Klare Worte des früheren Bundespräsidenten: Joachim Gauck drängt im stern-Interview auf mehr Härte gegen Hamas-Sympathisanten. Vom Westen fordert er eine Rückkehr zur Mentalität des Kalten Krieges.
Altbundespräsident Joachim Gauck fordert von den Behörden in Deutschland ein hartes Vorgehen gegen Sympathisanten der jüngsten Angriffe auf Israel. "Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser brutale Terror in unserem Land bejubelt oder gar unterstützt wird", sagte Gauck im Interview mit dem stern.
Gauck warnte nach der Angriffswelle der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas vor einer Instabilität des gesamten Nahen Ostens. "Wir erleben einen Ausbruch von Gewalt, Terror und Hass, dessen Ausmaße nicht nur Israel, sondern den gesamten Westen erneut tief erschüttert - und angesichts der bisherigen Überlegenheit des israelischen Militärs und seiner Geheimdienste zudem völlig überrascht hat“, sagte Gauck. "Umfang und Komplexität der Angriffe lassen darauf schließen, dass die Terroristen der Hamas von außen unterstützt wurden. Wir müssen also davon ausgehen, dass diese schrecklichen Angriffe auf Israel Folgen für die Stabilität im gesamten Nahen Osten haben werden, die sie auch aus iranischer Sicht wohl haben sollen.“
Spannungen und Kriege bedrohten die bisherige Weltordnung heute fast überall, so Gauck. Der 83-Jährige sieht dahinter eine deutliche Verstärkung der “Zusammenarbeit und Kooperation derer, die einen teils offenen, teils verdeckten Kampf" gegen den Westen führten. “Wir müssen erkennen, dass uns durch die offensive und aggressive Ablehnung des Westens eine Feindschaft aufgezwungen wird, die sich in absehbarer Zeit nicht einfach weg verhandeln lässt - so sehr wir uns das auch wünschen", so Gauck. Er forderte, “die bisherigen Strategien für den Nahen Osten und im Umgang mit Regimen, die solchen Terror unterstützen, kritisch zu hinterfragen."
"Wir sind heute noch nicht ausreichend bereit“
Angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine und neuester Gewaltwellen im Nahen Osten sollten Deutschland und der Westen nach seiner Ansicht zu Ansätzen des Kalten Kriegs zurückkehren. "Wir sind heute noch nicht ausreichend bereit“, sagte Gauck mit Blick auf die aktuellen Gefahren. "Ich vermisse einen Geist der Verteidigungsbereitschaft, wie ihn der Westen zu Zeiten des Kalten Kriegs hatte. Wir brauchen die Entschlossenheit eines Helmut Schmidt, der anders als die Mehrheit in seiner Partei - und wohl auch in der Gesellschaft - wusste: Der Gegner nimmt uns nur ernst, wenn wir entsprechend ausgerüstet sind, um ihm zu widerstehen.“
Gauck warnte insbesondere vor weiteren Gefahren durch Wladimir Putin. "Wir dürfen Putin nicht wie eine Mischung aus Turgenjew und Gorbatschow sehen, sondern als das, was er ist: ein Hardliner des imperialen antiwestlichen Denkens, ein Leugner des verbindlichen Rechts. Das zwingt uns zu einer Haltung, die andere als neuen Kalten Krieg bezeichnen. Das klingt vielleicht erstmal verstörend. Aber wir brauchen diese entschlossene Bereitschaft, unsere Demokratie, den Raum unserer Freiheit, den wir unter Mühen erkämpft haben, auch zu verteidigen.“
Gauck kritisierte in diesem Zusammenhang die teilweise zurückhaltende Sicht der Deutschen. "Bei einem Teil unserer Bevölkerung gibt es eine merkwürdige Wunschvorstellung: Wenn du den Diktator nicht zu sehr ärgerst, dann wird er angemessen reagieren“, sagte Gauck. "Bei anständigen Menschen mag dieser Ansatz funktionieren. Bei den Hitlers, Napoleons und Putins wird das nach hinten los gehen.“
Er warb auch für weitere Waffenlieferungen an Kiew. "Einen Diktatfrieden Russlands müssen wir unbedingt verhindern“, sagte er. "Natürlich ist die Ukraine ein Land mit begrenzten Ressourcen. Und wenn die Amerikaner ihre Hilfe zurückfahren sollten und hier in Europa der Rückhalt bröckelt, dann wird die Ukraine über Verhandlungen neu nachdenken müssen. Aber wir können nicht über ihren Kopf hinweg entscheiden, was sie zu tun hat. Das hielte ich für anmaßend und unsolidarisch.“
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