In Afrika sind sie gefährdet, in Kolumbien dagegen invasiv und eine Bedrohung für das lokale Ökosystem: Flusspferde. Wie die Dickhäuter durch Drogenboss Pablo Escobar auf den südamerikanischen Kontinent kamen und wie Land und Leute heute zu den „Kokain-Hippos“ stehen, erklärt PETBOOK im Folgenden.
Flusspferde kommen eigentlich nur in Afrika vor. In Landschaften südlich der Sahara betätigen sie sich beispielsweise als Architekten der Flüsse, wie im Delta des Okavango, das sie gestalten und fruchtbar machen. Die manchmal auch „Nilpferde“ genannten Tiere kommen in diesem Fluss jedoch seit vielen Jahren nicht mehr vor. Denn wie viele andere Wildtiere auch leiden Flusspferde unter Habitatsverlusten. In nur wenigen Jahren reduzierte sich beispielsweise die Population in der Demokratischen Republik Kongo von fast 30.000 Tieren auf wenige hundert. Doch es gibt einen Ort, an dem sich Flusspferde unglaublich wohlfühlen und prächtig vermehren – und der liegt überraschenderweise in Südamerika, genauer gesagt in Kolumbien. Wie die Tiere dorthin kamen? Natürlich durch den berüchtigten Drogenboss Pablo Escobar.
Pablo Escobar sah sich als Gönner, der den Kolumbianern Flusspferde brachte
Pablo Emilio Escobar Gaviria – wie der wohl berühmteste Drogenboss der Welt mit vollem Namen hieß – brachte die Flusspferde in den 1980er-Jahren in seine Heimat Kolumbien. Zu diesem Zeitpunkt hatte er mit seinem Kartell bereits ein Monopol für den Kokain-Handel in den USA geschaffen und viele Millionen Dollar damit erwirtschaftet.
Doch Escobar sah sich auch als Gönner für die ärmere Bevölkerung. So entstand in seiner Villa, der Hacienda Nápoles, ein Privatzoo, den Kolumbianer gratis besuchen durften. Dort konnten sie zum ersten Mal Giraffen, Elefanten, Zebras, sowie Tiger und Flamingos bestaunen. Oder eben auch Flusspferde.
Nach dem Tod Escobars im Jahr 1993 wurden die Tiere jedoch größtenteils sich selbst überlassen. Einige wurden an andere Zoos gegeben oder vermutlich gestohlen, andere verhungerten einfach. Doch gerade die Flusspferde fanden im Kolumbien fast ideale Bedingungen, um sich zu vermehren.
Flusspferde machten sich schon zu Lebzeiten Escobars auf, Kolumbien zu besiedeln
Mit nur vier Flusspferden fing alles an. Doch bereits zu Lebzeiten Escobars gingen einige Tiere immer wieder auf Wanderschaft. Seitdem der Drogenboss 1993 erschossen wurde, sind die Flusspferde nun komplett sich selbst überlassen. Mittlerweile leben sie im Río Magdalena, ungefähr 60 Kilometer von der Metropole Medellín entfernt, die auch dem „Medellín-Kartell“ von Pablo Escobar seinen Namen verlieh.
Es sind auch keine vier Exemplare mehr, sondern Schätzungen von Wissenschaftlern zufolge mindestens 180. Und die fühlen sich in dem Fluss so wohl, dass sie sich ihrer Lieblingsbeschäftigung widmen: der Landschaftsgestaltung. Die tropischen Temperaturen und die satte Flusslandschaft mit reichlich Wasserpflanzen, die die Tiere nach ihrem Gusto gestalten können, bieten ihnen ideale Bedingungen.
Doch, gerade das, was das Ökosystem in ihrer Heimat Afrika fruchtbar hält, ist eine Katastrophe für Kolumbien. Denn Flusspferde haben in dem südamerikanischen Land keine natürlichen Feinde, die ihre Population regulieren könnten. Krokodile und Löwen finden sich dort nicht. Stattdessen bedrohen sie umgekehrt die heimische Flora und Fauna mit ihrem Expansionswahn und ihrer Verunreinigung der Gewässer.
Flusspferde verdrängen heimische Tiere und verseuchen Gewässer in Kolumbien
Eins der größten Probleme, das durch die Flusspferde in Kolumbien entsteht, ist ihr großer Energiebedarf. Täglich müssen die vegan lebenden Tiere bis zu 40 Kilogramm an Nahrung verdrücken. Entsprechend viel verstoffwechseln sie auch und da sie sich bis zu 16 Stunden täglich im Wasser befinden, reichert sich ihr Kot in kleinen Gewässern und Nebenläufen des Flusses an. Je mehr Tiere dies tun, umso gravierendere Folgen hat das für den pH-Wert des Wassers. Der Río Magdalena und die Seen in der Nähe übersäuern immer mehr, was den Tod für einheimische Wasserbewohner bedeutet.
