Rund 200 Werke aus der Zeit von 800 bis 1600 entdeckte ein Forschungsteam im Kirchturm einer kleinen Stadt mitten in Rumänien.
Wenn Wissenschaftler:innen über das Mittelalter sprechen, dann ist eine Klage oft: Es gibt zu wenige Quellen aus dieser Zeit. Zwar hatte man damals bereits begonnen, vieles schriftlich festzuhalten, doch im Laufe der Geschichte gingen zahllose Bücher verloren oder wurden zerstört. Fast einem Wunder gleicht also nun ein Fund, der im rumänischen Mediaș gemacht wurde: Dort entdeckten Forschende mehr als 200 mittelalterliche Bücher und Fragmente.
Der spektakuläre Fund wurde im Kirchturm der örtlichen Margaretenkirche gemacht. Die Stadt Mediaș wurde um 1250 von Siebenbürger Sachsen gegründet, einer deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe. Diese erbauten auch die Kirche und scheinen mit dem Anlegen einer Bibliothek begonnen zu haben. Zum Ende des 16. oder während des 17. Jahrhunderts scheint dann ein Mitarbeiter der Kirche einen Teil des Buchbestandes umgelagert zu haben: Aus der eigentlichen Bibliothek brachte man die nun entdeckten Werke in eine Kammer im Kirchturm. Dort wurden sie, korrekt sortiert, gelagert – und vergessen. Bis heute.
200 mittelalterliche Bücher
Die Wiederentdeckung dieses "vergessenen Archivs", das erinnere sie an "eine Geschichte wie bei Indiana Jones", so die beteiligten Wissenschaftler:innen. Weshalb die vielen Bücher in den Kirchturm gebracht wurden, darüber können sie nur spekulieren. Vielleicht war in der üppigen Bibliothek mit einst 7700 Werken schlicht kein Platz mehr. Oder die nun gefundenen Schriften lagen den Gläubigen besonders am Herzen und sie wollten sie vor den vielen Überfällen auf die Stadt und den zahlreichen Kriegen schützen. Allerdings scheinen sie schon deutlich vor dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg dort gelegen zu haben: "Ihre Anordnung wirkte auf mich nicht zufällig und lässt mich vermuten, dass die Sammlung schon früh hier platziert wurde", äußerte sich der federführende Historiker Adinel C. Dincă.
Bei den Schriften handelt es sich um 139 gedruckte Bücher aus der Zeit zwischen 1470 und 1600, zwei Manuskripte aus dem frühen 16. Jahrhundert, rund 60 handgeschriebene Dokumente aus der Zeit zwischen 1300 und 1550 und zudem mehrere Fragmente, von denen die ältesten aus dem 8. Jahrhundert zu stammen scheinen. Größtenteils sind es religiöse Texte.
Fund soll neue Erkenntnisse bringen
Das Wissenschaftsteam untersucht nun sorgfältig alle Werke und möchte sie anschließend gern einscannen, um sie allen Interessierten digital zugänglich zu machen. Die Forschenden hoffen, dank des erstaunlichen Fundes mehr darüber zu erfahren, wieviel und was die Siebenbürger Sachsen im Nordwesten Rumäniens lasen und wie vor Ort Manuskripte hergestellt wurden.
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