Seit mehr als vier Jahren ist Rebecca Reusch aus Berlin vermisst. Kürzlich gab es eine erneute Hausdurchsuchung. Für Christian Matzdorf, Professor für Kriminalistik mit Schwerpunkt Kriminaltechnik, ein Zeichen dafür, dass es neue Spuren gibt.
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Erleben wir im Fall "Rebecca" gerade eine spannende Wende?
Über vier Jahre lässt das Verschwinden von Rebecca Reusch ganz Deutschland nicht los. Jetzt hat die Polizei noch mal die Wohnung des Schwagers aufgesucht – mit überraschenden Erkenntnissen. Christian Matzdorf, Professor für Kriminalistik mit Schwerpunkt Kriminaltechnik, erklärt im RTL-Interview, warum es neue Spuren gibt.
Bedeutet ein Durchsuchungsbeschluss, dass es wirklich auch neue Erkenntnisse gibt?
Matzdorf: Die Ansprüche an einen Durchsuchungsbeschluss im Zusammenhang mit einer Hausdurchsuchung, sind sehr hoch. Das heißt, wir können mit ganz großer Sicherheit davon ausgehen, dass es Anhaltspunkte dafür gegeben hat, dass diese Hausdurchsuchung noch einmal zu einem ermittlungsrelevanten Ergebnis führen wird. Ansonsten hätte der zuständige Richter, die Richterin, diesen Beschluss nicht erlassen.
Unter anderem soll es auch um einen Bademantel-Gürtel gehen. Davon war in den Jahren zuvor bislang noch nicht die Rede. Wie kann es sein, dass nach Jahren plötzlich so ein Detail nochmal relevant wird?
Matzdorf: Man muss diese Dinge vor dem Hintergrund des kriminalistischen Handelns sehen. Wenn im Laufe der Ermittlungen neue Hinweise dazukommen, dann kann es durchaus sein, dass dann einzelne Aspekte, die vorher schon bekannt werden, auch Spuren, wie zum Beispiel ein Bademantel oder ein fehlender Gürtel, plötzlich eine ganz andere Bedeutung bekommen. Das ist ähnlich wie bei Zeugenaussagen auch: Wir haben möglicherweise einen Hinweis eines Zeugen, der zunächst gar nicht relevant erscheint. Kommen weitere Informationen dazu, kann dieser wie bei einem Puzzle, das sich ständig in den Teilen wieder verändert und neu zusammenfügt, eine neue Relevanz bekommen.
Kriminalistik-Professor glaubt, dass Fall Rebecca Reusch noch aufgeklärt wird
Wie wahrscheinlich ist es für sie, dass dieser Fall noch aufgeklärt wird?Matzdorf: Die Wahrscheinlichkeit in Prozentzahlen festzustellen, ist nicht möglich. Aber wir kennen einige vergleichbare Fälle in der Geschichte der Bundesrepublik, wo auch nach 20 oder 30 Jahren immer noch der Erfolg eingetreten ist, dass man eine verschwundene Person, dann im Regelfall tot, aufgefunden hat. In diesem konkreten Fall hoffen wir immer noch, dass dieses verschwundene Mädchen lebend aufgefunden wird. Die Hoffnung ist sehr gering, das sagt selbst die Staatsanwaltschaft. Aber wir können mit einer immer noch großen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass dieser Fall aufgeklärt wird und dass man möglicherweise dann auch sterbliche Überreste finden kann.
Was kann man denn nach vier Jahren an einem potentiellen Tatort noch finden?
Matzdorf:Die Kriminaltechnik ist inzwischen so weit fortgeschritten, auch im Bereich der DNA-Analyse, dass es praktisch unmöglich ist eine Tat an einem Tatort zu begehen, ohne dass dort Spuren hinterlassen werden. Das gilt auch über einen langen Zeitraum für eine bestimmte Art von Spuren noch, so dass man sagen kann: Auch nach vier Jahren ist es möglich etwas zu finden. Nur sinkt natürlich die Wahrscheinlichkeit und auch der Beweiswert der Spuren verändert sich mit der Zeit. Insofern sind vier Jahre schon ein langer Zeitraum.
Welche Rolle spielt der technische Fortschritt?
Matzdorf: Der technische Fortschritt ist in der Kriminaltechnik Fluch und Segen zu gleich. Wir haben heute die Möglichkeit eine einzelne Hautschuppe so auszuwerten, so zu analysieren, dass wir das DNA-Profil eines Menschen daraus bestimmen können. Einerseits ein großer Vorteil, andererseits natürlich auch ein hoher Anspruch an die kriminaltechnische Tatortarbeit und an die kriminaltechnische Analysearbeit im Labor, die Spuren sauber und differenziert zu untersuchen und im Ermittlungsverfahren beweiskräftig zu bewerten.
Können solche Durchsuchungen auch unabhängig von gefundenen Spuren den Druck auf einen möglichen Täter erhöhen?
Matzdorf: Eine Durchsuchung wie hier ist auch immer im gesamten kriminalstrategischen Kontext zu betrachten. Das heißt, die Durchsuchung selbst ist eine taktische Maßnahme, die vielleicht durch neue vorliegende Erkenntnisse geboten ist. Aber sie kann natürlich auch in der Ermittlungsstrategie eine Rolle spielen und selbstverständlich entwickelt sich dadurch ein neuer Druck und möglicherweise eine neue Situation, in der sich derjenige, der als Tatverdächtiger gesehen wird, dann wieder verhalten muss. Und das kann natürlich dazu führen, dass die Ergebnisse dazu führen, dass man den dringenden Tatverdacht erhärten kann.
Christian Matzdorf ist Professor für Kriminalistik mit Schwerpunkt Kriminaltechnik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR).
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