Im März 2022 wurden die Tiere daher zu einer invasiven Art erklärt, die Tiere und Pflanzen bedroht und sich unkontrolliert ausbreitet. Doch was mit den Flusspferden nun geschehen soll, ist nicht klar. Zunächst wurde vermutet, dass die Tiere nach der Einstufung der kolumbianischen Regierung einfach abgeschossen werden sollten. Doch es regt sich Widerstand in der Bevölkerung.
Zweischneidiges Erbe Escobars bringt auch Flusspferden Kultstatus in Kolumbien ein
Denn viele Kolumbianer lieben ihre Flusspferde und sind über das Erbe Escobars mehr als froh. In der zu einem Themenpark umgebauten Villa Escobars lebt heute noch die Flusspferd-Dame Vanessa, die Jahr für Jahr von vielen Touristen besucht wird. Auch Escobar selbst wird von der Bevölkerung nicht immer eindeutig kritisch gesehen. Für manche ist er das personifizierte Böse, für andere immer noch der Gönner, der Schulen erbaute und den Ärmsten half. Mehr über den Themenpark in der Hacienda Nápoles können Sie in diesem TRAVELBOOK-Artikel nachlesen: Was aus Pablo Escobars Protz-Farm wurde.
Auch als 2009 ein Bulle namens Pepe abgeschossen werden musste, war der Aufschrei im Land groß. Denn Pepe war das einzige Männchen, dass noch von Escobar selbst ins Land gebracht wurde. Das Umweltministerium gab ihn zum Abschuss frei, da er sich in der Nähe von Siedlungen aufhielt, Menschen angriff und Feldfrüchte zertrampelte. Nach tagelanger Jagd wurde Pepe schließlich erlegt und Jäger posierten mit dem toten Tier.
Die Rolle der Flusspferde in Kolumbien ist also durchaus von mehreren Seiten zu betrachten. Manche lieben die dickhäutigen Zuwanderer und schätzen die Einnahmen für den Tourismus, andere machen sich berechtigte Sorgen um die Umwelt.
Alle Maßnahmen bislang vergebens
Eine Studie hat sich im April 2023 mit möglichen Entwicklungen der Flusspferde in Kolumbien beschäftigt. Denn die Tiere vermehren sich schneller, als bisher angenommen. Bis zum Jahr 2035 könnte es laut wissenschaftlicher Hochrechnungen bis zu 1000 Flusspferde in Kolumbien geben.
Im November 2023 kündigte die kolumbianische Regierung an, dass nun wirklich etwas gegen die Tiere getan werden müsste. Das Maßnahmenpaket soll aus drei Taktiken bestehen: Übersiedlung, Euthanasie und Sterilisation. Berichten zufolge sollen bis zu 70 der Tiere an Zoos auf der ganzen Welt verschifft werden und bis zu 20 Tiere pro Jahr sterilisiert werden.
Viele Maßnahmen, die Population zu kontrollieren, haben jedoch bislang keine Früchte getragen. Alle vorherigen Versuche, die Bullen zu kastrieren und die Weibchen zu sterilisieren, gingen mehr oder weniger nach hinten los.
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Flusspferde wollen sich nicht aus Kolumbien vertreiben lassen
Denn obwohl sich Flusspferde rein pflanzlich ernähren, zählen sie trotzdem zu den tödlichsten Tieren überhaupt. Schätzungen zufolge töten sie pro Jahr etwa 500 Menschen in ihrer Heimat Afrika. Und auch in Kolumbien wurden bereits Menschen beim Fischen von den Tieren mit den langen Hauern angegriffen.
Denn auch wenn man es ihnen nicht auf den ersten Blick ansieht, können die schwerfällig-wirkenden Tiere sehr schnell laufen und überholen jeden Menschen, der vor ihnen flüchten will, mühelos. An Land erreichen Flusspferde eine Geschwindigkeit von 50 km/h und würden damit jedem Stürmer beim Fußball den Ball abnehmen können. Entsprechend schwierig sind auch die jetzt geplanten Eingriffe an den Tieren.
Zum einen sind sie äußerst kostspielig und kosten 40 Millionen kolumbianische Pesos (ca. 9220 Euro) pro Tier. Außerdem sind diese nicht so einfach, wie Eingriffe dieser Art zum Beispiel bei Hund und Katze wären. Um ein Flusspferd zu sterilisieren, braucht man acht Leute, darunter vier Tierärzte. Und dann muss man die flinken und schlauen Tiere erstmal erwischen. Denn nach dem ersten Anlauf 2023 gehen die gewitzten Dickhäuter den Veterinären nicht mehr so leicht in die Falle und meiden die Orte, an denen sie bislang eingefangen werden konnten. Es bleibt also abzuwarten, was aus dem schweren Erbe Escobars in Kolumbien wird.
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