Phantastik oder Mystifikation?
Ob nun ein übermäßig langes Leben ein Segen oder ein Fluch ist, mag dahingestellt sein. Schön ist es schließlich nicht gerade, wenn alle Lieben rundherum vor einem sterben. Nichtsdestotrotz wünschen sich viele ein sehr langes Leben und bekommen Hoffnung durch einen Artikel, der verspricht, das Geheimnis zu offenbaren, wie man uralt wird. Was ist dran am 256 Jahre alten Chinesen?
„256-jähriger Chinese zeigt: So wird man uralt!“
256 Jahre wurde er alt. 24 Ehefrauen und neun Kaiser der Qing-Dynastie soll er überlebt haben. Wenig ist über ihn bekannt, doch eines ist Fakt: Bei seinem Tod im Jahr 1933 bekam er eine Todesanzeige im New Yorker Time Magazin. „Schildkröte, Taube, Hund“ lautete deren kryptische Überschrift. Denn dies war das Lebensmotto, mit dem Li sein biblisches Alter erreicht hatte:
„Halte dein Herz ruhig, sitze wie eine Schildkröte, laufe munter wie eine Taube und schlafe wie ein Hund.“
Was ist das Geheimnis?
Wir fassen mal den Artikel zusammen: Quintessenz ist, dass viele Methoden, die Li Qing Yun damals angewendet haben soll, auch heutzutage als gesund gelten: Meditation, soziales und sinnvolles Leben, vegetarische Ernährung, chinesische Pflanzenkunde. Insbesondere Wolfsbeerentee wird betont, den Li Qing Yun oft getrunken haben soll, der ein mysteriöses „Vitamin X“ enthält, welches alle möglichen positiven Wirkungen auf den Körper haben soll. Die Geschäfte und Internet-Stores sollte man deswegen aber nicht stürmen: Zwar sind Tees mit Wolfsbeeren tatsächlich gesund, allerdings gibt es auch viele falsche Produkte mit dieser Bezeichnung auf dem Markt. Im Wesentlichen sind jene Beeren aber nicht gesünder als ein Apfel, ein Wundermittel ist es nicht.
Wurde er wirklich 256 Jahre alt?
Könnten wir Li Qing Yun selber fragen, würde er sagen: Nein. Tatsächlich gab er als sein Geburtsjahr 1736 an, war also zum Zeitpunkt seines Todes 1933 „nur“ 197 Jahre alt. Trotzdem ein beachtliches Alter… wenn es denn stimmen sollte.
Wie es zu den 256 Jahren kommt, ist fraglich. Eine Theorie des US National Library of Medicine
National Institutes of Health besagt, dass 256 ein Vielfaches von 8 ist und die 8 in der chinesischen Mythologie als Glückszahl gilt. Zwischen damals und heute wurde er also schon einmal 59 Jahre älter gemacht.
Gibt es Beweise?
Kurz gesagt: Nein. Es gibt keinerlei Geburtsurkunde oder eindeutige Beweise, dass Li Qing Yun so alt war. Zwar behauptete Professor Wu Chung-chieh von der University of Chengdu, dass es Aufzeichnungen gäbe, in denen die chinesische Regierung dem Chinesen 1827 zum 150. Geburtstag gratulierte sowie 1877 zu seinem 200. Geburtstag, Beweise blieb er aber schuldig.
Können Menschen überhaupt so lange leben?
Das darf derzeit bezweifelt werden. Das höchste nachgewiesene Alter, welches je ein Mensch erreichte, war 122 Jahre alt. Zweifellos leben Asiaten gesünder als Menschen in den westlichen Staaten, allerdings liegt da China eher im Mittelfeld, Platz 1 belegen die Japaner. So mag eine gesunde Ernährung, Meditation und viel Schlaf zwar durchaus das Leben verlängern, jedoch ist es zweifelhaft, ob man damit tatsächlich 256 Jahre alt wird, dazu schreitet dann doch der natürliche Zerfall der menschlichen Zellen zu stark voran.
Hat schon mal jemand wegen seinem Alter gelogen?
Überraschung: Natürlich. Noch im Jahr 1986 stand der Japaner Shigechiyo Izumi mit 120 Jahren als ältester Mensch der Welt im Guinnes Buch der Rekorde. 1987, 14 Monate nach seinem Tod, fand man allerdings heraus, dass er „nur“ 105 Jahre alt gewesen ist: Er wurde 1880 geboren, nahm aber die Identität seines 1865 geborenen älteren Bruders an, der schon jung starb. In alten asiatischen Kulturen war es oftmals üblich, dass als sogenanntes „Nekronym“ der jüngere Bruder den Namen eines älteren verstorbenen Bruders annahm, um ihn damit zu ehren.
So wird angenommen, dass auch Li Qing Yun nicht etwa wirklich 256 (oder 197) Jahre alt wurde, sondern es sich entweder um eine „Namensübernahme“, Identitätsdiebstahl oder zufällige Namensgleichheit handelt. Handfeste Beweise gibt es allerdings weder dagegen noch dafür, dass er ein solch biblisches Alter erreichte.
Fazit
Wirklich befriedigend kann jenes Mysterium also nicht gelöst werden. So gesund jener Chinese auch gelebt haben mag, so zweifeln Mediziner an, dass man damit ein solch hohes Alter erreichen könne. Die Geschichte wirkte noch fantastischer, da Li erzählte, er habe im Alter von 130 Jahren einen Mann in den Bergen getroffen, der 500 Jahre alt sei und ihm Ernährungstipps gab. Alterstechnisch kommen wir da schon langsam an die biblischen Figuren heran, welche 800 Jahre und älter geworden sein sollen.
Persönlich schätzt auch der Autor dieses Artikels jene Geschichte eher als Mythos ein. Trotzdem gehe ich jetzt los, um mir Wolfsbeerentee und chinesische Kräuter zu kaufen. Man kann ja nie wissen.
Und was denken Sie daran ?