Zu Ballen gepresstes Stroh ist vielseitig einsetzbar. Auch als Baustoff. Strohballenhäuser, erfunden in den USA, erleben derzeit eine Renaissance
Ein Haus mit Wänden aus Stroh? Zugegeben: Strohballenhäuser fristen in der Baubranche noch ein Nischendasein. In den wuchernden Neubaugebieten werden noch fast ausschließlich Beton, Klinker und Mörtel verbaut. Und damit echte Klimakiller: Die weltweite Zementproduktion verursacht viermal so viel Kohlendioxid wie der gesamte internationale Flugverkehr. Insgesamt kommt sie auf rund acht Prozent der globalen CO2–Emissionen. Und auch die Produktion von Dämmmaterialien wie Schaumstoffen, Mineral- oder Glasfasern verschlingt viel Energie und kostbare Ressourcen.
Doch experimentierfreudige Bauherrinnen und Häuslebauer haben nun einen Lowtech-Baustoff wiederentdeckt: zu kompakten Ballen gepresstes Stroh. Die trockenen Halme und Blätter von Getreidepflanzen werden schon seit Jahrzehnten nach der Getreideernte zu Ballen gepresst und zum Beispiel als Einstreu in der Tierhaltung genutzt.
Doch Stroh kann mehr. Ist das Pflanzenmaterial trocken und fest genug gepresst, hat es so gute Eigenschaften, dass sich sogar tragende Wände daraus bauen lassen. Ein weiterer, heute besonders wichtiger Vorteil: Hauswände aus Strohballen müssen nicht extra gegen Wärmeverluste gedämmt werden. Denn die eng aneinander liegenden Halme bieten eine hervorragende Wärmedämmung bieten.
Strohballen bieten eine perfekte Wärmedämmung
Laut dem Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V. ist der so genannte Wärmedurchgangskoeffizient, also das Maß für die Dämmwirkung eines Materials, nur geringfügig schlechter als bei Mineralwolle oder Zelluloseflocken. Mit aufeinander geschichteten Strohballen lassen sich darum sogar Passivhäuser realisieren – auch mehrgeschossige. Im Ökodorf Siebenlinden entstand schon 2005 ein dreistöckiger Bau aus Strohballen, in der Schweiz folgte 2013 das erste Strohballen-Hotel.
Laut dem Fachverband Strohballenbau Deutschland fallen hierzulande jedes Jahr über 40 Millionen Tonnen Getreidestroh an. Etwa ein Viertel davon könnte energetisch oder stofflich als Nebenprodukt der Landwirtschaft verwendet werden. Der Klima-Vorteil: Genau wie in Holz, ist auch in Getreidestroh Kohlenstoff gebunden, den die Pflanze zuvor der Luft entzogen hat. So lange ein Strohballenhaus steht, bleibt das CO2 also der Atmosphäre entzogen.
Strohballenhäuser sind kompostierbar
Nicht nur die leichte Verfügbarkeit des Rohstoffs und seine verblüffend guten bauphysikalischen Eigenschaften sprechen für Stroh. Die Ballen kommen komplett ohne Zusatzstoffe aus: Das Stroh wird verarbeitet, wie es vom Acker kommt. Zumindest theoretisch lässt sich ein Strohballenhaus also später kompostieren. Oder in Biogas verwandeln.
Da loses Stroh sprichwörtlich leicht entflammbar ist, beeilt sich der Fachverband, hinzuzufügen: "Bei verdichtetem Stroh, also Strohballen, sind durch die Pressung die Halme im Strohballen von Sauerstoffzufuhr abgeschlossen. Dadurch gilt das Material als normal entflammbar." Zudem werden die Wände von innen und von außen mit nicht brennbarem Lehm oder Kalk verputzt.
Der wetterfeste Schutz von außen ist natürlich wichtig, damit weder Feuchtigkeit noch Schädlinge eindringen können. Ein stroh-spezifisches Mäuseproblem gebe es in Strohballenhäusern "nach aller Erfahrung" nicht, teilt der Fachverband mit.
Durchaus möglich also, dass sich in der aktuellen Baustoffkrise Strohballen als kostengünstige und nachhaltige Alternative zu Beton und Klinker durchsetzen.
Schließlich war Ressourcenknappheit auch der Grund für das erste Strohballenhaus überhaupt. Schon Ende des 19. Jahrhunderts bauten Wanderarbeiter in Nebraska, USA, mit Strohballen. Denn Stroh gab es zwar in Hülle und Fülle – doch Holz war knapp. Seit etwa den 1970er-Jahren erlebt der umweltschonende Baustoff nun eine Renaissance. Auch in Deutschland.
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