wurde: „Schaut euch diese Bilder an. Es sind tausende, abertausende Menschen, jetzt wird einem erst einmal das Ausmaß bewusst. […] Die Bürger haben da wirklich gewonnen: Sie sind nicht gewichen und gehen weiter, tragen ihren Protest endlich auf die Straße […] Es ist ein Wahnsinn der sich hier abspielt – toll.“ Aus tausenden Kehlen schallten die Parolen des Widerstandes; „Wir sind das Volk“ und „Kurz muss weg“.
Tag der Freiheit als Aufbruch für eine Wende?
Begleitet wird die Dokumentation aber nicht nur von der Vor-Ort-Berichterstattung samt aktuellem Kommentar. Zur Auflockerung zwischen den Originalbildern begleiten sie auch aus dem Studio die Abfolge der Geschehnisse, ordnen diese laufend ein. Das Volk habe gezeigt, dass die Verbote wirkungslos seien, wenn das Volk mächtig ist. Positiv fällt entsprechend das Resümee der beiden aus.
Magnet kommentierte den Tag wie folgt: „Was am 31. Jänner in Wien gelang, war Machtpolitik. Die Regierung untersagte eine Demonstration und trotzdem kam das Volk […] Die Regierung schickte die Staatsmacht vor, um gegen die Demonstranten vorzugehen, aber diese führten den Befehl, die Demonstranten zu verhauen oder die Demonstration aufzuführen, nicht durch. Das Volk spürte seine Macht.“
Dies konnte, wie Mittmannsgruber betont, sogar Zuschauern zuhause nicht verborgen bleiben. Die Eindrücke seien dazu geeignet, einen größeren Aufbruch zu generieren: „Sie spürten diese Macht. Und viele davon werden das nächste Mal dabei sein, weil auch sie die Demonstranten unterstützen wollen.“ Seitdem fanden viele weitere Proteste statt – ein gutes Zeichen, wie auch Magnet betont: „So beginnen Veränderungen, so beginnt eine Wende.“
Mehr Videos von und mit Elsa Mittmannsgruber finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.
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