Wie beeinflusst unser Verdauungsorgan unser größtes Organ, die Haut? rtv hat nachgefragt: bei Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann, Hautärztin und Professorin für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg.
rtv: Warum spielt der Darm für schöne Haut eine so wichtige Rolle?
Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann: Der Darm bzw. die darin lebenden Darmbakterien spielen eine ganz wichtige Rolle. Sie produzieren Stoffe, die die Haut strahlen lassen, die Haare zum Glänzen bringen und auch Hautkrankheiten heilen können.
Substanzen wie Hyaluronsäure, Ceramide, Milchsäure, Vitamine und UV-Schutz-Faktoren kennen wir eigentlich aus der Kosmetikindustrie. Dort werden sie eingesetzt, um die Hautalterung zu verzögern, Falten aufzupolstern und den Teint zum Strahlen zu bringen. Diese Schönheitselixiere können aber auch unsere Mikroorganismen im Darm produzieren und uns damit ganz nebenbei hübscher und optisch jünger machen.
Lässt sich am Hautbild erkennen, wie gut der Darm arbeitet?
Das Hautbild wird durch verschiedene Faktoren wie Pflege, Genussmittel (Rauchen, Alkohol, Süßigkeiten) oder Umgang mit der Sonne beeinflusst. Auch die Darmflora spielt dabei eine wichtige Rolle. Bei vielen Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Akne oder Rosazea findet man eine Störung der Darmflora. Die von einer gesunden und vielfältigen Darmflora produzierten Schutzstoffe können zudem so manche „Sünde“ im Lebensstil ausbügeln. Das ist auch in Studien nachgewiesen.
Sensible Haut bessert sich durch die Einnahme von Lactobacillus paracasei. Der Keim soll auch gegen Kopfschuppen helfen. Alleine durch die Einnahme dieses probiotischen Keims verbesserte sich in einer Studie die Feuchtigkeitsversorgung der Haut deutlich, die Hautelastizität stieg um mehr als 20 Prozent an. Und das Überraschendste: Nach zwölf Wochen hatten die Teilnehmer messbar weniger Falten, während sich in der Vergleichsgruppe, die den probiotischen Keim nicht bekam, der Hautzustand nicht veränderte.
Was geschieht eigentlich in unserem Darm, wenn wir Fast Food und Fertiggerichte essen?
Alles, was wir essen, beeinflusst die Darmflora. Eine sehr fettreiche und ballaststoffarme Ernährung lässt die Darmflora verarmen, der wichtige Artenreichtum geht zurück. Das ist schlecht, denn eine große Artenvielfalt scheint sich günstig auf die allgemeine Gesundheit sowie auf das Risiko für verschiedene Erkrankungen auszuwirken.
Studien haben gezeigt, dass sich unter dieser Ernährung Keime ausbreiten, die Entzündungen fördern und auch Entzündungen beschleunigen nachweislich die Faltenbildung und die Hautalterung.
Und was passiert im Darm, wenn wir viel Obst und Gemüse essen?
Obst und Gemüse liefern Ballaststoffe und die regen die Darmtätigkeit an. Aber nicht alle Ballaststoffe dienen den gesunden und „schönmachenden“ Bakterien auch als Futter. Dazu eignen sich nur die so genannten präbiotischen Ballaststoffe.
Die finden wir aber nur in einigen ausgewählten Nahrungsmitteln wie in Lauchgemüse (Zwiebeln, Porree, Knoblauch), Hülsenfrüchten, Haferflocken, Spargel, Pastinaken oder der süßlichen Kartoffelalternative Topinambur. Präbiotika füttern im wahrsten Sinne des Wortes die nützlichen Darmbakterien und fördern so die gesunde Entwicklung der Keime, die bereits im Darm leben.
Könnte man mit einer bestimmten Ernährung Falten glätten?
Vorbeugen ist hier immer einfacher als etwas rückgängig zu machen. Aber eine Ernährung, die viele Antioxidantien enthält, kann Alterungsvorgänge wirkungsvoll verzögern. Das haben inzwischen verschiedene Studien zeigen können. Auch die Darmflora unterstützt ein Anti-Aging-Programm wirkungsvoll.
