Mehr als 1400 Menschen sind bei Angriffen der Hamas in Israel getötet worden. Rechtsmediziner sind im Dauereinsatz, um die Toten zu untersuchen. Sie berichten von Spuren von Folter und Vergewaltigung.
Hinweis: Dieser Artikel beschreibt mehrere Formen von Folter und Tötung.
Seit den Terrorangriffen der radikalislamischen Hamas in Israel vor mehr als einer Woche, bei denen mehr als 1400 Menschen getötet wurden, arbeiten die Rechtsmediziner des Landes auf Hochtouren, um die zahlreichen Opfer zu untersuchen. Forensische Teams des israelischen Militärs haben nach eigenen Angaben dabei zahlreiche Spuren von Folter, Vergewaltigung und anderen Gräueltaten gefunden.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters wurden rund 1400 Leichen auf einen Armeestützpunkt in Zentralisrael gebracht, wo Spezialteams die Identität der Toten und die Umstände ihres Todes untersuchen. Reporter durften den Stützpunkt besuchen.
Hunderte Soldaten, Frauen und Kinder lagen in Leichensäcken auf den Ladeflächen von Kühlwagen, berichtete die Nachrichtenagentur Associated Press (AP). Die Leichen kämen schneller, als die Rabbiner des Militärrabbinats sie identifizieren könnten. Das Militärrabinat der Streitkräfte Israels ist für alle religiösen Aspekte der Soldaten zuständig, wozu auch Identifizierung und Bestattungen von getöteten Soldaten gehören.
Die Forensiker in Israel arbeiten sogar am Sabbat
Selbst am Samstag, dem Sabbat, arbeiteten die Militärrabbiner unermüdlich weiter, um die Leichen zu zählen und zu untersuchen. "Generell besagt das jüdische Gesetz, dass man den Sabbat für einen Toten nicht brechen darf", sagte Rabbi Israel Weiss, ehemaliger Oberrabbiner der Armee, der die Identifizierung der Toten beaufsichtigt. "Die Ausnahme ist, wenn eine Familie im Zweifel ist und der Tod so schwerwiegend, dass er das Leben der Familie gefährden könnte. Dann muss am Sabbat gearbeitet werden, um die Leiche zu identifizieren und der Familie Antworten zu geben." Als oberster Militärrabbiner von 2000 bis 2006 war Weiss für die Identifizierung gefallener israelischer Soldaten und die Organisation ihrer Beerdigung verantwortlich.
Rabbiner hätten seit 2005 nicht mehr am Sabbat gearbeitet, sagte Weiss, als das Rabbinat Gräber auf einem Friedhof in einer israelischen Siedlung im Gazastreifen aushob, die von den Bewohnern im Zuge des israelischen Rückzugs geräumt worden waren.
Etwa 90 Prozent der militärischen Toten seien identifiziert worden, und die Teams hätten die Hälfte der Zivilisten identifiziert, sagte Weiss am Wochenende. Viele Leichen wiesen Spuren von Folter und Vergewaltigung auf, so der Rabbi. Männer, Frauen und Kinder seien lebendig verbrannt oder enthauptet worden. Zehen und Finger seien abgeschnitten worden.
"Ich kannte so etwas nur von den Nazis"
"Wir haben zerstückelte Leichen mit abgehackten Armen und Füßen gesehen, Menschen, die enthauptet wurden, ein Kind, das enthauptet wurde", sagte eine Reserveoffizierin namens Avigayil laut Reuters. Es habe auch mehrere Fälle von Vergewaltigung gegeben.
"Wir führen die Identifizierung mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln durch", sagte eine Militärzahnärztin namens Maayan der Nachrichtenagentur. " Wir sehen sie in einem schweren Stadium der Misshandlung. Wir sehen Schüsse und wir sehen Zeichen, die auf Folter hindeuten."
"Ich kann Ihnen nicht mit Worten beschreiben, wie es ist, eine schwangere Frau zu sehen, deren Bauch aufgeschnitten und deren Baby herausgerissen wurde", sagte Weiss dem Online-Magazin "Politico". "Ich kannte so etwas nur von den Nazis."
Das Militärpersonal, das den Identifizierungsprozess überwacht, habe jedoch keine forensischen Beweise in Form von Bildern oder medizinischen Dokumenten vorgelegt, berichtete Reuters weiter.
Identifizierung der Opfer wegen fehlender DNA-Proben schwierig
Teams von Reservisten, von denen einige erst Anfang 20 seien, arbeiten laut AP rund um die Uhr an der Identifizierung der Leichen. Vor dem Angriff hätten einige von ihnen als Zahnärzte gearbeitet, andere seien Studenten.
"Die Reservisten gehen nachts nach Hause und versuchen zu verdrängen, was sie hier gesehen haben", sagte Maayan, eine 40-jährige Zahnärztin aus Tel Aviv, die in einem Team arbeitet, das die Leichen von Frauen identifiziert, der Nachrichtenagentur. Sie berichtete, dass sie während einer ihrer Schichten einen Leichensack öffnete und einen ihrer ehemaligen Patienten vorfand, der sie anstarrte. "Niemand sollte das sehen müssen, was wir hier sehen und was wir immer sehen werden", sagte sie unter Tränen.
Einige Leichen seien so entstellt, dass sie nicht identifiziert werden könnten, sagte einer der Arbeiter zu AP. Jede Leiche müsse einem DNA-Test unterzogen werden. Dies werde dadurch erschwert, dass das Militär keine DNA-Datenbank für Zivilisten habe. Deshalb, so die Nachrichtenagentur, seien viele Familien in Israel in die Krankenhäuser geströmt, um DNA-Proben abzugeben – in der Hoffnung, dass dies bei der Identifizierung ihrer Angehörigen helfe.
Identifizierung könnte Wochen oder Monate dauern
"Der Staat Israel wird alles in seiner Macht Stehende tun, Geld und Ressourcen, um jeden gefallenen Soldaten und Bürger zu identifizieren", sagte Weiss. "Bis wir den Punkt erreicht haben, an dem keine Mutter mehr am Grab ihres Sohnes oder ihrer Tochter weinen muss, weil sie den geringsten Zweifel hat, dass sie es nicht sein könnten."
Doch bis alle Opfer des Hamas-Angriffs identifiziert sind, könnten noch Wochen, wenn nicht Monate vergehen. Viele Leichen würden sich noch stapeln. "Es nimmt kein Ende", so Avigayil. Am Ende des Tages, berichtete sie, spreche ihr Team mit Psychologen und Sozialarbeitern, um zu versuchen, die Schrecken des Tages zu verarbeiten. "Wir dachten, wir wären vorbereitet, aber wir waren es nicht. Der Geruch des Todes ist überall."
Das Personal habe sich sogar gegen die rituelle Reinigung der Leichen nach jüdischem Recht entschieden. "Wir führen das Ritual nicht an den Menschen durch, die ermordet wurden", sagte sie. "Jeder, der auf diese Weise gestorben ist, gilt bereits als rein."
Einige der Leichen wurden inzwischen auf den Berg Herzl, Israels Nationalfriedhof in Jerusalem, gebracht, berichtete AP. Soldaten würden die frisch ausgehobenen Gräber bewachen. Gräber, von denen es in den nächsten Wochen noch viele mehr geben wird.
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