Kaum etwas auf der Welt ist schlimmer als der Tod eines Kindes. Besonders furchtbar ist es, wenn es sich bei dem Tod um ein Verbrechen handelt. Unendlich traurig ist es, wenn man nicht einmal den Namen und die Geschichte des Kindes kennt.
Was aber, wenn man gar keine Chance hat, die Identität des Kindes zu ermitteln? Ein solcher Fall dürfte die Ermittler ein Leben lang verfolgen.
Eine solch bedrückende Situation kam in früheren Zeiten leider gar nicht selten vor, denn die Ermittler verfügten noch nicht über die Möglichkeit, die Identität eines Opfers durch DNA-Proben feststellen zu können.
Genau so einen Fall gab es vor langer Zeit in Jackson County im US-Bundesstaat Oregon. Dort hatte im Jahr 1963 ein Angler den Körper eines kleinen Jungen in einem Fluss gefunden.
Das Kind war vollständig bekleidet und in eine Decke gewickelt worden. Anscheinend hatte man versucht, den Körper zu beschweren, um ihn unter Wasser zu halten.
Das Kind hatte bereits eine ganze Weile im Wasser gelegen und so war es nicht mehr möglich, seine Gesichtszüge zu erkennen. Es war klein, höchstens zwei Jahre alt. Es hatte blondes Haar und trug einen roten Pullover mit dünnen weißen Streifen, eine graue Hose und weiße Schuhe.
Die Polizei versuchte festzustellen, wer der Junge war und zu welcher Familie er gehörte – doch vergeblich. Niemand meldete sich, um zu sagen, dass dies sein oder ihr Sohn sei. Niemand gab dem toten kleinen Jungen einen Namen. Er wurde nie identifiziert und die Umstände seines Todes wurden nie geklärt.
Im Jahr 2009 fertigten Ermittler anhand seines Schädels ein Modell seines Gesichts an und stellten Bilder davon ins Internet. Die DNA des Kindes wurde entschlüsselt und mit der vorhanden Datenbank abgeglichen – ein Versuch, auch nach Jahrzehnten noch Licht in das Dunkel des traurigen Falls zu bringen. Doch es fanden sich keine Übereinstimmungen.
Doch 58 Jahre nach dem Fund der Leiche, im Jahr 2021, untersuchte eine Ahnenforscherin namens CeCe Moore die Familienstammbäume von Familien aus der betroffenen Gegend – und wurde fündig. Sie fand einen Mann, der sich erinnerte, als Kind in den frühen sechziger Jahren einen kleinen Bruder gehabt zu haben.
Stevie, wie dieser Bruder hieß, hatte eine Behinderung, vermutlich etwas ähnliches wie das Down-Syndrom. Eines Tages war Stevie plötzlich verschwunden und niemand in der Familie hatte seinem älteren Bruder dafür je eine Erklärung gegeben. Ein Blick in die Geburtsregister zeigte, dass es einen Jungen namens Steven Alexander Crawford gegeben hatte, der am 2. Oktober 1960 geboren wurde. Der potenzielle Bruder gab eine DNA-Probe ab und die Analyse bestätigte den Verdacht: Der tote Junge war sein Halbbruder. Das unidentifizierte Kind war wirklich Stevie Crawford.
Die Ursache von Stevies Tod konnte nie geklärt werden. War es ein Unfall? Hatte er gesundheitliche Probleme und es kam zu Komplikationen? Oder wollten seine Eltern das Kind mit der Behinderung sogar loswerden? Immerhin war das Stigma eines solchen Kindes vor 60 Jahren noch größer als heute.
Was auch immer passierte, sie haben es vertuscht, den Körper des Kindes im Wasser versenkt und seinen verstörten Geschwistern nie eine Erklärung dafür gegeben, was mit ihrem Geschwisterchen geschehen war. Sein Bruder hatte es nie vergessen können.
Stevies Mutter und der Mann, der wahrscheinlich sein Vater war, sind schon lange tot. Der Fall wurde geschlossen, denn mehr wird man nie in Erfahrung bringen können.
Was für eine tieftraurige Geschichte eines viel zu kurzen Lebens. Hoffentlich kann Stevies Bruder jetzt ein wenig besser mit seinen Erinnerungen leben. Denn immerhin hat er dabei geholfen, dass das 1963 gefundene Kind nicht länger namenlos und vergessen bleiben musste.
Und was denken Sie daran ?