In einer koreanischen Studie erhielten die Hälfte der Versuchspersonen drei Monate lang entweder eine Nahrungsergänzung mit dem Milchsäurebakterium Lactobacillus plantarum. Die andere Hälfte, die Vergleichsgruppe bekam ein Scheinpräparat. Das Ergebnis: Alleine durch die Einnahme dieses probiotischen Keims verbesserte sich die Feuchtigkeitsversorgung der Haut deutlich, die Hautelastizität stieg um mehr als 20 Prozent an. Und das Überraschendste: Nach zwölf Wochen hatten die Teilnehmer messbar weniger Falten, während sich in der Vergleichsgruppe, die den probiotischen Keim nicht einnahm, der Hautzustand nicht veränderte.
Und was ist mit Sonnenschäden?
Wir sind selbst vor Hautschäden durch Sonnenstrahlen besser geschützt, wenn im Darm alles gut läuft. Denn Sonnenlicht ist der Faktor, der die Hautalterung am stärksten beschleunigt. Mit Hilfe ganz normaler Lebensmittel (Tomaten und Tomatenprodukte, Karotten und Karottensaft, dunkle Schokolade, grüner Tee) lässt sich sogar – bei regelmäßigem Verzehr ein Lichtschutz von Faktor 4 aufbauen. Das klingt nicht viel, aber dadurch werden bereits 75 Prozent des schädlichen UV-Lichtes abgefiltert.
Dadurch und durch antioxidative Effekte der Vitamine und Pflanzenextrakte werden gleichzeitig auch Alterungsvorgänge gebremst. Der Sonnenschutz von innen ist demnach ein wichtiger Basislichtschutz, der Sonnencreme und Sonnenbrille nicht ersetzt, aber wirkungsvoll ergänzt.
Sind Zucker, schlechte Kohlenhydrate wie z.B. Weißmehlprodukte und Alkohol Faltenbeschleuniger?
Ja, vor allem wenn sie regelmäßig und in hohen Dosen verzehrt werden. Zucker bzw. hohe Blutzuckerspiegel bewirken eine so genannte Glykierung körpereigener Eiweiße. Dabei verbindet sich der Zucker auch mit den kollagenen und elastischen Fasern der Haut und lässt diese schlaff und unelastisch werden.
Außerdem fördert Zucker die Entstehung von Entzündungen, die ebenfalls Alterungsvorgänge beschleunigen und begünstigt Pickel. Wichtig: Die Zuckerverbindungen können sich lösen, wenn der Blutzuckerspiegel zwischen den Mahlzeiten Gelegenheit hat, zu sinken. Deshalb möglichst nur dreimal am Tag essen und auf Zwischenmahlzeiten verzichten.
Ist es denn sinnvoll, statt Zucker Süßstoff zu verwenden?
Süßstoffe sind kein geeigneter Ersatz für Zucker. Einige Süßstoffe werden nicht aus dem Darm resorbiert – deshalb tragen sie auch nichts zur Kalorienbilanz bei. Das hört sich in den Ohren aller, die abnehmen wollen, recht gut an. Doch im Verdauungstrakt bewirken sie grundlegende Veränderungen: Die Zahl der Keime, die Kohlenhydrate abbauen, steigt unter Süßstoff stark an. Dadurch werden dem Körper plötzlich mehr Zuckermoleküle aus der Nahrung zugeführt, obwohl der Süßstoff selbst gar nicht in den Körper gelangt.
Studien konnten belegen, dass sich unter bestimmten Süßstoffen die Darmflora so verändert, dass sie den Blutzuckerspiegel auf Dauer nicht senkt, sondern sogar erhöhen. Besser sind „darmfreundliche“ Süßalternativen wie Agavendicksaft, Honigoder Kokosblütensirup.
Was tun Sie täglich für Ihre „Darm-Haut-Pflege“?
Ich ernähre mich „darmfreundlich“, d.h. ich esse viel Obst, Gemüse, dunkle Schokolade und trinke ab und zu ein Glas Rotwein (auch das ist gut für die Darmflora). Ich trinke jeden Tag eine Kanne grünen Tee. Wichtig: Der Genuss darf dabei nicht zu kurz kommen. Außerdem nehme ich jeden Tag ein Synbiotikum, das ich selbst entwickelt habe. Ich merke, dass es mir damit einfach gut geht.
Haben Sie einen ganz persönlichen Beauty-Tipp?
Lachen und Freude am Leben. Außerdem pflege ich meine Haut mit saurer Pflege, also Produkten, die einen niedrigen pH-Wert haben und auch mit probiotischen Kosmetikprodukten, die die gesunde Hautflora unterstützen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch, Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann!
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